Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Interview mit Go-Ahead-Chef Fabian Amini

Region Augsburg

Go-Ahead-Chef: "Mit Sicherheit ist das Verständnis schon jetzt aufgebraucht"

    • |
    Go-Ahead hat vor knapp zwei Wochen den Zugbetrieb rund um Augsburg nach München, Ulm und Donauwörth/Treuchtlingen übernommen. Seitdem hakt es massiv.
    Go-Ahead hat vor knapp zwei Wochen den Zugbetrieb rund um Augsburg nach München, Ulm und Donauwörth/Treuchtlingen übernommen. Seitdem hakt es massiv. Foto: Silvio Wyszengrad

    Herr Amini, Sie haben vor der Betriebsaufnahme im Augsburger Netz bei Fahrgästen um Geduld gebeten, weil noch etwas die Routine fehle. Was meinen Sie nach knapp zwei Wochen Betrieb mit etlichen Zugausfällen und Verspätungen: Wann ist die Geduld aufgebraucht?
    FABIAN AMINI: Mit Sicherheit ist das Verständnis schon jetzt aufgebraucht. Auch wir sind nicht zufrieden. Wir können uns nur entschuldigen. Wir sind so gestartet wie erwartet: Da gab es Anlaufschwierigkeiten, und für die hätte es diese Geduld gebraucht. Aber dann haben uns die Fahrzeugstörungen nach dem Eisregen am Mittwoch vor einer Woche den Boden unter den Füßen weggezogen. Wir verstehen, dass die Fahrgäste unzufrieden sind. Ich wohne in München, arbeite in Augsburg, habe kein Auto und bin selbst auf meine eigenen Züge angewiesen. Ich kann nachvollziehen, wenn Fahrgäste verärgert sind. 

    Warum gelingt es denn nicht, die Abläufe schneller in den Griff zu bekommen? Sie wirken teils selber überrascht von den massiven Fahrzeugausfällen von 50 Prozent.
    AMINI: Mit den witterungsbedingten technischen Störungen an den Fahrzeugen nach dem Blitzeis haben wir nicht rechnen können und gerechnet. Das ging auch dem Hersteller Siemens so. Wir haben gemeinsam mit Siemens sehr schnell reagiert. Siemens hat die Instandhaltungsmannschaft auf mehr als 40 Mitarbeitende in unserem Betriebswerk in Langweid verdoppelt, es wird rund um die Uhr gearbeitet. Wir mussten auf ein stark reduziertes Fahrplan-Grundkonzept herunterfahren, in dem wir in Augsburg die Triebwagen auch nicht mehr kuppeln und trennen, weil das ein Störungsschwerpunkt ist. Aber ein stabiler und für die Fahrgäste verlässlicher Betrieb geht vor.

    Am Mittwoch kam im Großraum Augsburg viel Eisregen vom Himmel.
    Icon Galerie
    10 Bilder
    Zugausfälle, Unfälle und Räumfahrzeuge im Dauereinsatz: Der Eisregen wurde in der Region Augsburg zur Herausforderung. Eindrücke in Bildern.

    Sie haben auf zwei Triebwagentypen gesetzt, die in Südbayern bisher noch nicht im Einsatz waren und die jetzt mit dem Winterwetter solche Probleme haben. Was waren die Gründe, dass Sie sich für die Siemens-Fahrzeuge entschieden haben?
    AMINI: Siemens hat das qualitativ beste und attraktivste Angebot gemacht. Das sind zwei erprobte Fahrzeugtypen, von denen viele in Deutschland fahren und die auch nicht diese Probleme haben. Wir und Siemens hatten großes Pech in Kombination von Fahrzeugmängeln und Witterungssituation. Wir haben zwei Hauptprobleme: Zum einen tritt Wasser ins Druckluftsystem des Stromabnehmers ein, was bei Kälte zur Folge hat, dass die Stromabnehmer nicht mehr an die Oberleitung gehoben werden können und der Zug dann keinen Strom mehr bekommt. Zum anderen sammelt sich durch einen Produktionsfehler Wasser in den Kontakten der Kupplung. An diesen Themen arbeitet Siemens mit Hochdruck.

    Das Verkehrsministerium hat schnelle Verbesserungen von Ihnen gefordert, Minister Bernreiter hat aber auch erklärt, dass es bei Neuvergaben unabhängig vom Betreiber immer wieder Probleme mit neuen Zügen gibt, was sich zum Grundproblem auswachse. Wird nicht genug getestet?
    AMINI: Es gibt eine Vielzahl an Beispielen, wo Neufahrzeug-Einführungen Probleme gemacht haben. Die Ursachen sind vielfältig. Das kann an einzelnen Produktionsmängeln liegen oder an Nachteilen bei der Konstruktionsweise. Manchmal kommen auch neue Unterlieferanten dazu, deren Komponenten für Schwierigkeiten bei der Zulassung sorgen - das war auch bei Siemens ein Problem, weswegen wir die Fahrzeuge im Betrieb nicht ausreichend testen konnten. Und alle Hersteller sind damit konfrontiert, dass sich die Normen permanent ändern. Die Anforderungen bei Lärm oder Barrierefreiheit werden strenger, und das macht mitunter Konstruktionsänderungen erforderlich, die Probleme nach sich ziehen können.

    Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?
    AMINI: Die Prognose von Siemens war, dass man spätestens in der Woche vor Neujahr alle Züge einmal im Betriebswerk hatte. Die Lage bessert sich jetzt schon. Die Fahrzeuge, die zurückkommen, sind deutlich stabiler. Zunächst wollen wir jetzt unseren Grundfahrplan aufrechterhalten, weil ein verlässlicher und stabiler Betrieb vorgeht – es gibt noch nicht mehr Fahrten, aber auf den stattfindenden Fahrten gibt es mehr Sitzplätze. Nach Weihnachten wollen wir zusätzliche Züge in den Fahrplan aufnehmen und mit dem Kuppeln und Trennen wieder kontrolliert beginnen, um zu sehen, ob es auch funktioniert. Wenn das dann läuft, werden wir in der nächsten Stufe weitere Züge in den Fahrplan aufnehmen. Ziel ist, im neuen Jahr nach den Ferien wieder in den regulären Vollbetrieb zu gehen. 

    Was hat der Stolper-Start Sie eigentlich gekostet? Für nicht stattfindende Fahrten bezahlt der Freistaat kein Geld, Sie haben Kosten mit Erstattungen an Fahrgäste. Gleichzeitig ist Siemens ja in der Gewährleistung. 
    AMINI: Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir uns mit Siemens darauf verständigt, uns voll auf die Fahrgäste zu konzentrieren und alles daranzusetzen, die Fahrzeuge stabil zu bekommen. Ein gutes Angebot hat oberste Priorität. Den Rest kann man hinterher klären. 

    Go Ahead präsentiert neue Züge /  Go Ahead präsentiert neue Züge / PK am Bahnhof Wörnitzstein / Bahn / Nahverkehr / Regio / Schienennahverkehr / Aus und Einstieg mit Rollstuhl über eine ausfahrbare Rampe /
    Icon Galerie
    24 Bilder
    Blick ins Innere der fabrikneuen Züge des Eisenbahnunternehmens Go-Ahead. Diese werden ab 11. Dezember zwischen München, Augsburg, Ulm und Treuchtlingen fahren.

    An manchen Tagen konnten Sie nur die Hälfte Ihres Programms fahren. Als Pendler mit Zeitkarte zahlt man dennoch voll. Was sagen Sie den Betroffenen?
    AMINI: Wir haben versucht, Alternativen zu bieten, etwa über die Fernbahnhöfe entlang der Strecke Ulm-Augsburg-München, wo wir den Fernverkehrsaufpreis zu bestimmten Tageszeiten erstatten. Auch die Ausweichroute über Geltendorf für München-Pendler aus Mering gehört dazu. Wie gesagt: Unser Ziel ist es, jetzt zügig wieder ein stabiles Angebot auf die Beine zu stellen. 

    Rechnen Sie damit, dass Fahrgäste wegbleiben? Für Pendler waren es zwei harte Wochen. 
    AMINI: Meine Hoffnung ist, dass sich schnell herausstellt, dass wir einmalig eine witterungs- und fahrzeugbedingte Situation haben. Wenn die Probleme behoben sind, wollen wir zeigen, dass wir zügig in einen stabilen Betrieb kommen und man sich auf uns verlassen kann. Wir wissen, dass viel Vertrauen verloren gegangen ist: Nicht nur bei den Fahrgästen, sondern auch bei den Mitarbeitenden. Alle leisten momentan ein abartiges Arbeitspensum, alle haben auf die Inbetriebnahme hingefiebert. Es ist für alle frustrierend, dass der enorme Einsatz bisher nicht zu einem zufriedenstellenden Angebot für die Fahrgäste führen konnte. An diesem Ziel arbeitet nun unser gesamtes Team mit voller Kraft.

    Fabian Amini ist Geschäftsführer von Go-Ahead Bayern.
    Fabian Amini ist Geschäftsführer von Go-Ahead Bayern. Foto: Hauke Seyfarth, go-ahead

    Zur Person

    Fabian Amini, 47, ist seit Anfang 2022 Geschäftsführer bei Go-Ahead Bayern. Das Unternehmen fährt seit einem Jahr zwischen München und Lindau und hat vor zwei Wochen Teile des Nahverkehrs rund um Augsburg übernommen. Zuvor leitete Amini sechs Jahre lang die Bayerische Regiobahn, die von Augsburg aus durchs Paartal und an den Ammersee fährt, sowie die Bayerische Oberlandbahn. Seine Karriere startete Amini bei der Deutschen Bahn, für die er elf Jahre tätig war.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden