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Augsburg: Wie fortschrittlich ist die Architektur des Millionenprojekts Innovationspark?

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Wie fortschrittlich ist die Architektur des Millionenprojekts Innovationspark?

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    Die Gebäude im Augsburger Innovationspark sind vielfältig. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
    Die Gebäude im Augsburger Innovationspark sind vielfältig. Es gibt aber auch kritische Stimmen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Es mutet an wie eine Kleinstadt, die monatlich an Geltung gewinnt. Im Süden Augsburgs – auf 70 Hektar Fläche – entsteht einer der größten Innovationsparks Europas. Zahlreiche Gebäude sind bereits fertiggestellt, namhafte Forschungseinrichtungen haben sich niedergelassen, große Firmen angesiedelt. Derzeit arbeiten rund 2100 Menschen bei 74 Einrichtungen. Zuletzt fand das Pre-Opening des von der Firma Walter errichteten 50-Millionen-Projekts Innovationsbogen statt. Ein architektonisches Glanzstück. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) sprach von einem Bauwerk, das man "in dieser Form vielleicht gar nicht in Augsburg erwarten würde". Es gibt viel Lob für den modernen Architekturstil unweit der Universität – aber auch Kritik.

    Eberhard Pfeuffer gilt vielen als grünes Gedächtnis der Stadt. Der Naturforscher hat sich wegen des enormen Flächenverbrauchs frühzeitig für eine innovative Begrünung des Areals starkgemacht – und dabei Anleihen an den historischen Naturraum genommen. Der Druck der Naturschutzallianz veranlasste die Stadt 2022 dazu, Nachbesserungen bei der Bepflanzung vorzunehmen. Auf den kiesigen Böden am Technologiezentrum beispielsweise wurden vereinzelt Waldkiefern gepflanzt, die mit den Gegebenheiten des trockenen Bodens deutlich besser zurechtkommen als die zuvor gesetzten Grauerlen oder Pappeln. 

    Augsburger Naturforscher kritisiert die Bepflanzung am Innovationspark

    Das erkennt Pfeuffer an. Trotzdem entspreche die architektonische Umsetzung des Innovationsparks nicht den Vorstellungen einer modernen Stadtökologie. "Etliche Gebäude haben kein Fassadengrün", sagt Pfeuffer. Die massenhafte Versiegelung führe im Hochsommer zu Temperaturen von knapp 40 Grad Celsius. Am meisten stört den Naturforscher aber die falsche oder nicht vorhandene Begrünung. Auf Höhe des Innovationsbogens etwa gebe es einen extrem fruchtbaren Lössboden. "Hier könnte man blühende Wiesen oder hohe Bäume anlegen", so Pfeuffer. Stattdessen grüner Rasen, kurz geschnitten wie im Vorgarten. "Es schmerzt, wie ein so wertvoller Boden ungenutzt bleiben kann", sagt Pfeuffer.

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    Im Süden der Stadt entsteht ein auf 70 Hektar ein Wirtschafts- und Forschungszentrum. Wir haben Bilder, wie weit die Bauarbeiten fortgeschritten sind.

    Wolfgang Hehl, Geschäftsführer des Innovationsparks, betont hingegen auf Anfrage unserer Redaktion die "gute Aufenthaltsqualität" durch "wichtige ökologisch wertvolle Flächen". Er verweist auf das nachhaltige Bauen und Gestalten im Innovationspark. Möglich sei dies durch Fassaden- und Dachbegrünung wie auf dem Innovationsbogen aber auch die "langlebigen und umweltfreundlichen Materialien", die vor Ort verbaut worden seien. Wichtig sei zudem die nachhaltige Energiegewinnung und -verwendung vor Ort. Auf dem Dach des Bürokomplexes "Weitblick 1.7" sind beispielsweise Dutzende Solarpanele angebracht.

    Entwicklung des Innovationsparks Augsburg dauert 15 bis 20 Jahre

    Die Fertigstellung des Innovationsparks dauert insgesamt 15 bis 20 Jahre. "Wir sind also noch mitten in der Entwicklung", sagt Hehl. Mit der Qualität der bisher entstandenen Gebäude sei man sehr zufrieden. Es seien wirklich prächtige "Landmarken" entstanden, so der Geschäftsführer. So bezeichnet man in der Architektur Gebäude von überregionaler Bedeutung – aufgrund von Größe, Höhe oder Form. 

    Auch Katinka Temme, Professorin für analoge Architektur an der Technischen Hochschule Augsburg, hebt die sogenannten 'landmarks' im Innovationspark hervor. "Es ist gelungen, bauliche Akzente zu setzen", sagt sie. Temme lobt zudem die Idee, einen gemeinsamen Campus zu erschaffen, sieht aber dennoch Verbesserungspotenzial. "Die Gebäude sind isoliert voneinander, es fehlt an unterschwelligen Begegnungszonen." Diese seien ein zentraler Bestandteil moderner Architektur. 

    Vorreiter seien die amerikanischen Tech-Unternehmen. "Dort gibt es gemeinsame Grünanlagen, Sportflächen, ausreichend Sitzgelegenheiten." Der Lebensprozess würde stärker mitgedacht, dadurch fühlten sich die Menschen wertgeschätzt. Von einer besseren Vernetzung würden aber nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren, sondern auch die angrenzenden Wohngebiete im Univiertel, so Temme. Kritisch sieht Temme zudem die große Versiegelung durch Parkplätze. "Die Parkflächen ermöglichen keine Interaktion miteinander, da diese wie Barrieren zwischen den einzelnstehenden Gebäuden liegen. Unversiegelte Grün- und Aufenthaltsflächen sind als Vorzone aus nachhaltigen und sozialen Gesichtspunkten sinnvoller."

    2024 werden im Innovationspark Augsburg zwei Bauprojekte fertig

    Grundsätzlich steht die Professorin derartig großen Neubauprojekten skeptisch gegenüber. Aktuell sei eher interessant, wie man bestehendes Baumaterial repariert – "nicht auf grüner Wiese neu bauen, sondern im Bestand nachverdichten". Das würde dem Leerstand und der Verwahrlosung in Innenstädten entgegenarbeiten und die Neuversiegelung von Böden bremsen, erklärt die Professorin. Im Süden Augsburgs aber wird weiter gebaut. In diesem Jahr werden voraussichtlich zwei größere Bauprojekte auf dem Areal fertiggestellt, unter anderem das Forschungsinstitutsgebäude des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Dadurch entstehen wieder etliche neue Arbeitsplätze. 

    Naturforscher Pfeuffer sieht die positiven Aspekte. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen Weiterentwicklungen", sagt er. "Aber sie sollten im Einklang mit der Natur geschehen." Er wünscht sich mehr Ausgleichsflächen und passende Flora, wie es sie in ursprünglicher Form gegeben hat. Seine Wünsche könnten teilweise Realität werden. Bis Ende 2025 will die Stadt im Innovationspark 850 neue Bäume pflanzen. Vorgesehen sind Bereiche für Fauna und Flora, aber auch Aufenthaltsflächen für Menschen, um dort im Grünen Luft zu schnappen. Die Stadt plant, Bäume und Sträucher zu pflanzen, die hitzebeständig sind. Aktuell ist allerdings unklar, wann die für die Begrünung des Innovationsparks vorgesehenen Fördergelder des Bundes fließen werden. 

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