Die Augsburger Clubbetreiber haben Diskussionsbedarf. Seit über fünf Monaten sind ihre Clubs aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Die Situation zehrt nicht nur an ihren Nerven, sondern auch an ihren Geldbeuteln. Sechs Gespräche über Perspektiven, finanzielle Sorgen und Forderungen an die Politik.
Die Barhocker sind auf Tische und Theken gestellt, der Tanzboden vor dem DJ-Pult wurde erneuert. „Eigentlich hatten wir uns das für das diesjährige Sommerloch vorgenommen, haben die Arbeiten dann aber vorgezogen“, sagt Jan Schwaiger, Geschäftsführer des Mo-Clubs. Das Team wäre startklar – doch vom Neustart im Nachtleben kann bislang keine Rede sein. „Keiner weiß, wie es mit Corona weitergeht. Mit einer Öffnung rechnen wir allerdings nicht vor Mitte kommenden Jahres.“ Das sei bitter, weil die Rechnungen ja trotzdem gezahlt werden müssten: Miete, Strom, Abschlagszahlungen, Wartungsarbeiten, Gema … Da komme einiges zusammen. Staatliche Hilfen könnten diese Ausgaben gar nicht auffangen.
Geschäftsführer des Mo-Clubs: Was wird aus der Branche?
Jan Schwaiger ist angestellter Geschäftsführer und kein Teilhaber. Sein Herz hängt aber sehr an dem Club, in dem der 24-Jährige schon an der Tür und an der Bar gearbeitet hat, bevor er im April 2019 als Geschäftsführer engagiert wurde. Derzeit arbeitet er im Gartenbau und bei einem Bestattungsunternehmen, um sein Leben finanzieren zu können.
Er fragt sich, was aus der gesamten Branche wird, je länger die Nachtclubs geschlossen bleiben: „Da hängt doch noch so viel dran. Was wird aus der Reinigungsfirma, die viele Clubs in Augsburg geputzt hat? Was wird aus unserem Getränkelieferanten, der nun einige Abnehmer verloren hat?“
Weniger Gäste: Das rechnet sich für den Mo-Club nicht
Geschlossene Gesellschaften oder eine Öffnung mit reduzierter Besucherzahl würden sich beim Club im Afrawald nicht rechnen. Der Geschäftsführer und die Inhaber des Mo-Clubs verfolgen, was aus der Sammelklage von Münchner Clubbetreibern gegen den Freistaat wird. Diese klagen auf Schadensersatz. „Wir behalten uns auch rechtliche Schritte vor“, sagt Schwaiger.
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Der Sommer überdeckt die Probleme von Sebastian Karner. Der Betreiber von Musikkantine, Weisses Lamm und Soho Stage hat gerade viel zu tun. „Das Lamm ist geöffnet und dank seiner Terrasse ist dort bei gutem Wetter auch immer etwas los.“ Daneben wird seit Anfang August Freitag- und Samstagabend die Ludwigstraße gesperrt. Karner und sein Kollege Christoph Steinle von der Bar Oh Boi und dem Café Yard Coffee können die gesperrte Fläche als Außengastronomie nutzen. Außerdem hat Karner mit den Betreibern des Hallo Werner vor zwei Wochen den Kulturbiergarten am Königsplatz eröffnet. Auch damit ist er zufrieden. „Ich finde es toll, dass die Stadtverwaltung und die Politik so positiv mitgewirkt und uns das ermöglicht haben.“ Das sei absolut hervorzuheben – in anderen Städten werde das anders gehandhabt, habe er mitbekommen.
Doch wenn der Sommer erst vorbei ist, ist auch die Zukunft für Sebastian Karner wieder ungewiss. „Uns Clubbetreibern fehlt eine richtig Perspektive. Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion, wie Clubs wieder öffnen können.“ Beim Fußball würden diese Debatten geführt, bei den Clubs gebe es einfach ein Berufsverbot. „Natürlich gibt es zahlreiche finanzielle Hilfen und Unterstützungen, die einen irgendwie über Wasser halten. Aber je länger wir ein Berufsverbot haben, desto mehr zerbrechen die Strukturen der Clublandschaft.“ Facharbeiter würden sich andere Jobs und Berufsfelder suchen, Bands sich nach einer so langen Pause womöglich auflösen. „Diese Diskussion will in der Politik niemand führen. Dafür ist unsere Lobby einfach zu klein.“
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Mit gleich drei Nachtlokalen kommt es für Leo Dietz gerade besonders dick. Neben den Clubs Cube und Mauser betreibt er bereits seit 20 Jahren das Peaches. Während zumindest die Terrasse des Peaches in der Maximilianstraße geöffnet sein darf, wird in den beiden Clubs seit Mitte März nicht mehr gefeiert.
Barbetreiber Leo Dietz muss an seine Rücklagen gehen
Nach Feiern ist Leo Dietz derzeit auch nicht zumute – im Gegenteil. „Das ist eine Unverschämtheit vom Gesetzgeber. Er kann Unternehmern nicht dauerhaft das Arbeiten verbieten und sie den Schaden selber tragen lassen. Und wenn, dann muss er es ausgleichen“, sagt Gastronom Dietz.
Seit Monaten muss er an seine Rücklagen gehen, um Pacht und Personal bezahlen zu können. „Freistaat und Bund müssen Schadensersatz leisten, denn die Zuschüsse reichen hinten und vorne nicht. Ich will keinen Gewinn machen, ich will wenigstens eine rote Null“, sagt er. Er lasse sich juristisch beraten, wie er mehr Unterstützung erhalten könne.
Denn dauerhaft könne kein Clubbetreiber diese Ausgaben schultern. Dietz: „Für uns gibt es bislang keine Perspektiven. Die Frage ist, ab wann man die Notbremse zieht?“
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Stephan Schulz ist sauer. Für Clubbetreiber gebe es weder Perspektiven noch interessiere sich jemand für ihre Probleme, bemängelt der Pächter des Kesselhauses. Der große Club im Riedinger Park steht seit Monaten leer. Ab und zu veranstaltet dort Schulz gemeinsam mit Andy Kahn von Feinkost Kahn einen Menü-Abend. „In unserem Pop-up-Restaurant sind dann vielleicht 70 Personen. Eigentlich ist das Kesselhaus aber für 700 bis 1200 Besucher gedacht.“
Viele coronabedingte Vorgaben kann der Augsburger nicht verstehen. „Warum dürfen sich bei Veranstaltungen in Bayern 100 Personen innen und 200 Personen im Außenbereich treffen, in Baden-Württemberg sogar 500 und in der Maximilianstraße sind es am Wochenende Hunderte? Warum dürfen aber nicht einmal 300 Leute in einen Club gehen?“, fragt er sich. Schrittweise sollte es den Clubbetreibern ermöglicht werden, wieder zu öffnen. Erst mit einem Teil der möglichen Besucherzahl, dann immer wieder etwas mehr, schlägt Schulz vor. „Natürlich mit einem personalisierten Ticket, damit die Besucher zurückverfolgt werden können, und einem entsprechenden Hygienekonzept.“
Personal des Kesselhauses hat sich längst neue Jobs gesucht
„Spaßparks“ dürften öffnen, Transport im Bus und Flugzeug sei wieder möglich – nur der Besuch in einem Club sei nach wie vor nicht erlaubt, ärgert sich Schulz. „Natürlich gibt es Zuschüsse und Unterstützung vom Staat. Das ist aber keine Alternative. Ich will arbeiten.“ Wenn die Clubs wieder öffnen, muss sich Stephan Schulz aber neues Personal suchen. „Die 450-Euro-Kräfte fallen bei Corona komplett durchs Raster. Ein Teil hat sich bereits was anderes gesucht.“
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Eine Woche, bevor in Bayern aufgrund der sich ausbreitenden Pandemie Clubs und Bars geschlossen wurden, unterschrieb Christian Korte, den alle nur Chris nennen, den Pachtvertrag für seine Kneipe: die Brez’n. Die folgenden Wochen war Korte beschäftigt. Der Innenraum wurde verändert, eine Wand von Mitgliedern der Augsburger Ultras des FC Augsburg neu bemalt. Doch dann wollte der Wirt mit der Eröffnung nicht länger warten. „Während die Brez’n geschlossen war, habe ich richtig viel Geld verloren.“ Ende Juli hat er das bekannte Augsburger Lokal, das sich im Gässchen Barthshof, parallel zur Zeuggasse, befindet, das erste Mal aufgesperrt.
Korte konnte diesen Schritt gehen: Sein Lokal ist als Schank- und Speisewirtschaft ausgewiesen. Allerdings mit Einschränkungen: 50 Personen kann er anstatt der sonst etwa 120 möglichen Gäste hereinlassen. Aufgrund der Abstandsregelungen ist auch die lange Theke derzeit Sperrzone. Die Gäste können sich dort an eines der sieben Fässer setzen, die Stefan „Bob“ Meitinger und Chris Ress ihm zur Verfügung gestellt haben. „So können alle Abstände – auch zu den Bedienungen hinter der Theke – eingehalten werden“, betont der Wirt. Fünf Angestellte zählt der Neu-Gastronom inzwischen, darunter auch einen Türsteher. „Gerade am Wochenende ist die Brez’n oft voll besetzt und es stehen weitere 20 Leute vor der Tür, die darauf warten, hereinzudürfen.“ Das Publikum sei ein Mix aus Jung und Alt. „Das hängt von der Tageszeit ab. Momentan haben wir von 13 bis 5 Uhr geöffnet.“
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Im März 2018 hat Manuel Dietrich das Barfly nach einem umfassenden Umbau eröffnet. 500.000 Euro hat er damals in die Sanierung gesteckt. Die zwei Jahre liefen gut, er konnte vom Club leben, seine Rechnungen bezahlen und den Kredit abstottern, doch dann kam Corona. Seither steigert sich von Woche zu Woche seine Wut. Unverschuldet sei er in diese Situation geraten, seine Versicherung komme für den Schaden nicht auf, von der Politik fühle er sich im Stich gelassen. Von den staatlichen Hilfen, die er erhält, könne er nicht einmal die Pacht für seinen Club bezahlen.
Wunsch nach Dialog und einem Runden Tisch
„Wir sind aber kein staatlich geförderter Jugendverein, den man mal einfach schließen kann. Wir zahlen alle Steuern.“ Er wünscht sich einen Dialog, einen Runden Tisch, denn über kurz oder lang befürchtet er eine Pleitewelle in der Branche. Daneben bemängelt er die unterschiedliche Handhabung der Bundesländer. In Baden-Württemberg dürfen Clubs eingeschränkt öffnen. „Voraussetzung ist ein Bar- oder Restaurantbetrieb.“
Dietrich hält sich nun mit einem Job im Logistikbereich über Wasser. „Wenn die Schließung der Nachtclubs bis ins kommende Jahr anhält, dann wird das für mich finanziell schwierig.“
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