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Augsburg: Impfpflicht im Gesundheitswesen: Droht Augsburger Einrichtungen der Kollaps?

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Impfpflicht im Gesundheitswesen: Droht Augsburger Einrichtungen der Kollaps?

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    Ab Mitte März muss das Personal im Gesundheitswesen geimpft sein. Dazu zählen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern - wie hier am Augsburger Uniklinikum.
    Ab Mitte März muss das Personal im Gesundheitswesen geimpft sein. Dazu zählen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern - wie hier am Augsburger Uniklinikum. Foto: Silvio Wyszengrad

    Es begann mit einem Brief. Ende November verschickte die Augsburger Klinik Vincentinum ein zweiseitiges Schreiben an sein Personal, in dem die Einführung einer Teil-Impfpflicht ab Januar angekündigt wurde. Die Zeilen landeten abfotografiert in sozialen Netzwerken, die Empörung dort war groß. So groß, dass seitdem immer montags auf dem Augsburger Rathausplatz gegen die Impfpflicht im Gesundheitswesen demonstriert wird. Regelmäßig heißt es dort, durch den Schritt stünde die Versorgung im Raum Augsburg auf dem Spiel, ja vor dem Zusammenbruch. Was ist dran?

    Bundesweit gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen erst ab März - am Zeitplan des Vincentinums ändere dies nichts, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Die Artemed-Klinikgruppe, zu der das Vincentinum seit 2017 gehört, setze ihr Vorhaben, ab dem 1. Januar 2022 nur noch geimpftes und als genesen geltendes Personal in den Dienstplänen einzuteilen, wie geplant um. Durch die Entscheidung der Bundesregierung sehe man sich "bestätigt".

    In der Klinik Vincentinum gilt bereits ab Januar eine Impfpflicht

    Nach Angaben der Sprecherin waren bereits im November rund 90 Prozent des Personals am Vincentinum geimpft. Seit der Ankündigung der Impfpflicht sei die Impfbereitschaft in der Belegschaft weiter gestiegen. "Der oder die ein oder andere hat offensichtlich nur noch einen letzten Ruck benötigt, um sich zur Impfung zu entschließen." So seien im Vincentinum mittlerweile etwa 95 Prozent des Personals mindestens einmal geimpft. Trotzdem gebe es "einige sehr wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die eine Impfung gegen Corona auch weiterhin keine Option ist, weshalb sie unser Unternehmen dann auch verlassen werden". Man sehe keine andere Möglichkeit, den größtmöglichen Schutz für alle Beteiligten sicherzustellen. Es sei davon auszugehen, dass die Versorgungsqualität sichergestellt bleibe.

    An der Augsburger Klinik Vincentinum gilt schon ab Januar eine Teil-Impfpflicht für das Personal.
    An der Augsburger Klinik Vincentinum gilt schon ab Januar eine Teil-Impfpflicht für das Personal. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Das Vincentinum geht als erste Augsburger Einrichtung den Schritt, den ab März alle anderen gehen müssen. Das heißt auch: Drei Monate bleiben noch, sich auf die Situation vorzubereiten. Prof. Michael Beyer, Ärztlicher Direktor am Uniklinikum, betonte zuletzt gegenüber unserer Redaktion, er sei "im Moment für Augsburg froh, dass die Impfpflicht nicht vor März kommt". Welche Konsequenzen der Schritt haben könne, sei schwer vorherzusagen. "Was ich aber weiß: Wir brauchen jede Pflegekraft, um den Betrieb aufrechtzuerhalten." Jeder Abgang schmerze "sehr".

    Impfpflicht betrifft das gesamte Gesundheitswesen in Augsburg

    Das bestätigt auch Eva-Maria Nieberle, Personalratsvorsitzende am Uniklinikum. Ihrer Einschätzung zufolge ist allerdings nicht die Impfpflicht der entscheidende Faktor, der das Personal aus dem Beruf treibt. "Vielleicht ist sie im ein oder anderen Fall der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Viel gravierender ist aber die seit Monaten enorme Arbeitsbelastung - und die kommt eben auch davon, dass noch zu viele ungeimpft sind. Das ist es, was uns dem Zusammenbruch nahebringt." Gleichzeitig, betont die Personalratsvorsitzende, werde die Impfpflicht intern "sehr kontrovers" diskutiert. "Es gibt hier auch viele Geimpfte, die halten den Schritt für völlig unangemessen - einfach, weil es ungerecht ist, dass ausgerechnet wir anders behandelt werden. Da fühlen sich manche veräppelt."

    Nirgendwo sonst wird die verheerende Kraft des Virus so sichtbar wie im Krankenhaus. Warum lassen sich selbst dort manche nicht impfen? "Die Ängste sind teilweise sehr diffus. Mal hat man etwas im Internet gelesen, mal will man lieber den Totimpfstoff abwarten", sagt Nieberle. Das bereits geimpfte Personal reagiere darauf wiederum teilweise auch mit Unverständnis. "Das Konfliktpotenzial in den Teams ist riesig." Der Personalratsvorsitzenden zufolge liegt die Impfquote am Uniklinikum im patientennahen Bereich bei rund 90 Prozent, dieser hohe Anteil betreffe allerdings nicht das ganze Haus. Die Impfpflicht ab Mitte März ist "einrichtungsbezogen" und gilt damit für alle, die in einer Einrichtung beschäftigt sind – also zum Beispiel auch für Handwerker oder Reinigungskräfte. Gerade im technischen Bereich sei der Anteil der Ungeimpften höher, sagt Nieberle. Kürzlich sei sogar ein Mitarbeiter von dort an Corona verstorben - auf der Intensivstation des Hauses, in dem er selbst arbeitete.

    Corona-Impfung: Gewerkschaft befürchtet Verschärfung der Personalnot

    Neben Krankenhäusern gilt die Impfpflicht unter anderem auch für Alten- und Pflegeheime, ambulante Pflegedienste, Arztpraxen, Rettungsdienste und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Die Gewerkschaft Verdi hält die Impfpflicht in diesen Bereichen für "das völlig falsche Signal", wie der Augsburger Gewerkschaftssekretär Roman Martynez sagt. "Dass ausgerechnet diejenigen in die Pflicht genommen werden, die in der Pandemie rund um die Uhr die psychische und physische Belastung tragen mussten, geht gar nicht." Es sei zu befürchten, dass sich die Personalnot verschärfen werde.

    In welchem Ausmaß dies geschieht, hängt nach Einschätzung von Herbert Kratzer maßgeblich davon ab, ob bald auch der nächste Schritt folgt - die allgemeine Impfpflicht. Kratzer leitet bei der Augsburger Caritas das Ressort Behindertenhilfe. Dort sind rund 700 Angestellte von der Impfpflicht betroffen, verteilt auf die Bereiche Wohnen, Werkstätten und Förderstätten. Die Impfquote sei sehr unterschiedlich, sie reiche je nach Abteilung von rund 50 bis fast 100 Prozent. "Wenn in einem Bereich tatsächlich die Hälfte der Beschäftigten aufhört, dann würde das dort zu einem Kollaps führen, ganz klar", sagt Kratzer. Er hoffe, dass die allgemeine Impfpflicht bald komme. "Das könnte viele noch davon abhalten, uns zu verlassen, weil sie sich ohnehin impfen lassen müssten."

    Sozialreferent: Verpflichtung als "Entscheidungshilfe" für Ungeimpfte

    Als Betreiberin von Seniorenheimen ist auch die Stadt Augsburg betroffen. Sozialreferent Martin Schenkelberg betont, er könne der Impfpflicht zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner "nur voll und ganz zustimmen". Für unschlüssige Ungeimpfte sei die Verpflichtung möglicherweise auch eine "Entscheidungshilfe". Ob Beschäftigte wegen einer ablehnenden Haltung der Impfung gegenüber tatsächlich den Beruf wechselten, bezweifle er. "Zu einem anderen Träger oder in ein Krankenhaus zu wechseln, würde ja nichts ändern. Denn auch dort gilt die Impfpflicht."

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