In München arbeiten, in Augsburg wohnen: Die Zahl der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die täglich in die Landeshauptstadt pendeln, ist in den vergangenen zwei Jahren um acht Prozent gestiegen. 2021 machten sich rund 10.200 Beschäftigte auf den Weg in die Landeshauptstadt. Für die Jahre 2015 bis 2020 ergibt sich sogar ein Plus von 23 Prozent, rechnete die Industrie- und Handelskammer kürzlich vor. Zwar macht der Anteil der München-Pendler gemessen an allen Beschäftigten in Augsburg nach wie vor einen geringen Teil aus, von 1000 Beschäftigten sind aber immerhin 80 München-Pendler. Die stärker werdende Verflechtung macht sich auch zunehmend auf dem Immobiliensektor bemerkbar - für Augsburger und Augsburgerinnen teils mit negativen Folgen.
Denn ein Teil der Wohnungsknappheit und der Preissteigerungen dürfte auf Zuzügler aus München zurückzuführen sein. Als die Stadt 2013 eine Anzeige in einer Münchner Tageszeitung schaltete, in der sie mit den vergleichsweise niedrigeren Mieten warb, gab es prompt Kritik, weil befürchtet wurde, dass der damals schon angespannte Mietmarkt noch weiter befeuert werde, wenn Münchner herziehen. Eva Weber (CSU), damals Wirtschaftsreferentin und heute Oberbürgermeisterin, sagte damals, dass es um Standortwerbung für Augsburg gegangen sei. Sie glaube im Übrigen auch nicht, dass eine Anzeige Mietpreise in die Höhe treiben werde. Ein zweites Mal geschaltet wurde die Annonce trotzdem nicht mehr.
Augsburger Wohnungsmarkt: "Deutliche Ausweichbewegungen von München"
Inzwischen scheint es einen gewissen stetigen Zustrom von Münchnern Richtung Augsburg zu geben. Pro Jahr liegt die Zahl der Zuzügler seit 2010 zwischen 1100 und 1400 pro Jahr. In den Jahren 2011 bis 2016, das ergab eine Untersuchung der Stadt, wurden 13 Prozent aller neu gebauten Wohnungen in Augsburg von Münchnern bezogen - das spricht dafür, dass es sich nicht nur um Umzügler handelt, die in ein paar Jahren wieder weg sind.
Inzwischen dürfte dieser Anteil gestiegen sein. "Es gibt deutliche Ausweichbewegungen aus München, auch wegen des aus Münchner Sicht sehr attraktiven Preisniveaus", so der stellvertretende Vorsitzende des Immobilienverbandes IVD Süd und Augsburger Makler, Florian Schreck. Die ohnehin starke Nachfrage in Augsburg werde so noch verstärkt. Auch aus dem Münchner Speckgürtel, etwa aus Dachau, orientierten sich inzwischen manche Interessenten in Richtung Augsburg. Im Gepäck hätten sie meist den Münchner Blick auf Immobilienpreise.
Der IVD stellte am Montag aktuelle Zahlen für München, Augsburg und Ingolstadt vor, um auf die Entwicklung aufmerksam zu machen. Während am Automobilstandort Ingolstadt nicht zuletzt seit der Diesel-Krise inzwischen Preise etwas nachlassen, geht die Reise in München und Augsburg weiter nach oben. Laut IVD-Zahlen ist eine Wohnung in Augsburg für 61 Prozent des Münchner Preises zu mieten, beim Kauf geht die Schere noch weiter auf.
Die Immobilienpreise in Augsburg und München im Vergleich
Das Einfamilienhaus, für das in München inzwischen die Zwei-Millionen-Euro-Marke geknackt wurde, ist in Augsburg für etwa 770.000 Euro zu haben, kostet also "nur" 40 Prozent des Münchner Preises. Auch je besser eine Gemeinde im Augsburger Umland an München angebunden ist, weil sie in A8-Nähe oder an der Bahnstrecke liegt, desto höher sei der Preis, so Schreck. Er verweist darauf, dass eine Dreiviertelstunde Wegstrecke mit der Bahn vergleichbar ist mit dem, was auch innerhalb Münchens an Pendelzeit anfallen kann. Augsburg als Wohnort sei vor allem attraktiv für Arbeiternehmer und Arbeitnehmerinnen, die im Münchner Zentrum oder nahe des Pasinger Bahnhofs arbeiten.
Er glaubt, dass der Druck aus München weiterhin hoch bleibt, auch angesichts der Bevölkerungsprognosen für München und Augsburg. Die Folge könne eine Kaskade sein - Münchner und Münchnerinnen ziehen nach Augsburg, Augsburger und Augsburgerinnen ziehen wegen der niedrigeren Preise ins Umland, das für München-Pendler und -Pendlerinnen schon nicht mehr so interessant ist, weil die Wegzeiten zunehmen. "Von Augsburg aus geht es Richtung Westliche Wälder oder nach Norden, wo das Preisniveau noch etwas niedriger ist", so Schreck. "Es werden auch Nachteile bei der Infrastruktur in Kauf genommen zugunsten des Preis-Leistungs-Niveaus", so Schreck.
Grundsätzlich würden in Augsburg zu wenig Wohnungen gebaut
Allerdings, das sagt auch Schreck, müsse man das München-Thema im Zusammenhang mit anderen Entwicklungen sehen. "Wir stellen im Tagesgeschäft auch fest, dass es mehr Leute gibt, die bewusst aus der Stadt ins ländliche Umfeld wollen, um sich etwa einen Garten leisten zu können. Das sind pandemiemüde Interessenten, die ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis suchen." Im Übrigen sei der Zuzug aus München auch nur einer von mehreren Faktoren, die für die Preisentwicklungen verantwortlich sind. Augsburg sei für sich ein attraktiver Standort mit einer relativ stabilen Arbeitsmarktsituation. Zudem werde grundsätzlich zu wenig gebaut. Die Zahl der fertiggestellten und genehmigten Wohnungen sei zu gering.