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Immer mehr Geflüchtete in Augsburg: Wie wirkt sich das aus?

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In Augsburg leben immer mehr Geflüchtete: Wie wirkt sich das aus?

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    Rund 8500 Flüchtlinge leben derzeit in Augsburg, davon über 4200 Menschen aus der Ukraine. Teils leben sie in Unterkünften der Regierung von Schwaben, der Stadt oder sind privat untergekommen. Sie haben ihren Platz im

    Wohnen

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    Die Stadt Augsburg bringt nach eigenen Angaben in ihren Unterkünften 1620 Geflüchtete (Stand: Ende Januar) unter. Dennoch sei der Bedarf an Wohnfläche nicht so hoch, wie die Personenzahl vermuten lässt, erklärt Martin Schenkelberg (CSU), Sozialreferent der Stadt Augsburg. Bis zum Ukraine-Krieg galt in den Unterkünften in Bayern, dass der Wohn- und Schlafbereich pro Person sieben Quadratmeter nicht unterschreiten sollte. "Seither findet auf Weisung des Freistaates eine Verdichtung auf vier Quadratmeter pro Person statt", so Schenkelberg. Demnach sei die Unterbringung nicht mit regulärem Wohnen zu vergleichen und reduziere daher die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt deutlich. Es könne jedoch dazu kommen, dass die Stadt klassischen Wohnraum zur Unterbringung von Geflüchteten nutzt, wenn kurzfristig Kapazitäten benötigt werden. Allerdings werde dann versucht, auf gewerblich genutzte Räumlichkeiten oder vorübergehende Leerstände zurückzugreifen, um den regulären Wohnungsmarkt möglich wenig zu beeinflussen.

    Ein weiterer Aspekt sind Flüchtlinge, die aus den Unterkünften ausziehen dürfen und sich normale Wohnungen suchen müssen. Sie hätten mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen, erklärt Schenkelberg. Vergleichsweise geringe Einkommen, häufig erhöhter Platzbedarf wegen einer großen Familie, fehlende Sprachkenntnisse und Vorbehalte von Vermieterseite seien die entscheidenden Aspekte. Das bestätigt auch Christine von Gropper. Sie ist Integrationslotsin beim Wohnprojekt der Diakonie Augsburg und hilft Geflüchteten bei der Wohnungssuche. "Die Suche ist sehr schwierig. Eine Wohnung zu finden, ist für Geflüchtete wie ein Lottogewinn." 

    Allein schon einen Besichtigungstermin zu bekommen, sei oft eine Herausforderung. Zudem schreckten viele Vermieterinnen und Vermieter davor zurück, dass die Miete meist vom Amt komme. Dabei sei das kein Nachteil, erklärt von Gropper. Zwar gebe es manchmal Verzögerungen bei den ersten Zahlungen, aber anschließend sei die Miete sichergestellt. Damit die Geflüchteten wegen der erfolglosen Wohnungssuche nicht obdachlos werden, können sie als sogenannte Fehlbeleger in den Unterkünften bleiben, bis sie fündig werden. Dies sei allerdings kein wünschenswerter Dauerzustand, sagt Christine von Gropper: "Geflüchtete haben auch ein Recht auf Wohnen." Eines möchte sie zudem klarstellen: "Geflüchtete nehmen keine Wohnungen weg, sie sind am Ende der 'Suchkette'." Günstiger Wohnraum sei in Augsburg insgesamt zu knapp, um dem Bedarf gerecht zu werden.

    Schenkelberg geht davon aus, dass dieser in nächster Zeit nicht geringer werde. "Die meisten der von uns untergebrachten Geflüchteten haben aufgrund ihrer Herkunftsländer eine gute Bleibeperspektive, zum großen Teil haben sie schon einen dauerhaften Aufenthaltsstatus. Es ist von einem dauerhaften Bedarf an Wohnraum auszugehen", so der Sozialreferent. Sein Appell an Bund und Freistaat: "Es ist unabdingbar, dass in einer Stadt wie Augsburg mehr bezahlbare Wohnungen errichtet werden, um den sozialen Frieden zu erhalten. Hierfür braucht es eine sehr viele höhere staatliche Förderung als bisher." 

    Gesundheitsversorgung 

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    Auswirkungen durch die höhere Anzahl von Asylbewerbern auf die Versorgung bei Arztpraxen kann Markus Beck, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Augsburg (ÄKV), nicht feststellen. "Die Kapazitäten von Arztpraxen sind sicher begrenzt und zum Teil am Limit, aber nicht wegen der Geflüchteten", so Beck. Engpässe bei der Patientenversorgung entstünden viel mehr durch strukturelle Probleme und den akuten Personalmangel. Für Ärztinnen und Ärzte spiele es keine große Rolle, woher die behandelnde Person komme, auch bürokratisch sei das kein nennenswerter Unterschied. "Ein höherer Aufwand entsteht im Wesentlichen nur, wenn eine Sprachbarriere vorhanden ist", erklärt Beck. 

    Jedoch sei es schwierig, dieses Problem anzugehen. Zwar werden teilweise Dolmetscher eingesetzt, diese seien aber wegen der ärztlichen Schweigepflicht keine Dauerlösung. Für einen reibungslosen Ablauf sei entscheidend, dass die Geflüchteten ausreichend über das deutsche Gesundheitssystem informiert würden. Allein die Unterscheidung zwischen Fach- und Hausärzten sei teilweise schwierig zu vermitteln, da es diese in vielen Ländern nicht gebe. "Wir müssen die Menschen an die Hand nehmen", sagt Beck. Er fordert mehr Betreuung und Aufklärung im Vorfeld. 

    Auch bei den Zahnärztinnen und -ärzten habe die höhere Anzahl der Flüchtlinge kaum einen Einfluss, sagt Leo Hofmeier von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB). "Die Flüchtlingszahlen wirken sich nicht negativ auf die Patientenversorgung aus. Bayern ist zahnmedizinisch (noch) gut versorgt." So gebe es etwa die kürzesten Wartezeiten auf Termine bei Zahnärzten. Probleme entstünden bei den Praxen nicht durch Geflüchtete, sondern durch fehlende finanzielle Mittel der Politik, um die Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten aufrechtzuerhalten. 

    Auch Gerüchte über eine bessere Versorgung von Geflüchteten gegenüber anderen weist Hofmeier zurück. Asylbewerber haben während der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland nur Anspruch auf eine Behandlung bei "akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen". Danach haben sie "exakt den gleichen Leistungsanspruch wie gesetzlich versicherte deutsche Patienten", so Leo Hofmeier. Eine Ausnahme seien Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Diese erhalten seit dem 1. Juni 2022 die gleichen Leistungen, egal, wie lange sie bereits in Deutschland sind.

    Öffentliche Räume und Nachtleben 

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    Wer am späten Abend durch die Innenstadt läuft, kann zuweilen das Gefühl haben, dass vermehrt Gruppen junger Geflüchteter unterwegs sind. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen fehlen ihnen private Rückzugsräume, an denen sie sich treffen könnten, zum anderen mangelt es an Berührungspunkten mit anderen Menschen in ihrem Alter. Eine erhöhte Konfliktgefahr entstehe dadurch allerdings nicht, erklärt Alessa Plass vom Stadtjugendring (SJR) Augsburg. Die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SJR suchen Jugendliche im öffentlichen Raum auf und stellen den Kontakt her, um ihnen bei möglichen Problemen helfen zu können. Die gestiegene Anzahl Geflüchteter habe dabei keinen negativen Einfluss auf die Arbeitsbelastung.

    Ein beliebter Platz für Jugendgruppen im Sommer: die Maxstraße.
    Ein beliebter Platz für Jugendgruppen im Sommer: die Maxstraße. Foto: Annette Zoepf (Archivbild)

    Ein Einfluss auf das Nachtleben sei ebenso wenig festzustellen, sagt Maria Trump, die Popkulturbeauftragte der Stadt Augsburg. "In meiner einjährigen Tätigkeit im Büro für Popkultur habe ich in keinem Gespräch im Rahmen der Treffen der Club- und Kulturkommission gehört, dass es damit Probleme gibt."

    Kitas

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    In Augsburg sind Kitaplätze Mangelware – etliche Kinder haben keinen Betreuungsplatz. Mit dem Zuzug von Mädchen und Jungen im Kindergartenalter wird die Suche nach einem freien Platz verschärft. Die Stadt hat reagiert und zusätzliche Angebote geschaffen. "Die Stadt Augsburg hat aufgrund des Zuzugs von ukrainischen Kindern und ihren Familien mit Beginn des Ukraine-Krieges rasch Willkommenskitas konzipiert und zügig vier entsprechende Einrichtungen ins Leben gerufen", sagt Martina Wild (Grüne), Referentin für Bildung und Migration. Zwei weitere Willkommenskitas gibt es seit Februar. Dieses Betreuungsangebot stünde allen Kindern zur Verfügung, betont Wild. "Wir sind eine bunte Stadt. Wir haben in den Willkommenseinrichtungen alle Nationalitäten mit und ohne Fluchthintergrund. Wichtig ist: Alle Einrichtungen sind für alle Kinder offen." Im Herbst wurden für Vorschulkinder im Alter von fünf bis sechs Jahren Willkommensschulen eingerichtet, nachdem noch im Sommer knapp 200 Kinder dieser Zielgruppe unversorgt waren. Wild: "Für die nicht betreuten Fünfjährigen starten wir am 1. März drei weitere Willkommensschulen, um diesen Bedarf mit einem besonderen Konzept zu decken."

    Anna Kyrychenko singt mit ukrainischen Kindern in der Willkommenskita im Herrenbach.
    Anna Kyrychenko singt mit ukrainischen Kindern in der Willkommenskita im Herrenbach. Foto: Viktoria Gerg (Archivbild)

    In Deutschland hätten Kinder mit und ohne Fluchthintergrund ab einem Jahr einen Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung in einer Kindertageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Dieser Anspruch gelte auch aufgrund des im Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Diskriminierungsverbots. Der Besuch einer Kita biete gerade auch für geflüchtete Kinder ein geschütztes Lernumfeld und unterstütze sie bei der sprachlichen und gesellschaftlichen Integration, so Wild. 

    Schulen

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    Alle Kinder zwischen sechs und einschließlich 15 Jahren müssten in die Schule gehen, weil sie unabhängig von Status oder Herkunft schulpflichtig sind, erläutert die Bildungsbürgermeisterin. Damit die schulische Integration von geflüchteten Kindern möglichst rasch klappt, gibt es verschiedene Angebote, um die Deutschkenntnisse der Kinder und Jugendlichen schnell voranzubringen. Es gibt etwa den Vorkurs Deutsch in der Grundschule, Deutschklassen an Mittelschulen, Sprint-Klassen an Realschulen, InGym-Klassen am Gymnasium, Integrationsvorklassen an Wirtschaftsschulen und FOS/BOS oder Berufsintegration an den Berufsschulen. Daneben gibt es Brückenklassen, die aufgrund des Zuzugs von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine konzipiert wurden. Stand Oktober waren beim Staatlichen Schulamt insgesamt 980 aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche in Augsburg gemeldet. 192 von ihnen waren zu dem Zeitpunkt in Brückenklassen, 516 in Regelklassen und 272 in Sprachförderklassen untergebracht. 

    Schulamtsleiter Markus Wörle spricht von keinem "Mehraufwand". Schülerinnen und Schüler, die aus dem Ausland nach Augsburg kommen, würden in teils bestehende Deutsch- und Mig-Klassen (für Kinder mit Migrationsgeschichte) integriert. An den Mittelschulen wurden in diesem Jahr drei zusätzliche Deutschklassen gebildet. Dafür konnten zusätzliche 1,5 Planstellen besetzt werden. Die Anzahl der Brückenklassen sei dagegen in diesem Schuljahr um drei gesunken. "Die Zahlen sind eher rückläufig. Sechs ukrainische Lehrkräfte, die bereits vor diesem Schuljahr tätig waren, wurden weiterbeschäftigt."

    An seine Grenzen stoße das System aufgrund der Zuzugszahlen aber nicht, beurteilt Bürgermeisterin Wild die Situation. Die räumliche als auch die personelle Situation in Mittagsbetreuung und Ganztag sei angespannt, aber noch im Rahmen. "Augsburg als wachsende Stadt steht vor der Herausforderung, mehr Kinder betreuen, beschulen und bilden zu müssen. Gleichzeitig begegnet uns ein massiver Fachkräftemangel und das Recht auf Ganztag ab 2026", sagt sie. Es gebe zwar genügend Platz, aber nicht genügend pädagogische Fachkräfte, um die Kinder betreuen zu können. Dazu komme die nicht ausreichende Finanzierung der Ganztagsbetreuung durch Bund und Land, kritisiert Wild. Dabei sei gerade die Ganztagsbetreuung für Kinder wichtig, in deren Elternhaus die Muttersprache nicht Deutsch sei. 

    Vereinsleben

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    Sport fördert die Integration. Für Hans-Peter Pleitner, Vorsitzender des Augsburger Sportbeirats und Präsident des TSV 1847 Schwaben Augsburg, ist diese Erkenntnis nicht neu. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Menschen mit Migrationshintergrund in Augsburger Vereinen integriert – das war in den Zeiten als viele Gastarbeiter unterschiedlicher Nationen nach Deutschland kamen und blieben so, das sei heute nicht anders. "Das klappt ganz zwanglos, indem man gemeinsam Sport ausübt. Da braucht es keine großen Sprachkenntnisse", weiß er. In der Basketball-Jugendabteilung seines Vereins würden Kinder und Jugendliche mit Wurzeln in 38 verschiedenen Ländern miteinander spielen. An die Grenzen gerate sein Verein nicht, weil es derzeit hohe Flüchtlingszahlen gebe. "Unsere Grenze ist der Platz, die fehlenden

    In welchem Ausmaß geflüchtete Menschen in Augsburger Vereinen integriert werden, kann das Sportreferat nicht beantworten. Es weiß aber um die integrative Kraft des Sports und unterstützt das Engagement mit einzelnen Projektförderungen. Das Sportreferat nennt als Beispiel das im Freiwilligenzentrum angesiedelte Projekt "Sport und Integration" und die "Sportlotsen", die dort ausgebildet werden. Sportlotsen sollen für "Geflüchtete und Neuzugezogene" den Weg zum gewünschten Sportangebot ebnen, sie zu den Vereinen hinführen, über finanzielle Fördermöglichkeiten aufklären.

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