Die letzte Kaltzeit hat einst mit ihren mächtigen Schmelzwasserströmen der Alpengletscher ein topfebenes Lechtal hinterlassen. Hier entstand der heutige Augsburger Stadtwald. Dieses deutsche „Waldgebiet des Jahres“ ist nur auf den ersten Blick flach. Mittlerweile haben die Menschen und die Natur die Oberfläche zerklüftet. Manche Strukturen sind trotz des Bewuchses gut zu erkennen und einzuordnen. Da wären trockengefallene Bäche in Form von geraden oder mäandrierenden Gräben sowie ehemalige Lechufer. Einerseits haben die Augsburger die Wasserläufe des heutigen Stadtwaldes wegen ihrer Bedeutung für die reichsstädtische Wasserversorgung regelmäßig verändert. Andererseits hat sich der Lech ein bis zwei Kilometer nach Osten verlagert und etliche Quellen sind als Folge der Lechregulierung der 1920er-Jahre versiegt.
Neben Gräben, ehemaligen Lechufern und alten Kiesgruben findet man im Stadtwald rund 450 kreisrunde Trichter. Sie entstanden durch Fehlabwürfe der alliierten Bomber bei Angriffen auf die nahe gelegenen Messerschmitt-Flugzeugwerke. Sogar frühmittelalterliche Wasserbauten kann man im Stadtwald entdecken. So blieb ein Hochwasserdamm von Haunstetten über fast drei Kilometer bis zum Hochablass gut erhalten. Das bis zu vier Meter hohe Bodendenkmal sollte die Augsburger Vorstädte vor Lechhochwasser schützen. Ins Auge fällt auch eine Schanze nordwestlich des Hochablasses. Sie stammt von Kriegshandlungen des 17. oder 18. Jahrhunderts, an denen französische Heere beteiligt waren.
Nur die Römerstraße ist noch nicht entdeckt
Andere Oberflächenstrukturen des Stadtwaldes sind auf Grund des Bewuchses schwierig vor Ort zu erkennen. „Hier helfen die Daten eines von einem Flugzeug aus erstellten Laserscannings“, erklärt Gisela Mahnkopf. Die ehemalige Kreisheimatpflegerin für Archäologie im Landkreis Augsburg unterstützte ein Projekt des Kulturkreises Haunstetten. Dieser Verein hat sich intensiv mit der Kulturgeschichte des Stadtwaldes beschäftigt und kürzlich das Ergebnis in einem Kartenwerk veröffentlicht (wir berichteten). Hierbei wurden neben bekannten Bodendenkmälern etliche neue Kulturspuren dokumentiert. Das Laserscanning zeigte zum Beispiel einen kurfürstlichen Jagdgrenzgraben aus dem 17. Jahrhundert. Dank dieser Technik konnte man auch alte Pflanzgärten aufspüren, wo früher eigenes Forstsaatgut geerntet wurde. Mehrere Splittergräben in Zick-Zack-Form sind ebenso entdeckt worden. Sie sollten im Zweiten Weltkrieg die Zwangsarbeiter der nahe gelegenen Messerschmitt-Flugzeugwerke bei alliierten Bombenangriffen schützen. Jedoch auch mit Lasertechnik nicht mehr erkennbar ist die als „Via Julia“ bezeichnete Römerstraße durch den nordöstlichen Stadtwald. Dieses versteckte Bodendenkmal gilt als älteste Kulturspur im Wald.
Vögel im Stadtwald gefangen
Eine früher intensive Waldnutzung hat die Lasertechnik sichtbar gemacht. Im heutigen Stadtwald konnten 19 Vogelfangplätze, sogenannte Vogelherde, nachgewiesen werden. Der Handel mit lebenden Vögeln blühte in der Freien Reichsstadt Augsburg. So wurde bis ins Jahr 1829 ein regelmäßiger Vogelmarkt abgehalten. Der Fang von Wildvögeln zur Nahrungsergänzung wird bereits seit der Steinzeit betrieben; der Fang von Singvögeln zur Unterhaltung ist seit dem Mittelalter überliefert. Schon früh entstanden auch um Augsburg die Vogelherde. An diesen rechteckigen Erhebungen wurden die Vögel mit Futter oder singenden Artgenossen angelockt. Die oft berufsmäßigen Vogelfänger lauerten in mit Tannenzweigen getarnten Hütten. Von dort lösten sie ihre Schlagnetze aus, um die Vögel lebendig zu fangen. Es sind auch Vogelherde mit Leimruten überliefert. Die Augsburger Patrizierfamilien betrieben als Freizeitvergnügen eigene Fangplätze im Stadtwald. Noch heute kennt man auf den Vogelherd bezogene Redensarten wie „ins Netz oder auf den Leim gehen“.
Der Kulturkreis Haunstetten hat mit städtischer Unterstützung eine Stadtwald-Karte herausgegeben. Dieses Druckwerk dokumentiert 123 Kulturspuren aus zwei Jahrtausenden. So kann man bei einem Spaziergang oder einer Radtour die historischen Schätze des Stadtwaldes und des mittendrin liegenden Stadtteils Siebenbrunn entdecken. Die Karte ist bei der Bürger- und Tourist-Information am Rathausplatz kostenlos erhältlich.
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