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Augsburg: Im Pflegeheim "Haus Marie" geht die Angst um

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Im Pflegeheim "Haus Marie" geht die Angst um

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    Mirja Aschenbrenner vor dem Haus Marie in der Oblatterwallstraße. Ihr Vater lebt seit elf Jahren in der Einrichtung und wurde dort sehr gut gepflegt.
    Mirja Aschenbrenner vor dem Haus Marie in der Oblatterwallstraße. Ihr Vater lebt seit elf Jahren in der Einrichtung und wurde dort sehr gut gepflegt. Foto: Bernd Hohlen

    Idyllisch liegt das Haus Marie in der Oblatterwallstraße am Stadtgraben, gleich gegenüber dem Fünffingerlesturm. Im dem Pflegeheim aber ist von Idylle keine Spur: Seit Wochen geht dort die Angst vor einer ungewissen Zukunft um. "Angefangen hat es im Herbst. Damals habe ich erstmals über den Flurfunk gehört, dass das Haus schließen wird und dass sich die Angehörigen besser nach etwas anderem umsehen sollen", erzählt Mirja Aschenbrenner. Seit elf Jahren ist ihr Vater in dem Pflegeheim, in dem Menschen leben, die einen geschützten Bereich benötigen. Aschenbrenner ging davon aus, dass sie über eine Schließung informiert würde, und wartete ab. Nach wie vor steht sie aber ohne Informationen da.

    Verantwortliche sind nicht greifbar

    Es "brenne" jetzt, formuliert es Mirja Aschenbrenner. Ein Ansprechpartner sei für die Angehörigen schon länger nicht mehr greifbar. "Auf den Rechnungen ist keine verantwortliche Person mehr benannt. Im Internet wollte ich auf der Homepage im Impressum nach einer Kontaktperson schauen. Doch die Seite der Einrichtung ist gar nicht mehr am Netz", klagt sie. Bisher habe sie stets pünktlich bis spätestens zum dritten Werktag eines Monats die Rechnung für den laufenden Monat erhalten. Doch in diesem Januar: Fehlanzeige. Bislang ging noch keine Rechnung für diesen Monat bei ihr ein.

    Schlimmer noch: Die Personaldecke im Heim ist inzwischen offensichtlich auf ein besorgniserregendes Maß geschrumpft. Das hat auch bereits die Heimaufsicht auf den Plan gerufen, die dem Haus Marie nun mehrmals einen Besuch abstattete. Der städtische Sozialplaner Klaus Kneißl machte sich ebenfalls vor Ort ein Bild von der Situation. "Es gibt keine Heimleitung. Die Pflegedienstleitung befindet sich seit vergangenem Jahr im Krankenstand", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Folglich arbeiten nur noch sieben examinierte Pflegekräfte dort – zwei Vollzeit-, zwei Teilzeitkräfte, drei Mitarbeiter auf 400-Euro-Basis, die sich um die derzeit 25 Bewohner kümmern. "Sobald ein Mitarbeiter krank wäre, würde der Personalschlüssel nicht mehr stimmen", sagt Kneißl.

    Eine Schließung durch die Heimaufsicht sei zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht möglich. Kneißl: "Dafür müsste ein grober pflegerischer Mangel vorliegen. Das tut es aber nicht, weil die verbliebenen Pflegekräfte alles in ihrer Macht stehende machen, um den Betrieb am Laufen zu halten." Persönlich würde er das Haus Marie "sofort schließen", da die derzeitige Situation für Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter nicht haltbar sei. "Das ist menschlich eine Schande", betont er. Er verstehe das Verhalten der Gesellschafter überhaupt nicht.

    Pflege-Rebell Armin Rieger war viele Jahre Geschäftsführer

    Das Haus Marie wurde 20 Jahre lang von dem als "Pflege-Rebell" bekannt gewordenen Augsburger Armin Rieger geleitet. Anfang 2018 schied er als Geschäftsführer aus. Es gab ein Zerwürfnis. "Es waren unüberbrückbare Differenzen, die es mir nicht mehr ermöglicht haben, weiter mit meinem Mitgesellschafter zusammenzuarbeiten", sagte er damals unserer Redaktion.

    Zum 31. Dezember 2019 haben sein Mitgesellschafter Werner Harlander und er sich gegenseitig gekündigt, sagt Rieger jetzt. Mehr wolle er zum jetzigen Zeitpunkt nicht erklären. Nur so viel: Kommende Woche treffe er sich mit einem Anwalt, der die "Not-Geschäftsführung" übernehmen solle.

    Laut Handelsregister hat die Betreiber-GmbH seit April vorigen Jahres keinen Geschäftsführer mehr. Armin Rieger hält dem Register zufolge aktuell 49 Prozent der Anteile. Gesellschafter Werner Harlander, der mit 51 Prozent die Mehrheit der Anteile besitzt, war für die Redaktion telefonisch nicht erreichbar. Für die Angehörigen ist der aktuelle Zustand kaum auszuhalten. "Ich hänge total in der Luft. Ich habe einen Vertrag. Mir wurde nicht gekündigt. Ich wüsste nicht einmal, wem ich derzeit kündigen sollte", sagt Mirja Aschenbrenner, die froh ist, dass die Heimaufsicht nun engmaschig kontrolliert.

    Heimaufsicht überprüft die Einrichtung regelmäßig

    Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) ist über das Problem informiert. Die Heimaufsicht sei mehrmals zur Überprüfung der aktuellen Versorgungslage vor Ort gewesen und werde es auch in Zukunft sein. "Außerdem werden Angehörige und Betreuer über die Situation und die Betreuungs- und Wohnleistungen informiert, sodass bei allen Beteiligten Klarheit über deren Rechte und Pflichten herrscht." Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) appelliert an die Betreiber, auf die Stadt zuzugehen. "Sie haben eine Verpflichtung gegenüber den Bewohnern, Mitarbeitern, aber auch den Kassen." Im Fall einer unvorhergesehenen Schließung prüfe die Stadt derzeit die Aufnahmemöglichkeiten in städtischen Pflegeeinrichtungen.

    Mirja Aschenbrenner weiß, dass ein Umzug nicht einfach für die Bewohner ist. "Schließlich muss das auch passen. Es benötigen alle eine geschützte Abteilung. Außerdem muss ein neues Heim auch bezahlbar sein", sagt die 47-Jährige. Bei einem Wechsel wären schnell ein paar hundert Euro mehr im Monat fällig. "Wer kann sich das leisten?", fragt sie. Sie hätte sich eine offene und frühzeitige Kommunikation zwischen Betreibern und Angehörigen gewünscht. "Wären wir im Sommer über eine Schließung im Frühjahr informiert worden, hätten wir gewusst, was auf uns zukommt."

    Angehörige haben einen bestimmten Verdacht

    Michael Rothmayer ist ebenfalls alles andere als glücklich. Seit vier Jahren lebt der Bruder des 80-Jährigen im Haus Marie. "Ich fühle mich einfach zu alt, um jetzt noch einmal einen neuen Heimplatz für ihn zu suchen. Im Haus Marie hat alles sehr gut gepasst", sagt er. Er vermutet, dass das Haus geschlossen werden soll, damit Wohnungen auf dem attraktiven Grundstück gebaut werden können.

    Mirja Aschenbrenner ist vor allem von Armin Rieger enttäuscht. "Als Pflege-Rebell war er in jeder Talk-Show im Fernsehen und hat Werbung für sein Buch gemacht. Er redet immer gerne. Nun soll er sich einmal um seine eigene Einrichtung kümmern."

    Lesen Sie auch: Haus Marie: Betreiber stehen moralisch in der Pflicht

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