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Augsburg: Im diesem Repair-Café in Augsburg retten Tüftler viele Dinge vor dem Müll

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Im diesem Repair-Café in Augsburg retten Tüftler viele Dinge vor dem Müll

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    Im Repair-Café in Pfersee werden alte Erinnerungsstücke wieder heil gemacht. David Scharlach repariert eine Pfaff 96 aus den 60er Jahren.
    Im Repair-Café in Pfersee werden alte Erinnerungsstücke wieder heil gemacht. David Scharlach repariert eine Pfaff 96 aus den 60er Jahren. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Die Pfaff 96 Nähmaschine von Christine Kießling hat eine lange Geschichte. Mit 19 Jahren angeschafft aus dem Verkaufserlös ihres ersten Autos, einem Fiat 500, hat ihr die

    Es sind vor allem Dinge mit ideellem Wert, die Menschen ins Repair-Café im Gebäude der Freien Christengemeinde "Arche" bringen, weiß Initiator Bernd Sailer. "Die Leute kommen mit Andenken oder Erinnerungsstücken, die sich nicht so einfach ersetzen lassen und die oft mit wenigen Handgriffen wieder instand gesetzt werden können", weiß der gelernte Nachrichtentechniker, der hier aber vor allem mit seiner 40-jährigen Erfahrung als Hobby-Uhrmacher glänzt. "Ich repariere alle Uhren - von der Standuhr bis zur Damen-Armbanduhr", sagt er. "Bei

    Was die Menschen im Repair-Café im Sheridanpark antreibt

    "Leider leben wir ja in einer profitorientierten Gesellschaft, in der Reparieren nicht zielführend ist", bedauert er. Es werde immer schwerer, selbst wertvolle Stücke reparieren zu lassen. "Ich hatte vor Kurzem eine Frau mit einer Schweizer Tissot-Uhr hier, die hatte der Juwelier weggeschickt, weil das Uhrwerk kaputt war", erinnert er sich. "Das ist wie ein Autohändler, der das Auto wegwerfen will, weil der Motor nicht mehr geht", wundert er sich. "Ich habe ein paar Teile ausgetauscht, kein großes Problem, und die Uhr ging wieder", sagt er und ist offensichtlich recht stolz auf das, was die Freiwilligen hier im Repair-Café leisten. Alle haben einen hohen Qualitätsanspruch, betont Sailer.

    Die Technik im Repair-Café kann mit der vieler Werkstätten mithalten.
    Die Technik im Repair-Café kann mit der vieler Werkstätten mithalten. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Die Reparateure im Café sind so vielfältig wie die Dinge, die sie wieder heil machen. Doch fast alle sind außergewöhnlich kompetent um nicht zu sagen überqualifiziert. Es gibt Ingenieure, Wissenschaftler, Werkstattleiter und einen Ausbilder der Industrie- und Handelskammer (IHK). Fachleute, die einmal im Monat Lust darauf haben, solange an einem defekten Gegenstand herumzubasteln, bis er wieder läuft. Und die sich damit auch sozial engagieren und ihren Anteil an einem nachhaltigen Leben leisten wollen. "Das Repair- Café hat auch viel mit Gastfreundschaft und Nächstenliebe zu tun", betont Sailer. Neben Reparaturen gibt es Kaffee, Kuchen und soziale Kontakte. Und alles ist kostenlos - selbst die aufwendigsten Reparaturen kosten nichts, wer will wirft einen Obolus in die Spendenbox, mit dem neue Ersatzteile und Spezialwerkzeuge beschafft werden.

    Die Pfaff 96 ist mittlerweile in den Händen von Günther Schreiber und David Scharlach gelandet. Beide sind Technikfreaks - Schreiber ist Kybernetiker und arbeitet als Entwicklungsingenieur beim Roboterhersteller Kuka. Die Ursache für die Arbeitsverweigerung ist schnell gefunden - jahrelanger Stillstand hat Öl im Inneren der Nähmaschine verharzen lassen. Mit einem speziellen Lösungsmittel entfernen die beiden das zähe Material und schmieren dann die ganze Maschine neu. Kurz darauf schnurrt das gute Stück wieder und wird von der glücklichen Besitzerin in Empfang genommen.

    Es gibt so gut wie nichts, was nicht wieder instandgesetzt werden kann

    Es gibt so gut wie nichts, was man im Repair-Café nicht wieder instandgesetzt bekommt. An diesem Tag steht auch ein E-Bike mit defekter Beleuchtung im Raum, eine Flugdrohne wird wieder fit gemacht - und ein paar Stiefel bekommen einen reparierten Absatz. "Ich liebe diese Stiefel und es soll ja die nächsten Tage kalt werden", erklärt Besitzerin Daniela Flinspach-Groll. Unter der Anleitung von Bernd Sailer trägt sie selbst Klebstoff auf und fixiert den Absatz zunächst mit einer Schraubzwinge. Es ist erwünscht, dass die Besitzer bei der Reparatur mit hinfassen und so lernen, sich selbst zu helfen.

    Selbst mit der Elektronik eines E-Bikes findet man hier fachkundige Hilfe.
    Selbst mit der Elektronik eines E-Bikes findet man hier fachkundige Hilfe. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Martin Fechtelhoff hat beruflich mehr mit Software als mit handfesten Reparaturen zu tun - doch Probleme lösen und Basteln sind seine Leidenschaft. "Der nimmt auch die aberwitzigsten Dinge an und kriegt sie wieder hin", bescheinigt ihm Organisator Sailer. Für Fechtelhoff hat das Repair-Café vor allem etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. "Das ist doch total sinnvoll - auch einen 20 Jahre alten Staubsauger kann man reparieren", findet er. Sein wichtigstes Hilfsmittel ist die Internetplattform "Youtube". "Es ist völlig egal, was es ist - man findet dort zu allem eine Anleitung", sagt er. Doch auch Fechtelhoff schätzt neben den Reparatur-Herausforderungen die soziale Komponente des Cafés. "Man trifft nette Kumpels und kann sich neben den Reparaturen austauschen", findet er. Und auch für die "Kunden" ist der Kontakt wichtig. Manche sind ganz unglücklich, wenn sie zuhause nichts mehr zum Reparieren finden. Und kommen dann einfach so, auf ein Stück Kuchen und einen Ratsch.

    Das Repair-Café findet jeden dritten Samstag in den Räumen der Arche in der Siegfried-Aufhäuser-Straße 19a statt. Repariert wird von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr. Im Stadtgebiet findet man weitere Reparatur-Cafés übers Internet.

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