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Augsburg: Igor Hübner rettete eine Frau vor dem Macheten-Angreifer im Univiertel

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Igor Hübner rettete eine Frau vor dem Macheten-Angreifer im Univiertel

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    Anwohner Igor Hübner rang den Macheten-Mann im Univiertel nieder.
    Anwohner Igor Hübner rang den Macheten-Mann im Univiertel nieder. Foto: Silvio Wyszengrad

    Seinen Kindern erzählte Igor Hübner, er sei hingefallen und mit dem Kopf auf einer Bordsteinkante aufgeschlagen. "Sie sind noch zu klein für die Wahrheit." Der 29-Jährige trägt eine Narbe über dem linken Auge. Der Täter hatte ihn dort mit der Machete getroffen. Mit sieben Stichen wurde die Wunde damals genäht. Seit dem Vorfall sei seine linke Kopfhälfte taub, die Machete habe wohl einen Nerv durchtrennt. Hübner erzählt das alles mit einer gewissen Nüchternheit. Als ob das, was er getan hat, normal wäre. "Ich sehe mich nicht als Held. Das würde jeder Mann machen, der denkt, dass er ein Mann ist." Igor Hübner hat in einer Nacht Ende März im Augsburger Univiertel einer Frau vermutlich das Leben gerettet - und sich dabei selbst in Lebensgefahr gebracht.

    Der Fall, der derzeit vor dem Landgericht Augsburg verhandelt wird, hatte für Aufsehen gesorgt. Morgens um kurz vor vier Uhr attackiert ein 27-Jähriger mit einer Axt und einer Machete einen Linienbus. Dann stoppt der gebürtige Tunesier am Alten Postweg eine Autofahrerin, schlägt mit den Waffen die Scheibe ihrer Fahrerseite ein und schreit, dass er sie töten werde. Das Szenario spielt sich genau unter dem Schlafzimmerfenster Igor Hübners und seiner Lebensgefährtin ab.

    Hilfeschreie in der Nacht im Augsburger Univiertel

    Beide liegen um die Uhrzeit noch wach. "Wir hatten am Abend einen kleinen Streit, nichts Schlimmes. Aber wir konnten nicht schlafen", erzählt der gebürtige Kasache, der seit 20 Jahren in Augsburg lebt. Drei Horrorfilme hätten sie sich schon angesehen. Der nächste sollte gerade beginnen, als eine Frau draußen auf der Straße um Hilfe schrie. "Im vierten Horrorfilm habe ich dann selbst mitgespielt. Krass", meint Hübner etwas nachdenklich. Er lacht kurz, als könne er manchmal selbst nicht glauben, was passiert ist.

    Hübner schaut aus dem Fenster, registriert die gefährliche Situation der Frau. Er überlegt nicht, wie er auch später nicht nachdenkt, sondern handelt. Der Vater zweier sechs und sieben Jahre alter Buben wirft sich was über, rennt von der Mietwohnung die drei Stockwerke hinunter auf die Straße. "Der Mann stand vor der eingeschlagenen Seitenscheibe des Minis. Ich umklammerte ihn und versuchte, ihn von dem Auto und der Frau wegzuzerren." Es ist schon länger her, dass er Kraftsport betrieben habe, sagt der Schlosser und Schweißer. "Aber ich bin noch ganz gut in Form."

    Igor Hübner zeigt auf die Stelle, wo er den Macheten-Mann niedergerungen hat.
    Igor Hübner zeigt auf die Stelle, wo er den Macheten-Mann niedergerungen hat. Foto: Silvio Wyszengrad

    Igor Hübner: "Ich spürte Blut in mein Gesicht laufen"

    Dass der Angreifer in der einen Hand eine Machete hält, sieht er nicht. Im Gerangel erhält Hübner plötzlich einen kräftigen Schlag gegen den Kopf. "Ich spürte Blut in mein Gesicht laufen." Trotzdem lässt er den Mann nicht los. Als er versucht, dem Unbekannten die Waffe zu entreißen, wird er von ihm in den Oberarm gebissen. Später werden Ärzte Hübner an der Stelle ein Stück Fleisch entfernen, um eine Infektion zu vermeiden. Als es ihm gelingt, den Täter zu entwaffnen, ergibt sich dieser. Die Polizei ist schnell vor Ort. Erst da registriert Hübner, dass es sich bei der Waffe um eine Machete handelt. "In diesem Moment bekam ich das erste Mal doch etwas Angst. Zuvor hatte ich nicht nachgedacht, es ging alles so schnell." Ein Krankenwagen bringt ihn in die Uniklinik.

    Igor Hübner, der mit seiner Freundin das dritte Kind erwartet, sagt, er und seine Familie leben gerne in ihrer 95 Quadratmeter großen Wohnung im Univiertel. Hier gibt es Geschäfte vor der Tür, seine Lebensgefährtin hat nicht weit zu ihrer Arbeit in der Uni-Mensa, er sei schnell auf der B17 zu seiner Arbeitsstelle in Landsberg. Dass das Viertel ein Brennpunkt sei, nähmen sie hin. "Man hört immer wieder von Drogen, Schlägereien, Betrunkenen." Was in jener Nacht im März passierte, habe aber alles übertroffen. Hübner meint, er wolle sich nicht ausmalen, was mit der Frau ohne sein Eingreifen passiert wäre. Für ihn sei sein Verhalten selbstverständlich. "Wenn zwei Männer sich streiten, dann ist das so." Auch er habe sich schon eine blutige Nase geholt. "Aber niemand darf die Hand gegen Frauen und Kinder erheben. Da wird eine Grenze überschritten. So wurde ich erzogen."

    Mann, der Macheten-Angriff stoppt, bekommt Brief vom Polizeipräsidenten

    Seine Anwältin Alexandra Gutmeyr, findet, ihr Mandant habe einen Orden verdient. "Ich glaube, es gibt wenige Menschen, die so handeln würden. Selbst als Herr Hübner erheblich verletzt wurde, ließ er den Mann nicht los." Die 45-jährige Juristin, die gerne die Sendung "Aktenzeichen XY" anschaut, überlegt, ob sie ihren Mandanten für den XY-Preis vorschlagen soll. Einen Brief zumindest hat Igor Hübner bereits erhalten - vom Polizeipräsidenten, wie er erzählt.

    "Er schrieb mir, dass er Respekt vor dem hat, was ich getan habe, und gratulierte mir." Seine Lebensgefährtin und seine Eltern seien stolz auf ihn. Gefreut hat er sich, als sich die Frau aus dem Auto bei ihm meldete. Zwei Mal hätten die beiden Familien seitdem miteinander Kaffee getrunken. "Sie tut mir leid. Nach dem Überfall ging sie die ersten Monate nicht außer Haus, sie leidet unter Schlafstörungen." Ihn selbst belaste der Vorfall nicht, betont Hübner. Ganz frei machen kann er sich davon jedoch nicht. "Samstagnacht erst hat draußen ein Gestörter herumgeschrien, da denkt man natürlich wieder daran." Auch wenn seine Kinder draußen spielten oder seine Partnerin unterwegs sei, mache er sich Gedanken. "Läuft meine Frau abends von einer Freundin nach Hause, telefonieren wir so lange miteinander, bis sie zuhause angekommen ist."

    Als er das erste Mal vor Gericht auf den Macheten-Mann trifft

    Unlängst musste Igor Hübner als Zeuge vor Gericht aussagen. Es war das erste Mal, dass er wieder auf den Täter traf. Er habe ihn gar nicht mehr erkannt. "Er ist runder im Gesicht geworden." Der angeklagte 27-jährige Student, der wegen zweifachen versuchten Totschlags vor Gericht steht, ist in einer Psychiatrie untergebracht. In dem Prozess geht es vor allem um seine Schuldfähigkeit. Ein Gutachten bescheinigt ihm, dass er aufgrund einer drogeninduzierten Psychose in der Tatnacht steuerungsunfähig gewesen sei. Igor Hübner hofft, dass der Mann für mehrere Jahre weggesperrt wird.

    "Er ist eine tickende Zeitbombe. So jemand hat auf der Straße nichts zu suchen." Die Entschuldigung des Angeklagten nahm Hübner in der Verhandlung nicht an. Stattdessen machte sie ihn wütend. "Man hat gesehen, dass er es nicht ernst meint. Mir kam es so vor, als ob er zu der Entschuldigung gezwungen wurde." Eigentlich habe er sich die Verhandlung bis zum Schluss anschauen wollen, sagt Hübner. "Aber ich wurde bei seinen Worten so sauer, dass ich rausgehen musste."

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