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Augsburg: "Ich werde nicht ruhig sein": Augsburgs OB Eva Weber kämpft für die Demokratie

Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) bei der Demo gegen rechts. Die Kommunalpolitikerin findet seit Wochen klare Worte gegen Rassismus und Antisemitismus.
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"Ich werde nicht ruhig sein": Augsburgs OB Eva Weber kämpft für die Demokratie

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    Der letzte Satz ihrer Rede mag für manche wie eine Drohung klingen, für die meisten ist er ein Versprechen: "Ich werde nicht ruhig sein." Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber – beigefarbener Wollmantel, pinkfarbener Schal, die kinnlangen Haare zum Zopf gebunden – steht vor einem Papp-Meer aus "Augsburg ist bunt"-Schildern. Welcher Partei sie angehört, spielt in diesem Moment keine Rolle. Für die CSU-Politikerin geht es heute um mehr als Parkbänke, Kindertagesstätten und andere kommunale Aufgaben. "Es geht um mein Land, meine Demokratie und meine Freiheit", ruft sie ins Mikrofon. Bei der Demo gegen Rechtsextremismus Anfang Februar in Augsburg steht sie vor 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern exponiert auf einer Bühne am Rathausplatz – und ist doch eine von vielen. "Ich bin hier als Bürgerin dieser Stadt, vor allem aber als Mensch." Damit, betont sie, sei eigentlich alles ausgedrückt. 

    Viele Politikerinnen und Politiker formulieren in diesen Wochen Appelle für Demokratie und gegen die AfD. Weber aber tritt seit dem Bekanntwerden der Correctiv-Recherchen über ein rechtes Netzwerktreffen in Potsdam im Vergleich zu anderen Bürgermeistern mit einer Empörung auf, die man der Tochter eines früheren CSU-Staatssekretärs nicht zugetraut hätte. Sie lehnt sich damit auch weiter aus dem Fenster als andere Stadtoberhäupter: Während beispielsweise der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König der ersten Demo in seiner Stadt wegen eines Termins fernbleibt, "der schon ein Jahr vorher ausgemacht worden ist", geht Weber sofort auf die Straße und sagt über

    Augsburgs OB Eva Weber vollzieht den Schulterschluss der Demokraten

    Den Schulterschluss der Demokraten, der in diesen Wochen beschworen wird, hat Weber schnell und überzeugend vollzogen. "Bei allen sonstigen politischen Unterschieden, die wir haben, dürfen sich die demokratischen Parteien im Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus nicht auseinanderdividieren lassen", ist sie überzeugt. Aber die Frage – nicht nur in Augsburg – wird sein, wie ein solcher Schulterschluss auf Dauer aussehen und wie weit er überhaupt gehen sollte, damit Wähler noch wissen, woran sie sind. Die zivilgesellschaftlichen Forderungen aus den Demonstrationen müssen sich politisch niederschlagen, aber ihren Kurs suchen die Parteien noch. Im Bayerischen Landtag gab es die demonstrative Allianz gegen die AfD im Januar. Im Bundestag machte die Union in einer Aktuellen Stunde hingegen die Ampelpolitik für das Erstarken der AfD verantwortlich. Kurz darauf sagte CDU-Chef Friedrich Merz dann, alle demokratischen Parteien müssten koalitionsfähig sein, auch die Grünen seien nicht ausgeschlossen. Prompt gab es in der Union Diskussionen, ob das wirklich funktionieren würde. In Augsburg könnte man Antworten suchen auf diese Frage.

    Denn dort kennt man die Diskussion, seit Eva Weber nach ihrer Wahl 2020 ein Bündnis mit den Grünen einging. Aktuell nimmt aber auch in Augsburg die Intensität der Debatte um Schwarz-grün wieder zu, zwei Jahre vor der nächsten Kommunalwahl müssen die Bündnispartner langsam ihr eigenes Profil schärfen. Nach außen hin aber hält man eng zusammen, was sich jüngst auch bei einem für die CSU wichtigen Termin zeigte.

    CSU-Neujahrsempfang: Blasmusik, Leberkäse und ein Grummeln von der Basis

    Ein Samstag Mitte Januar, die Correctiv-Enthüllungen sind erst wenige Tage alt, als die Augsburger CSU zum Neujahrsempfang ins Rathaus lädt. Man gibt sich betont konservativ: Die "Musi" kommt von einer Blaskapelle, die Musiker hübsch in Tracht, zu essen gibt es Leberkäse-Semmeln. Als Gastredner haben die Augsburger den Chef der CSU-Landtagsfraktion eingeladen, doch bis Klaus Holetschek an die Reihe kommt, muss er Sitzfleisch beweisen. Erst ist Weber an der Reihe. "2024 wird es um nicht weniger als die Bewahrung der Demokratie gehen", sagt sie. Inhaltlich deckt sich ihre knapp einstündige Rede recht genau mit der, die sie einen Tag darauf auf der Demo von Jusos und Grünen halten wird. Beim Neujahresempfang aber sind die Sympathien anders verteilt. Der engagierteste Applaus kommt aus dem Lager von Koalitionspartner und Opposition, für die der Sitzplan die Plätze rechts neben der Bühne vorgesehen hat. Links sitzt die Parteibasis, doch die quittiert Webers Ausführungen größtenteils mit Grummeln. Den Applaus hebt sie sich für Klaus Holetschek auf, der in einer vergleichsweise kurzen Ansprache zunächst die Bundesregierung, dann die überbordende Bürokratisierung und zuletzt die Migrationspolitik der Ampel kritisiert. So, scheint es, hat für die meisten hier die CSU zu klingen.

    Dieser fehlende Enthusiasmus mag auch damit zu tun haben, dass es in den vergangenen Monaten in der Augsburger Kommunalpolitik viel um "Haltung" ging und davon abgesehen zumindest gefühlt wenig passierte. Die Schockwellen des Angriffs auf Israel kamen auch in Augsburg – der Stadt mit der höchsten Migrantenquote in Schwaben – an. Weber beschäftigte sich wochenlang hauptsächlich mit Krisenmanagement und Moderation, nachdem die israelische Flagge auf dem Rathausplatz zweimal heruntergerissen wurde. Manchem auch in der eigenen Partei war das zu viel – oder besser gesagt: zu wenig kommunalpolitisches Tagesgeschäft. Die Augsburger AfD – im Stadtrat mit vier Politikern vertreten – hielt Weber nach der großen Demo mit 25.000 Teilnehmenden gar Nötigung vor, weil sie im Vorgriff eine Mail an die Beschäftigten der eigenen Verwaltung geschickt hatte, in der sie dazu aufrief, zur Demo zu gehen. 

    Weber, 46 Jahre alt, ist durch und durch politisch, was sie selbst gerne mit einem Augenzwinkern erzählt: Ihre Eltern hätten sich in der Jungen Union kennengelernt, "während meine Mutter im Krankenhaus war und mich auf die Welt brachte, wurde mein Vater für das Landtagsmandat nominiert". Dieser Vater, Alfons Zeller, sollte 30 Jahre lang im Landtag bleiben, elf Jahre lang war er Staatssekretär, erst im Wirtschafts-, dann im Finanzministerium. Ressorts, die Eva Weber später als Kommunalpolitikerin ebenfalls verantwortete. Die Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung konnte sie dank ihres politischen Elternhauses schon als Kind aufsagen, "ich bin in Kindes- und Jugendalter Ministerpräsidenten, Ministern und Staatssekretären begegnet". Es sei deshalb keine Frage für sie gewesen, kurz nach dem Abitur in die Junge Union einzutreten. Danach durchlief Weber eine "typische" CSU-Karriere: stellvertretende Kreisvorsitzende, danach ein Engagement im Bezirksverband – zu einer Zeit, als Markus Söder JU-Landesvorsitzender war –, danach Verwaltungsmitarbeiterin in Augsburg, Referentin, stellvertretende Bürgermeisterin, dann OB. Mehr CSU kann eigentlich nicht sein.

    Augsburgs OB Eva Weber ist vielen in der CSU nicht konservativ genug

    Trotzdem: In ihrer eigenen Partei ist Eva Weber einigen zu liberal, "zu grün" vielleicht sogar, auf jeden Fall nicht konservativ genug. Augsburgs OB begegnet dieser Kritik gerne mit einer Frage: Was gebe es Konservativeres, als für Werte, Menschlichkeit und die Demokratie einzutreten? In Augsburg tut sie dies Hand in Hand mit dem grünen Koalitionspartner. Anfangs wird dieses Bündnis auch von München aus als mögliches Vorbild für die Landespolitik beobachtet. Doch spätestens im Landtagswahlkampf ändert Ministerpräsident Markus Söder seinen Kurs, schließt die Grünen als Partner kategorisch aus. Überhaupt liegen Weber und Söder in vielen Punkten auseinander, inhaltlich wie menschlich. Augsburgs OB bietet ihm immer wieder die Stirn, zuletzt kritisiert sie seine Forderung nach einem Genderverbot in Schulen und Verwaltung. Für ihr aktuell beherztes Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zollt man ihr in Augsburg andererseits selbst aus Reihen der Opposition Respekt: "Dass jemand so klar Kante zeigt, würde ich mir in CDU und CSU auch von Parteifreunden wie Friedrich Merz wünschen", sagt der Chef der Augsburger SPD-Rathausfraktion, Florian Freund. "Wir stehen ihr hier unmissverständlich zur Seite." 

    In den vergangenen Monaten ging es Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber viel um Haltung. In der Kommunalpolitik, kritisieren einige, ging dagegen  wenig.
    In den vergangenen Monaten ging es Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber viel um Haltung. In der Kommunalpolitik, kritisieren einige, ging dagegen wenig. Foto: Daniel Biskup

    Doch was bleibt nun nach den Demonstrationen, außer Instagram-Bildern und massenweise roten Herzchen in den Kommentaren? Weber glaubt, eine Veränderung in der Gesellschaft zu spüren. "Menschen schließen sich gerne da an, wo sie gefühlt die Mehrheit haben." Im Netz sei diese Mehrheit zuletzt oft rechtspopulistisch gewesen, auch Weber hat dies in den vergangenen Wochen gespürt. Einige hätten ihre Postfächer "überschwemmt mit Hass und Hetze gegen meine Person", hätten versucht, sie "mundtot" zu machen. Seit der Großdemo auf dem Augsburger Rathausplatz habe sich dies geändert: "Jetzt gehen mit einmal im analogen Leben so viele für die Demokratie auf die Straße, dass sich mancher plötzlich eher da abgeholt fühlt. Das ist ein emotionaler, unterschwelliger Prozess, der da gerade stattfindet." Für Weber ein Zeichen, das Mut macht, denn sie ist überzeugt: "Rassismus und Antisemitismus können nicht vom Schreibtisch einer Oberbürgermeisterin aus bekämpft werden, das muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen." Deshalb wird sie nicht müde, an die Bürgerinnen und Bürger zu appellieren: Sie sollen zur Wahl gehen, um demokratischen Kräften den Rücken zu stärken – und sie sollen sich engagieren: in Parteien, Initiativen, Vereinen …

    Gut gefüllt wäre eine Untertreibung: Mehrere tausend Menschen demonstrieren am Samstagnachmittag auf dem Augsburger Rathausplatz für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
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    Eine Stadt zeigt, wie bunt sie ist: Zur Demo gegen rechts quillt die Augsburger Innenstadt am Samstagnachmittag fast über. Die Bilder.

    Und da ist Weber wieder bei dem, was sie derzeit am meisten umtreibt: Demokratie, sagt sie, "ist nicht perfekt und Demokratie ist anstrengend, manchmal auch träge und zwingt zu Kompromissen". Bei der Großdemonstration gegen rechts wird ihr Gesicht bei diesen Sätzen plötzlich noch etwas ernster, ihre Stimme noch etwas eindringlicher: "Demokratie ist die einzige Staatsform, die Garant ist für Würde, Freiheit und Gleichberechtigung des Einzelnen, da gibt’s sonst nichts. Das ist unsere Demokratie und deswegen ist es wert, dass wir sie verteidigen." Auf dem Augsburger Rathausplatz nehmen es ihr in diesem Moment alle ab: Eva Weber wird nicht ruhig sein.

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