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Augsburg: Viele unbearbeitete Fälle: Gesundheitsamt ertrinkt in Corona-Meldungen

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Viele unbearbeitete Fälle: Gesundheitsamt ertrinkt in Corona-Meldungen

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    Mit der Bearbeitung von Infektionsfällen ist das Gesundheitsamt in Augsburg inzwischen einige Tage in Verzug.
    Mit der Bearbeitung von Infektionsfällen ist das Gesundheitsamt in Augsburg inzwischen einige Tage in Verzug. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Angesichts der immer weiter steigenden Corona-Fallzahlen ist das Gesundheitsamt bei der Bearbeitung von Neuinfektionen seit Anfang dieser Woche bis zu drei Tage im Verzug. Rund 2000 Fälle aus den vergangenen Tagen - darunter aber auch Doppelmeldungen oder Freitestungen - sind noch nicht bearbeitet, weil das Amt in den vergangenen Tagen mit Arbeit überflutet wurde. Man bearbeite alle Fälle, müsse aber priorisieren, so Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne). Angehörige von gefährdeten Gruppen wie alte Menschen in Heimen, würden bevorzugt erfasst. Auch bei der Kontaktpersonenerfassung, die ohnehin schon weitgehend auf Selbstauskünften per E-Mail beruht, gibt es einen Berg von 2000 unbearbeiteten Meldungen.

    Augsburger Gesundheitsamt will mehr Personal einsetzen

    "Wir ziehen zusätzliches Personal hinzu", sagt Erben, und hoffe, zumindest bei der Meldung von Infektionsfällen ans Landesamt für Gesundheit wieder zügig auf Stand zu kommen. Der Verzug ist auch der Grund dafür, dass Augsburg am Freitag laut Robert-Koch-Institut formal eine Inzidenz von 848,1 hatte und damit seit mehreren Tagen in Folge weniger Infektionsgeschehen verzeichnet. "Das ist aber ein Pseudorückgang. Faktisch dürften wir bei über 1200 liegen", so der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamts, Dr. Thomas Wibmer.

    Augsburg ist dabei nicht alleine. Deutschlandweit haben Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung gemäß staatlicher Vorgaben in weiten Teilen eingestellt oder priorisiert. Auch in anderen Landkreisen kommt es inzwischen zu Meldeverzögerungen an die Landesbehörden.

    Corona-Kontaktverfolgung in Augsburg sei weder machbar noch sinnvoll

    Wibmer sagt, dass im Pandemiegeschehen inzwischen ein Punkt erreicht sei, an dem die Kontaktnachverfolgung für die gesamte Bevölkerung nicht mehr machbar sei. Man konzentriere sich, wie andere Gesundheitsämter auch, bei der Kontaktpersonen-Nachverfolgung auf anfällige Gruppen und nach Möglichkeit noch auf Haushaltsangehörige von Neuinfizierten, weil hier das Risiko einer Ansteckung am höchsten sei. "Alles andere macht in dieser Situation auch keinen Sinn mehr." Das Gesundheitsamt geht in der Gruppe der Zehn- bis 20-Jährigen inzwischen von einer Inzidenz von über 2000 aus. "Aber es geht in allen Altersgruppen nach oben", so Wibmer. Das Problem: Irgendwann sind namhafte Anteile der Bevölkerung mit dem Virus infiziert.

    In der Altersgruppe der Kinder sind aktuell zwei Prozent betroffen (ohne Dunkelziffer), bei einer absehbaren Vervielfachung steige der Anteil entsprechend. "Wenn dann jede infizierte Person noch fünf Kontaktpersonen hat, käme man irgendwann auf ein Viertel oder die Hälfte der Bevölkerung, die in Quarantäne sitzen", so Wibmer. Dies sei weder machbar noch zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie noch sinnvoll. Aus diesem Grund wurden zuletzt die staatlichen Quarantäneregeln gelockert. Dies betrifft wie berichtet auch Kitas und Schulen, wo auf Quarantäne von Kontaktpersonen inzwischen weitgehend verzichtet wird.

    Im Stadtrat sprach Matthias Fink (CSU) diesen Punkt am Donnerstag kritisch an. "Vergangenes Jahr ging man mit großer Strenge an das Thema, jetzt ist man vielleicht zu lax, weil man die Schulen unbedingt offen halten will." Auch aus Einrichtungen und von Elternvertretungen gab es zwiegespaltene Reaktionen, als die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene Neuerung bekannt wurde. Wibmer entgegnet, dass man anders als vergangenes Jahr inzwischen Reihentestungen zur Verfügung habe und zumindest Schüler und Schülerinnen teilweise geimpft seien. Man gehe aufgrund bisheriger Erfahrungen innerhalb von Schulklassen auch nicht von massiver Weiterverbreitung aus. "Hundertprozentigen Schutz gäbe es aber nur über Distanzunterricht, den man nicht will", sagt Wibmer.

    Die Stadt Augsburg rechnet mit weiter steigenden Infektionszahlen

    Die Stadt geht weiterhin von steigenden Infektionszahlen aus. Aktuell registriert man alle sieben bis acht Tage eine Verdoppelung der Inzidenz. Bei hohen Fallzahlen wie aktuell bedeutet das, dass es absehbar auf 1000 statt 500 Neuinfektionen pro Tag hinausläuft. "Irgendwann wird es dann auch mit den Laborkapazitäten vorbei sein", vermutet Wibmer. Dann werde die Zahl der Infektionen auf dem Papier nicht mehr steigen. In Augsburg wurden die PCR-Kapazitäten im Testzentrum laut Erben zuletzt aber von 1000 auf 1500 pro Tag hochgefahren. Insofern gibt es noch Reserven.

    In den Krankenhäusern ist die Situation nach wie vor halbwegs entspannt, wobei die Patientenzahlen jetzt spürbar anziehen. Am Uniklinikum lagen am Donnerstag 64 Patienten und Patientinnen auf der Corona-Normalstation (sechs auf Intensiv), eine Woche zuvor waren es noch 35 Fälle auf Normalstation. Der Großteil der Patienten und Patientinnen kann aber nach wenigen Tagen die Klinik wieder verlassen. In früheren Phasen der Pandemie lagen die Belegungszahlen weitaus höher. In den kommenden Tagen ist aber mit einem Anstieg der Patientenzahlen zu rechnen. "Bei den Älteren kommt die Infektionswelle als letztes an. Da beginnt der Anstieg der Infektionsfälle jetzt und wir sehen eine rasante Steigerung", so Wibmer.

    304 Mitarbeiter und Helfer werden im Gesundheitsamt eingesetzt

    Erben sagt, man müsse an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger und Bürgerinnen appellieren, was eigenes Verhalten bei einer Infektion und die Benachrichtigung von Kontakten betrifft. Das Gesundheitsamt tue, was es könne. "Wir übernehmen Verantwortung, aber angesichts der Zahlen kommen wir an unsere Grenzen." Aktuell sind 304 Personen im Gesundheitsamt mit der Corona-Bearbeitung befasst. Die Behörde wird nach wie vor von Beschäftigten aus anderen städtischen Dienststellen und von staatlichen Ämtern sowie der Bundeswehr verstärkt.

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