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Augsburg: Holocaust-Gedenktag: Eindringliche Warnung vor politischem Rechtsruck

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Holocaust-Gedenktag: Eindringliche Warnung vor politischem Rechtsruck

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    Zum Holocaust-Gedenktag kamen in diesem Jahr aus aktuellem Anlass mehr Menschen als sonst. Die Redner äußerten einen klaren Appell.
    Zum Holocaust-Gedenktag kamen in diesem Jahr aus aktuellem Anlass mehr Menschen als sonst. Die Redner äußerten einen klaren Appell. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ihre Gesichter, ihre Geschichten mahnen. Janka Lengyel, Leonhard Hausmann, Babette Kerl, Josef Holzheu, Ernst Lossa - die Jüdin, der Kommunist, die kranke Frau, der homosexuelle Mann, der jenische Bub, alle von den Nationalsozialisten umgebracht. An diesem regnerischen Freitag sind sie auf Plakaten zu sehen, zuerst auf dem Augsburger Rathausplatz, dann im Unteren Rathaus-Fletz, werden sie von den Schauspielern Sarah Maria Grüning und Gerald Fiedler in ihren Biografien vorgestellt. Sie mahnen und warnen vor Populismus, Rechtsextremismus, Rassismus, Faschismus. Noch nie war die Gedenkstunde zum Holocaust-Gedenktag so aktuell, so eindringlich auf die Gegenwart bezogen. Auch so viele Menschen sind bisher kaum gekommen, um zu gedenken und zu mahnen - unter ihnen Bundes-Kulturministerin Claudia Roth und der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle

    Oberbürgermeisterin Eva Weber richtet einen leidenschaftlichen Appell an die Augsburger, sich gegen antidemokratische Tendenzen zu wehren. "Wir müssen laut werden und mutig zur Demokratie stehen." Sie lädt "alle Augsburger und Augsburgerinnen" ein, am 3. Februar zur Demonstration auf dem Rathausplatz zu kommen, rückt auch die Selbstverpflichtung der Stadt ins Bewusstsein, gegen antisemitisches Handeln einzutreten. Für Carmen Reichert, Leiterin des Jüdischen Museums, haben das notwendige Erinnern an den Holocaust und das daraus folgende "Nie wieder!" nach dem 7. Oktober, dem Überfall der Hamas auf Israel, den Rahmen der Gedenktage verlassen und sind "auf die Straße gegangen."

    Die momentane Lage mache ihr Angst, sagt Marcella Reinhardt, die Vorsitzendes des Regionalverbands der schwäbischen Sinti und Roma, die im Rathaus für die zahlreichen Augsburger Initiativen der Erinnerungskultur spricht. Angst habe sie nicht als Angehörige einer Minderheit, sondern als Bürgerin, die die Demokratie in Gefahr sieht. Angst habe sie auch, weil die Ablehnung von Menschen anderer Herkunft wieder spürbar sei, weil die Rechtspopulisten wieder Sündenböcke suchten - Juden, Sinti, Flüchtlinge. Für ihre Kritik an der AFD erntet sie lautstarken Beifall. 

    Holocaust-Gedenktag: Nachfahren Augsburger Juden sprechen von Angst

    Auch die Nachfahren der jüdischen Augsburger Familien, die vor dem nationalsozialistischen Regime fliehen konnten, sprechen in ihrer Videobotschaft von Angst. Bettina Kaplan, Diane Castiglione, Talia Keren und Deborah Sturm-Rausch sagen, dass für sie der diesjährige Holocaust-Gedenktag besonders bedeutsam sei wegen des weltweit anwachsenden Antisemitismus. Die Angst, die Juden derzeit erleiden müssen, erinnere sie an das, was ihre Vorfahren unter den Nazis durchgemacht haben. Sie seien den Augsburgern dankbar, sagen die vier Frauen, dass sie sich bemühten, mit dem Gedenktag und Aktionen wie "Nie wieder ist jetzt" Antisemitismus und Hass zu bekämpfen. 

    David Lisowski spricht für die Jüdische Gemeinde. "Es wärmt das Herz", sagt er, zu sehen, dass die schrecklichen Taten der Nationalsozialisten nicht vergessen sind und laut verurteilt werden. Das gebe ihm, dessen Großmutter durch die deutschen Besatzer in Belarus fast ihre ganze Familie verloren hat, die Hoffnung, dass die Gesellschaft diesmal so etwas nicht zulassen werde. 

    Erinnerung als Vorbeugung gegen Antisemitismus und Rassismus - dem haben sich auch Schüler und Schülerinnen verschrieben, unterstützt von ihren Lehrern Heinz Auernhamer und Joanna Linse sowie von Frank Schillinger (Jüdisches Museum). Im Paul-Klee-Gymnasium erforschen Akos Oroszlamos, Panagiotis Balagiannis, Meryem Cavusoglu und Maria Eberle die Lebens- und Leidensgeschichten von Menschen, die die Nazis verfolgten.

    "Vergessen, das geht nicht" - das lässt schließlich mit Lyrik und Musik auf eindringliche Weise das Ensemble "Text will Töne" die toten Opfer von einst sagen - auch sie mahnen die Lebenden von heute.

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