Kilian Briegel aus Augsburg musste sich erst einmal ausprobieren. Anfangs studierte er Lehramt, dann wechselte er zu Erziehungswissenschaften. Inzwischen hat er das Fach Soziale Arbeit für sich entdeckt und sagt: „Da fühle ich mich genau richtig.“ Briegel war einer der Ersten, der sich vor zwei Jahren für das neue Studienangebot der Hochschule Augsburg bewarb. Im Vorfeld gab es darum viel Streit. Nun hat es sich zum Renner entwickelt.
"Soziale Arbeit" an der Hochschule Augsburg: 1500 Bewerber für 32 Plätze
„Am Anfang war der Andrang schon sehr groß“, sagt Professor László Kovács, der Leiter des Studiengangs. Zum Start 2018 gingen rund 1500 Bewerbungen für 32 Plätze ein. Damit war das neue Studium für Sozialpädagogen in Augsburg das gefragteste Fach an der Hochschule. Inzwischen seien die Bewerberzahlen etwas zurückgegangen, aber immer noch sehr hoch, sagt Kovács. Im kommenden Herbst rechnet er wieder mit einer großen Nachfrage. Für den dritten Jahrgang soll es 60 Plätze geben.
Kilian Briegel ist inzwischen Sprecher des Studiengangs. Ihm gefällt, dass das Studium breit gefächert ist und praxisnah abläuft. „Das ist mir ganz wichtig“, sagt er. Die noch kleine Gruppe der Studierenden hat einen Vorteil: Man ist nah dran an den Professoren. Die Stimme der Studierenden werde auch gehört und ernst genommen, wenn es um weitere Entwicklungen geht, sagt Briegel. Er nennt aber auch einen Nachteil: Weil die Gruppe der angehenden Sozialpädagogen noch klein ist, ist das Angebot von Wahlfächern nicht sehr groß. Da haben Studierende in München deutlich mehr Auswahl.
Warum die Hochschule Augsburg kämpfen musste
Allerdings war es für die Hochschule Augsburg alles andere als einfach, den neuen Studiengang einzuführen. Zuvor hatte man eineinhalb Jahre beim Freistaat dafür gekämpft, gegen viele Widerstände. Die Hochschule musste ihr komplett neues Angebot im Sozialen zunächst aus dem eigenen Budget stemmen und dafür aus anderen Bereichen Professorenstellen abziehen. Nun sei man aber so erfolgreich mit dem Studium unterwegs, dass sechs Professorenstellen vom Wissenschaftsministerium zugesagt worden seien, freut sich Kovács.
Unterstützung hatte es von Anfang auch von vielen heimischen Sozialverbänden gegeben. Rund 50 Verbände und Organisationen haben sich beim Freistaat dafür starkgemacht, die nötigen Mittel für das Studienangebot bereitzustellen. Der Grund: In Augsburg leben mehr arme Leute als in anderen bayerischen Großstädten. Die Stadt hat einen der höchsten Anteile an Migranten in Deutschland. Viele Menschen brauchen professionelle Hilfe, um einen Platz in der Gesellschaft zu finden, angefangen bei Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen über Behinderte und chronisch Kranke, Flüchtlinge bis hin zu Langzeitarbeitslosen. Professionelle Helfer für gesellschaftlich benachteiligte Menschen sind in der Region aber nur noch schwer zu finden.
Studiengang "Soziale Arbeit": Ein Mittel gegen Fachkräftemangel
Kilian Briegel zählt nun zu den ersten Studenten, die im Herbst ihr Praxissemester in einer Augsburger Einrichtung machen. Er geht in die Schulsozialarbeit nach Göggingen. Dort wird der 22-Jährige von Nicole Kleba angeleitet, die bei der St. Gregor Kinder-, Jugend- und Familienhilfe tätig ist. Auch bei St. Gregor hat man großen Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern. „Der Fachkräftemangel schlägt voll durch“, sagt Personalleiterin Anja Wengenmayr. Die Suche nach Sozialpädagogen erstrecke sich mittlerweile auf halb Bayern. Im Raum Augsburg seien nicht mehr genügend neue Leute zu finden.
Anja Wengenmayr stellt aber auch fest, dass sich die Lage bessert, seit das neue Studienangebot in Augsburg eingeführt wurde. Damit könnten schon früh Kontakte zu Studierenden geknüpft werden, sagt sie. Auch bei Praktikumsstellen im Sozialbereich gibt es in der Stadt und im Umland ein großes Angebot. Und viele Unternehmen machen die Erfahrung, dass aus Praktikanten später sehr oft Mitarbeiter werden. Seit der Corona-Pandemie haben manche der angehenden Sozialpädagogen der Hochschule allerdings ein Problem. Einige Träger haben nicht mehr die Mittel, um eine freiwillige Vergütung im Praktikum zu zahlen. Das stellt betroffene Studenten vor Geldprobleme.
Nicht nur die heimischen Sozialverbände sollen von dem neuen Studienangebot profitieren. Professor László Kovács kündigt an, dass es in Augsburg bald auch neue Forschungsprojekte im Sozialbereich geben wird. So will man an der Hochschule den Fragen nachgehen, wie sich Corona auf die Schulsozialarbeit auswirkt oder welche Folgen die Pandemie auf Wohnungslose haben wird, gerade mit Blick auf den kommenden Winter.
Hören Sie auch:
Lesen Sie dazu auch:
Nach Kritik: Wie lange bleibt die Kanzlerin noch an der Hochschule?
- Studenten fordern: Söder muss der Hochschule helfen
- Nach Kritik: Wie lange bleibt die Kanzlerin noch an der Hochschule?