An einem Biertisch hat die Gruppe Platz genommen. In der Schwabenhalle, wo sonst große Konzerte und Veranstaltungen stattfinden, sitzen sie am Sonntagvormittag zusammen und warten. Darauf, dass sie wieder zurück in ihre Häuser in Nordendorf im Landkreis Augsburg können. Wie lange das noch dauern wird, keiner weiß es. Mitten in der Nacht, sagt Karl Vogelbauer, hätten sie die Einsatzkräfte aus dem Bett geklingelt. "Sie haben gesagt wir haben jetzt eine Stunde Zeit, das Nötigste zusammenzupacken." Mit dem Bus ging es dann in die Notunterkunft, die die Hilfsorganisationen der Stadt als Amtshilfe für die Regierung von Schwaben innerhalb von nur zwei Stunden aus dem Boden gestampft hatten.
Evakuierte Nordendorfer bangen um die Dämme
Auf Feldbetten haben sie in der angrenzenden Halle versucht, nach der ganzen Aufregung noch ein wenig Ruhe zu bekommen. "Ich habe ganz gut geschlafen", sagt der 90-Jährige Karl Vogelbauer. Hier an der Messe fühlt er sich gut aufgehoben. "Es ist einwandfrei hier. Die Leute sind freundlich und hilfsbereit", lobt er, während sie um ihn herum immer wieder auf ihre Handys schauen, auf denen ständig Bilder aus ihrer Heimatgemeinde im Landkreis Augsburg eintrudeln. Bisher, glaubt Vogelbauer, sei sein Haus verschont geblieben. "Vielleicht haben wir aber Wasser im Keller." Die bange Frage sei nun, ob die Dämme halten. Davon hängt auch ab, wie lange sie hier noch ausharren müssen. Das fragt sich auch Alireza Hosseini, der mit seiner zwölfjährigen Tochter Arina ein paar Tische weiter sitzt. Auch sie wurden aus Nordendorf hierher gebracht. Vor 10 Monaten kamen sie aus der Ukraine nach Deutschland. Vor ihnen aufgeschlagen liegt ein Deutschbuch. Damit vertreiben sie sich die Wartezeit, bis es wieder nach Hause geht.
Auch 50 Senioren aus Dinkelscherben und Altenmünster werden versorgt
Knapp 150 Menschen haben am Sonntagvormittag in der Notunterkunft eine vorübergehende Heimat gefunden. Unter ihnen auch 50 Senioren aus Altenhilfeeinrichtungen im Landkreis Augsburg, etwa aus Altenmünster und Dinkelscherben. Einige von ihnen stark pflegebedürftig. Sie zu versorgen, sagt Oberbürgermeisterin Eva Weber, sei eine große Herausforderung. Einen älteren Herren mit Rollstuhl haben zwei Begleiter gerade zum Luftschnappen ein bisschen ins Freie geschoben. Auf seinem Arm hat es sich eine Siamkatze gemütlich gemacht. Auch sie wurde mit evakuiert. Ebenso wie Hund Bob mit dem Federica Sernesi gerade eine Runde durch die Messe dreht. Aus Blankenburg sind sie mit dem Auto hergefahren, weil sie ihr Haus verlassen mussten. Nun warten auch sie auf die Entwarnung. Auf den Feldbetten in einer der Messehallen versuchen einige Menschen etwas Ruhe zu finden, surfen im Internet, lesen. Die Stimmung ist gedrückt, das Licht gedämpft.
In einem weiteren Bereich werden die pflegebedürftige Senioren versorgt. Ein Ehrenamtlicher der Malteser hilft gerade einer älteren Dame beim Trinken, die vielen Helfer nehmen sich bewusst Zeit, um den teils bettlägerigen Menschen, die in der Nacht auch mit Booten und Unimogs aus ihren Einrichtungen evakuiert werden mussten, ein Stückchen Sicherheit zu geben. Im Hintergrund arbeiten die Einsatzkräfte der Augsburger Blaulichtorganisationen, unterstützt von Kollegen aus Franken, daran, dass die Senioren so schnell wie möglich aus der Notunterkunft in eine angenehmere Umgebung kommen. Bis dahin gibt es erst einmal Brotzeit mit belegten Broten und aufgeschnittenen Äpfeln. Die achtjährige Sabrina und ihr fünfjähriger Bruder Nizar haben derweil in der Ecke der Schwabenhalle eine Riesengaudi. Zusammen mit dem Kriseninterventionsdienst der Malteser kegeln sie, spielen Fußball, malen Bilder. Ein Bild mit einem Regenbogen liegt neben Mama Karzyna, die mit ihren Kindern vor zehn Monaten aus der Ukraine kam, und nun hier ausharrt. Ein buntes Symbol der Hoffnung, dass bald alle wieder nach Hause können.
Wie lange die Notunterkunft hier noch gebraucht wird, Stunden, Tage, Wochen, das lässt sich laut Pressesprecher Raphael Doderer aktuell nur schwer abschätzen. Schließlich mussten in Schwaben auch am Sonntag weitere Orte evakuiert werden. Auch deshalb trafen am Sonntag aus anderen Teilen Bayerns immer mehr Ehrenamtliche ein, um die Kräfte aus Augsburg und dem Umland abzulösen. Denn die brauchen womöglich noch einen langen Atem.
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