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Augsburg: Heiß – und begehrt: Fernwärme wird für Augsburg immer wichtiger

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Heiß – und begehrt: Fernwärme wird für Augsburg immer wichtiger

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    Klappe auf - und es öffnet sich ein Blick ins Herz des Biomasse-Heizkraftwerks in Lechhausen. Martin Hofer kümmert sich als Geschäftsbereichsleiter Energieerzeugung um die Anlage der Stadtwerke Augsburg (swa).
    Klappe auf - und es öffnet sich ein Blick ins Herz des Biomasse-Heizkraftwerks in Lechhausen. Martin Hofer kümmert sich als Geschäftsbereichsleiter Energieerzeugung um die Anlage der Stadtwerke Augsburg (swa). Foto: Silvio Wyszengrad

    Es ist ein grauer Vormittag am nordöstlichen Ende Augsburgs. Ein Lkw mit zwei leeren Anhängern fährt gerade vom Hof, hinter ihm schiebt ein Radlader mit wuchtiger Schaufel zehntausende kleine Holz-Hackschnitzel in Richtung Lager. Von dort führt ein Förderband diagonal nach oben, direkt ins Herz des Biomasse-Heizkraftwerks. Es schlägt nicht, es dröhnt - durchgehend, stets unter Volllast. Im Dampfkessel der Anlage werden jede Stunde zwischen acht und 13 Tonnen Holz verbrannt. Die Energie, die so entsteht, macht sich anschließend auf den Weg. Sie fließt durch verwinkelte Rohre, eine Turbine, einen Generator und verschwindet dann im Lechhauser Boden, um direkt bei tausenden Menschen zu landen. Hinter all dem steckt das Prinzip Fernwärme - und damit eine Technologie, die momentan in Augsburg zunehmend in den Fokus gerät.

    Fernwärme gilt im Vergleich zu Erdöl und -gas als deutlich klimaschonender. In Augsburg entsteht sie zu 85 Prozent über die sogenannte Kraft-Wärme-Koppelung - Wärme und Strom entstehen also parallel. Auch der Wirkungsgrad ist sehr hoch, im Prozess geht kaum Energie verloren. Grundlage dafür sind verschiedene Komponenten: Die Stadtwerke Augsburg (swa) erzeugen Fernwärme zu rund 20 Prozent aus Biomasse - genauer: Holzabfälle aus umliegenden Wäldern -, zu rund 30 Prozent aus Müllverbrennung und zu rund 50 Prozent aus Erdgas. Und genau dieser letztgenannte Anteil ist derzeit ein Knackpunkt. Bekannte Stichworte: Energiekrise, steigende Preise, drohende Engpässe.

    Fernwärme deckt 20 Prozent des Wärmebedarfs in Augsburg ab

    Fernwärme, produziert in sechs Anlagen im Stadtgebiet, deckt aktuell rund 20 Prozent des gesamten Wärmebedarfs in Augsburg ab. Dieser Anteil soll nach Plänen der Stadt bis 2040 auf rund 40 Prozent steigen. Die Pläne zum Netzausbau sind Schritt für Schritt angelegt - und stehen nun einem rasanten Nachfrage-Anstieg gegenüber. "Die Anfragen haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr versechs-, vielleicht versiebenfacht", sagt Ulrich Längle, Vertriebsleiter bei den Stadtwerken. Von heute auf morgen zu bedienen sei dies nicht, sowohl die Infrastruktur zur Erzeugung als auch das Leitungsnetzwerk müssten "organisch" wachsen. Grundsätzlich sei die hohe Nachfrage aber zu begrüßen, das Ziel "40 Prozent bis 2040" realistisch. Ganz aktuell laufen etwa Arbeiten an einer Fernwärme-Leitung in der Riedingerstraße.

    Rund die Hälfte der knapp 600 Millionen jährlich abgenommenen Kilowattstunden durch Fernwärme entfällt in Augsburg auf Privathaushalte. Auch etliche große Einrichtungen und Unternehmen setzen darauf - neben der Stadt Augsburg, die so fast alle Verwaltungsgebäude heizt, auch Kliniken wie das UKA, der Martinipark, der Dom, der Uni-Campus, Schulen, Kuka und MAN. Gerade diese großen Abnehmer braucht es nach Angaben der Stadtwerke, damit sich das Netz wirtschaftlich trägt. "Ein Meter Leitung kann je nach Örtlichkeit zwischen 700 und 1500 Euro pro Meter kosten", erklärt Längle. "Das sind enorme Kosten, die allein über Privathaushalte nicht zu finanzieren wären." Auch deshalb werde man die ganze Stadt langfristig "bei Weitem" nicht mit Fernwärme versorgen können. Bei Bestandsgebäuden kostet ein Fernwärmeanschluss durchschnittlich 5000 Euro.

    Über Fernwärme werden in Augsburg etliche Haushalte und Unternehmen mit Energie versorgt.
    Über Fernwärme werden in Augsburg etliche Haushalte und Unternehmen mit Energie versorgt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Netzausbau ist "Klimaprojekt" - trotzdem kaufen swa Millionen Liter Öl

    Der Ausbau des Fernwärme-Netzes ist auch ein "Klimaprojekt", das betonen die Stadtwerke immer wieder. Trotzdem haben sie zuletzt im größeren Stil Erdöl eingekauft - als "Rückfallebene" für den Fall, dass Gas knapp wird. "Unsere Öltanks sind wieder voll, wir haben rund3,8 Millionen Liter im Bestand", bestätigt Martin Hofer, Geschäftsbereichsleiter Energieerzeugung. Mit dieser Menge könne man etwa eine Woche lang das Gas in der Fernwärme-Erzeugung ersetzen. Eigentlich spielt Öl für Fernwärme keine Rolle mehr, zuletzt haben die Stadtwerke so vor rund zehn Jahren einen kurzfristigen Engpass überbrückt. "Jetzt helfen uns die vorhandenen Kapazitäten, die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten", sagt Vertriebsleiter Längle, "auch wenn sich das natürlich auf den CO2-Ausstoß auswirkt." Ziel sei, Fernwärme bis 2040 klimaneutral zu erzeugen. Dafür werde man verstärkt auf Technologien wie Wärmepumpen, Geothermie oder Abwärme aus Fabriken setzen.

    Und jetzt, ganz aktuell und im Winter? Ist die Wärmeversorgung per Fernwärme nach Angaben der Stadtwerke gesichert. Die Anlagen gehören im "Notfallplan Gas" zum "geschützten Bereich", weil so auch Privathaushalte versorgt werden. Auswirkungen der aktuellen Lage werden aber nicht ausbleiben. Heißt: Der Preis für Privatkunden, der allein seit Jahresbeginn von gut elf auf knapp 19 Cent pro Kilowattstunde sprang, wird diesen Trend zum nächsten Stichtag am 1. Oktober fortsetzen.

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