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Augsburg: Haunstetterin über dramatische Sturzgeburt: "Für Angst hatte ich keine Zeit"

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Haunstetterin über dramatische Sturzgeburt: "Für Angst hatte ich keine Zeit"

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    Silvio Wyszengrad
    Silvio Wyszengrad Foto: Silvio Wyszengrad

    "Papas Liebling" steht auf dem Shirt des kleinen Nishan. Neun Monate ist der Junge mit den großen Augen inzwischen alt. Er kann nicht wissen, dass er im Frühjahr einen Noteinsatz in Augsburg ausgelöst hatte. Die Aufregung um ihn sorgte sogar für Schlagzeilen. Mutter Nusrat Jahan Jenny war mit dem Buben schwanger, als eines Morgens plötzlich die Wehen einsetzten. Ihr Mann befand sich zu dem Zeitpunkt auf einem Geschäftstermin, irgendwo hinter München. Die 25-Jährige war allein mit der gemeinsamen kleinen Tochter in der Mietwohnung im vierten Stock. Es wurde dramatisch.

    Nusrat Jenny und ihr Ehemann Samad Bhuiyan sitzen mit ihren Kindern auf der Couch im Wohnzimmer. Sie schauen sich kurz an. Das Paar, das aus Bangladesch stammt und seit ein paar Jahren in Augsburg lebt und arbeitet, erinnert sich gut an jenen Morgen, an dem alles unerwartet schnell ging. Die Pressemeldung, die dazu später verschickt wurde, begann in etwa so: "Eine Frau steht kurz vor der Geburt und kann ihre Wohnungstür nicht öffnen. Die Augsburger Feuerwehr ist schnell da, kommt aber zu spät."

    Mutter löst Einsatz in Augsburg aus: Wehen stärker, Hektik größer

    Blicken wir also zurück auf den 30. März, 8.20 Uhr, in die Wohnung in dem Mehrparteienhaus in Haunstetten. Eigentlich hat die studierte Informatikerin noch ein paar Tage Zeit bis zum errechneten Geburtstermin ihres zweiten Kindes. Doch Babys sind Kalkulationen egal. Die Wehen setzen am Morgen ein. Ziemlich heftig. Jenny erreicht ihren Mann am Handy. Sie erwischt den 35-jährigen Maschinenbauingenieur mitten in einem Geschäftstermin in Vaterstetten - eine gute Stunde Autofahrt von Augsburg entfernt. Bhuiyan rät seiner Frau, im Kreißsaal des Krankenhauses anzurufen - so wie im Vorfeld besprochen. Doch dort nimmt niemand ab. Auch nicht bei wiederholtem Klingeln. Immer wieder telefoniert die werdende Mutter mit ihrem Mann. Die Wehen werden stärker, die Hektik größer.

    Schließlich ruft Jenny unter der zentralen Telefonnummer des Krankenhauses an. Mit Erfolg. Man rät ihr, sich ein Taxi zu rufen und herzukommen. Doch sie schafft das nicht. Sie ist auch nicht in der Lage, bei den Nachbarn auf demselben Stockwerk zu klingeln. Zeitgleich versucht ihr Mann, gemeinsame Freunde zu erreichen, die ums Eck wohnen - dort geht keiner ans Telefon. "Letztendlich rief ich ihr ins Telefon, sie soll die Notrufnummer 112 wählen", erzählt Samad Bhuiyan. Seine Frau macht das, dann schleppt sie sich ins Badezimmer.

    Nusrat Jenny erinnert sich: "Ich kroch auf allen Vieren zur Tür"

    Sie legt sich auf den Boden - und bringt ihren Sohn zur Welt. "Dabei hielt ich mit einer Hand meine Tochter", schildert die Mutter. "Sraboni war damals erst 14 Monate alt und hatte Angst. Sie wusste nicht, was passiert, und dann das viele Blut." Es klopfte an der Wohnungstür. "Wir kommen jetzt rein. Bitte öffnen Sie die Tür", hört Jenny eine Männerstimme im Treppenhaus. "Ich kroch auf allen Vieren zur Tür und drückte die Klinke herunter." Die Berufsfeuerwehr schilderte unserer Redaktion damals den Einsatz aus ihrer Sicht.

    Als die Einsatzkräfte die Wohnungstür nach ihrer Ankunft öffnen wollen, macht die Frau selbst auf. Der Säugling habe bereits mächtig geschrien, er war wohlauf. Die kleine Tochter habe die ganze Aktion "sehr erschrocken" beobachtet. "So etwas haben wir hier noch nie erlebt", sagte damals Feuerwehrsprecher Friedhelm Bechtel. Der Mutter zollten die Einsatzkräfte Respekt. Von der Sturzgeburt überrascht habe sie "Enormes" geleistet, "schließlich musste sie gleichzeitig auch noch ihre Tochter beaufsichtigen". 30 Minuten, sagt Nusrat Jenny, habe es von Beginn der Wehen bis zur Geburt gedauert. "Für Angst hatte ich gar keine Zeit", meint sie, räumt aber ein, nach der Geburt zunächst in einer Art Schockzustand gewesen zu sein. Und wie erging es dem Vater in der Zeit?

    Mit dem Rettungswagen wurden Nusrat Jahan Jenny und ihr Neugeborenes damals ins Krankenhaus gefahren.
    Mit dem Rettungswagen wurden Nusrat Jahan Jenny und ihr Neugeborenes damals ins Krankenhaus gefahren. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez, dpa (Symbolbild)

    Die Geburt seines Sohnes habe er am Telefon nicht mehr mitbekommen, sagt der 35-Jährige. "Meine Frau hatte vorher aufgelegt." Panik oder Angst habe er nicht verspürt. "Ich wusste, meine Frau ist eine starke Frau und dass sie das schaffte", meint er und wirft Nusrat Jenny einen liebevollen Blick zu. Zudem seien in dem Dorf in Bangladesch, wo er aufwuchs, Hausgeburten nicht ungewöhnlich, fügt er hinzu. Das Ehepaar hat den Zeitungsartikel über die außergewöhnliche Geburt ihres Sohnes und den Feuerwehreinsatz ausgeschnitten und aufgehoben. Noch weiß der kleine Nishan nichts von der Aufregung um ihn. Aber irgendwann einmal wird er den Moment, als er auf die Welt kam, nachlesen können.

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