Der Lebensmittelhändler Edeka hat den Mietvertrag für seine Filiale im Augsburger Schwabencenter gekündigt und wird Anfang April ausziehen. Bei manchen Anwohnern im Umkreis hat das Bestürzung ausgelöst - vor allem bei älteren Menschen, denen der Weg zu den anderen Supermärkten in der Umgebung zu weit ist. Für die Betroffenen im Schwabencenter hat die Stadt jetzt eine Lösung gefunden, wie sie künftig mit den Dingen des alltäglichen Bedarfs versorgt werden - das kündigte Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle (CSU) gegenüber unserer Redaktion an. Doch das Problem taucht nicht nur hier auf. Sind Augsburgs Stadtteile ausreichend mit Nahversorgern ausgestattet?
Laut Edeka ist im Schwabencenter ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb der Filiale nicht mehr möglich. Es fehle an Kundschaft - unter anderem wegen der Umbaumaßnahmen in der Passage. Kundinnen und Kunden berichten, wer könne, fahre seit jeher lieber die Filiale in der nicht weit entfernten Hofrat-Röhrer-Straße an. Hier könne man besser parken. Wolfgang Hübschle ist überzeugt, dass es mit dem Center wieder aufwärts geht, wenn Eigentümer Solidas seine Pläne zur Neugestaltung umgesetzt hat, doch das daure eben. Dass ein Supermarkt bis dahin übergangsweise einzieht, sei nicht möglich - alle großen Anbieter hätten dem eine Absage erteilt. Es gebe nun aber eine Lösung. Die städtische Wirtschaftsförderung arbeite mit einem Kaufmann an einem Konzept, dass Lebensmittel bestellt und zu bestimmten Zeiten im Center abgeholt werden können. Anders als bei großen Anbietern soll es auch die Möglichkeit geben, dass Menschen ohne einen Online-Zugang bestellen können, so Hübschle.
Auch außerhalb des Schwabencenters ist die wohnortnahe Nahversorgung ein Thema. Peter Fischer, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Lechhausen, spricht von einem "Dauerbrenner". Bei jeder Neuplanung im Stadtteil werde dies angesprochen. Ältere und vor allem mobil eingeschränkte Menschen treffe es, wenn Geschäfte in unmittelbarer Nähe abwandern. "Da stirbt der Ehemann, die Frau hat keinen Führerschein und schon ist die Fahrt zu Kaufland im Industriegebiet oder der Weg zu Rewe am Schlössle nicht mehr möglich", erzählt er. Dann müssen Familie und Freunde einspringen. "Wer in Lechhausen nicht zentrumsnah wohnt und mobil eingeschränkt ist, hat definitiv ein Nahversorgerproblem", sagt Fischer.
Auch in Hochzoll-Nord gibt es keinen Supermarkt
Eine Situation, die es auch in anderen Stadtteilen gibt. In Hochzoll gibt es zwar die neue Mitte mit zwei Supermärkten und einem Drogeriemarkt, dazu kommt ein Markt im Süden des Stadtteils. Im Norden dagegen gibt es nur zwei Bäckereien mit Café - und diese liegen mit der Friedberger- und der Zugspitzstraße am äußersten Rand. Bis zur neuen Hochzoller Mitte sind es je nach Lage bis zu 20 Minuten Fußmarsch. Auch in Göggingen war ein fehlender Nahversorger lange Thema, bis vor wenigen Jahren ein Edeka "Express" ins Stadtteilzentrum zog, so Dieter Kleber, Vorsitzender der Unternehmergemeinschaft "Wir in Göggingen". Noch immer fehle aber ein Drogeriemarkt.
Für Kleber spielt eine wohnortnahe Nahversorgung aber nicht nur für ältere oder mobil eingeschränkte Menschen eine Rolle. "Das Neubaugebiet in Göggingen hat außer einem Wochenmarkt und einer Bäckereifiliale kein weiteres Geschäft." Die Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr ans Gögginger Zentrum sei zudem nicht gerade ideal.
Dieter Kleber und Peter Fischer setzen sich daher mit Kolleginnen und Kollegen ihrer Gremien immer wieder für die Ansiedlung von Geschäften in den Stadtteilen ein. Allerdings ist ihnen auch bewusst, dass es Händler nicht leicht haben, solche Lagen zu besetzen. "Die meisten Menschen sind oft bis ins hohe Alter mobil und nutzen die größeren Einkaufsgelegenheiten am Stadtrand", so Fischer. Erst, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gehe, würden sie sich Geschäfte vor Ort wünschen. Ob sie diese vorher regelmäßig genutzt hätten, sei fraglich.
Seniorenbeirat sieht Nahversorgung nicht als drängendstes Problem
Auch in Hochzoll lassen sich ehemalige Gewerbeflächen abseits der großen Verkehrsadern kaum nachbesetzen. So steht ein Laden-Ensemble in der Karwendelstraße nach wie vor leer, bedauert Carmen Wanner-Sturm, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Hochzoll. Selbstständige Händler schildern, dass sich vor allem kleine Geschäfte für Gelegenheitskäufe und wenige Stammkunden kaum sinnvoll betreiben lassen würden. Diese seien vielmehr Anlaufstelle für Kundinnen und Kunden, um sich zu unterhalten und Struktur in den Alltag zu bringen.
Eine Auffassung, die auch Robert Sauter, Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt Augsburg, teilt. Fehlende Supermärkte in den Stadtteilen kämen bei ihm nicht als drängendes Problem an. "Das ploppt vor allem immer dann auf, wenn wieder ein Geschäft schließt." Häufiger seien Beschwerden, weil Bankfilialen verschwinden. In beiden Fällen fehle den Menschen dann aber oft weniger die Versorgung, sondern vor allem der soziale Kontakt.
Dass sich Kundinnen und Kunden wieder mehr Supermärkte in näherer Umgebung wünschen, haben die Unternehmen zudem erkannt. In den letzten Jahren hat vor allem Rewe seine Präsenz in den Stadtteilen deutlich erhöht. Seit 2014 sind neun neue Läden dazu gekommen. Ein weiterer soll in der Zugsitzstraße entstehen. Die Stadt hat laut Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle in den letzten Jahren viele Maßnahmen getroffen, um etwa weitere Ansiedlungen von Lebensmittelmärkten auf der "Grünen Wiese" nach Möglichkeit abzulehnen und Händler in die Stadtteile zu bewegen. So verfüge Augsburg über ein dichtes Nahversorgungsnetz, in dem es nur noch wenige Lücken gebe. Weitere Neuansiedlungen würden oft an fehlenden Flächen oder Standortfaktoren für einen aus Sicht der Betreiber wirtschaftlich sinnvollen Betrieb scheitern.