Das Augsburger Nachtleben wird um eine Institution ärmer. Oliver Weisse schließt seine Rio Bar. Über 30 Jahre lang hatte der Gastronom die kleine Cocktailbar in der Heilig-Grab-Gasse, quasi ums Eck der Maximilianstraße, geführt. Doch jetzt hat Weisse, wie er sagt, "auf das alles keinen Bock mehr". Der 58-Jährige nennt mehrere Gründe, warum die Silvesternacht zur Abschiedsnacht wird.
Ob man später noch mal sprechen könnte, fragt Oliver Weisse am Freitagvormittag am Telefon. Schließlich sei er erst früh am Morgen ins Bett gekommen. Über 30 Jahre lang stand der Gastronom nahezu jede Nacht selbst in seiner kleinen Bar, um die Nachtschwärmer zu bewirten. Bevor die Coronapandemie das Ausgehverhalten vieler Menschen veränderte, so Weisse, habe er bis fünf Uhr morgens Drinks und Cocktails in der Bar mit dem karibischen Flair ausgeschenkt. Für viele Nachtschwärmer galt die in Rottönen gehaltene Bar mit lateinamerikanischer Musik als beliebter Anlaufpunkt - oft war sie die letzte Station auf dem Nachhauseweg. Inflation, die Verkehrspolitik der Stadt - das Geschäft habe sich für ihn aus vielerlei Gründen negativ verändert, sagt Weisse. Er übt Kritik. An dem Fußgängerzonen-Versuch in der Maximilianstraße etwa.
Wirt übt Kritik an Verkehrspolitik in Augsburger Maxstraße
30 Parkplätze seien bei dem Versuch in der Maximilianstraße weggefallen. "Und als der Einzelhandel erfolgreich auf eine Öffnung geklagt hatte, ist keiner dieser Parkplätze an uns zurückgegangen." Stattdessen seien daraus Abstellplätze für E-Scooter und Fahrräder geworden und, seiner Meinung nach, auch zu viele Behinderten-Parkplätze. Ein Teil seiner Kunden, die unter der Woche mal eben abends auf ein Getränk vorbeikamen, sei deshalb unter der Woche weggeblieben. Ohnehin sei das einst so rege Nachtleben in der Maximilianstraße auf einem absteigenden Ast, findet der Wirt.
"Manche Clubs haben inzwischen nur noch an drei Abenden in der Woche geöffnet", stellt er fest. Dadurch fehle auch ihm Kundschaft. "Wenn ein Club in Toplage nicht mal mehr an Silvester aufmacht", sagt er und führt den Satz nicht weiter aus. "Die Maxstraße ist inzwischen unter der Woche tot." Zudem hörten viele alte Gastronomen, wie etwa im Pantheon, in der benachbarten Berghütte und demnächst in der Caipi-Bar auf, "weil sie alle rechnen könne, wie ich auch. Das Geschäft lohnt sich nicht mehr." Auch wegen steigender Energiekosten und Inflation. Eine Flasche Havana-Rum habe vor Monaten noch zehn Euro gekostet, jetzt zahle er 15 Euro. "Eine Kiste Limetten kostet statt acht Euro inzwischen 20 Euro", nennt der 58-Jährige Beispiele. Für Oliver Weisse gibt es noch einen Grund, mit der Bar aufzuhören. Der hat mit dem nächtlichen Publikum zu tun, das sich verändert habe.
Oliver Weisse von der Rio Bar: "Ich hatte tolle Gäste"
Zuletzt hat der Wirt offenbar immer öfter angespannte Situationen erlebt. "Die deutsche Jugend ist sehr offen und dann mischen sich Migranten darunter - und irgendwann gibt es Theater wegen Grapschereien", sagt er ganz offen. Es sei schwierig geworden bei der Auswahl, wen man in die Bar hineinlasse und wen nicht, ohne als Rassist zu gelten, meint er. Das alles führe dazu, dass er "keinen Bock mehr" habe. Dabei zieht sich Oliver Weisse nicht im Grant zurück, er schaut gerne auf die vielen Jahre in seiner Rio Bar zurück, die er "mein Wohnzimmer" nennt.
"Ich hatte tolle Gäste, bei denen ich mich auch bedanken möchte. Zu mir kamen alle, vom Rechtsanwalt bis zum Studenten, vom 85- bis zum 18-Jährigen. Genau diese Mischung hatte es ausgemacht." Auch prominente Besucher habe er gehabt. "Kurt Gribl, Alice Cooper, Nena, Helge Schneider ...", zählt er in einem auf. Die Idee für die Rio Bar kam Oliver Weisse einst in jungen Jahren aufgrund seiner Tätigkeit als Barchef auf dem Urlaubsschiff Seadream, wie er erzählt. "Wenn ich mich selbstständig mache, dann sollte es etwas werden mit Urlaubsfeeling." Zu den gefragtesten Getränken in der Rio Bar zählt sein Mojito. Oliver Weisse will in der Silvesternacht mit seinen Gästen ein letztes Mal feiern. Er gehe nicht in Wehmut. "Nein, ich schlage drei Kreuze."