Bildungsvermittler Harald Lesch und der Augsburger Universitätsprofessor Klaus Zierer wagen in ihrem Buch „Gute Bildung sieht anders aus“ einen Rundumschlag. Bloßes „herumdoktern“, wie es derzeit vielfach am Schulsystem passiere, bringe es nicht weiter. So würden nur „falsche Weichen“ gestellt, ist sich Zierer sicher und nennt im Gespräch als Beispiel etwa den Digitalisierungsprozess. Sie stellen Ideen vor, wie es anders, in ihren Augen freilich auch besser gemacht werden könnte. Darüber diskutieren sie am Freitagabend auch in Augsburg.
Um klare Worte ist Zierer, Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, nicht verlegen. Die 1:1-Ausstattung der bayerischen Schülerinnen und Schüler mit Tablets und Laptops hält er für eine „radikale Fehlentscheidung“. Das würde nicht nur viel Geld kosten. Die Finanzierung sei zudem noch nicht gesichert und einen Weg zurück gebe es bei der Vorgehensweise ebenfalls nicht. Zierer würde es viel besser finden, dass Tablets etwa mittels eines Tablet-Wagens gezielt im Unterricht eingesetzt würden, wo „es Sinn mache“ und nicht im „Gießkannenprinzip“ an alle ausgegeben werden. Kein Fünftklässler brauche das Gerät, ab der Sekundarstufe II sei der gezielte Einsatz im Unterricht zu überlegen, so der Universitätsprofessor. Von einer „Zwangsdigitalisierung des Unterrichts“ halte er nichts. Genauso wenig von einem zu frühen oder ständigen Einsatz der künstlichen Intelligenz ChatGPT. Das könne nur funktionieren, wenn ein Schüler bereits die „richtige Lernhaltung“ entwickelt habe.
Für Zierer ist die die Kürzung des Musikunterrichts ein „naiver Schritt“
Diese Themen werden unter anderem in ihrem Buch angesprochen, genauso wie etwa die Pisa-Studie oder Lehrpläne. Zierer und Lesch lenken einen umfassenden Blick auf Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler. Wo müsse „rangegangen werden“, was habe welche Auswirkungen auf das System. Dass nach dem schlechten Abschneiden bei der Pisa-Studie in Bayern in Grundschulen der Musikunterricht gekürzt wurde, um mehr Zeit für Lesen, Schreiben und Rechnen zu haben, hält er für einen „naiven Schritt“. Zierer: „Mehr an Unterricht führt nicht zu besseren Leistungen.“ Das Ziel ist ihrer Meinung nach ein „qualitätvollerer“ Unterricht. Durch eine „Entrümpelung“ des Lehrplans könnten Freiräume dafür geschaffen werden.
Für die Buchautoren sei auch wichtig, dass Schüler zu aktuellen Themen, wie Nachhaltigkeit, Demokratie oder Klimawandel einen guten Zugang finden. Möglich mache das etwa der Einsatz von Epochenunterricht. Aber auch andere Rahmenbedingungen müssten passen, damit der Bildungsprozess nicht gestört werde. Kürzlich habe er am Holbein-Gymnasium gesprochen. Dabei hätten man ihm die Herrentoiletten gezeigt, wo man „wirklich nur hingeht, wenn es anders nicht geht.“ Niemand erwarte den Luxus eines Fünfsternehotels, so Zierer, aber Verständnis dafür, dass Millionen für Tablets ausgegeben würden, aber kein Geld für „Primärbedürfnisse“ da sei, habe er nicht. Es müsse die Frage gestellt werden, was wichtiger sei.
Wichtig ist den beiden Autoren, dass durch ihre Ansätze Debatten angeregt werden. Bei der Veranstaltung am Freitagabend im Maria-Ward-Gymnasium, die vom Schulwerk der Diözese Augsburg und der Buchhandlung am Obstmarkt organisiert wird, diskutieren sie auch mit Digitalminister Fabian Mehring. Für die Lesung um 19 Uhr gibt es nur noch wenige Restplätze.
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