Dicker Rauch quillt über dem Augsburger Stadtteil Inningen in den blauen Himmel empor. Die schwarze, massive Säule ist bis in die Innenstadt zu sehen. Gerhard Bergmüller hat sich mit einem kühlen Bier an der Polizeiabsperrung positioniert. Der alteingesessene Inninger beobachtet, wie Feuerwehren mit Tanklöschfahrzeugen, Bauern mit ihren Güllefässern sowie Lkw mit Tankvorrichtungen ohne Unterlass die Alte Ziegelei ansteuern, um neues Löschwasser zu bringen. In einer Gewerbehalle am östlichen Ortsrand ist am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr ein verheerendes Feuer ausgebrochen. Feuerwehren aus Stadt und Umland, Polizei und Rettungsdienste rücken aus. In einem Bereich mit rund 15 Kilometern Durchmesser werden die Menschen gewarnt. Für die über 100 Einsatzkräfte der Feuerwehren bedeutet der Großbrand eine enorme Herausforderung. So lief der Einsatz.
Die große Halle, die offenbar einem Landwirt gehört, brennt am Montagnachmittag lichterloh. Gelegentlich sind Explosionsgeräusche zu hören, wohl, weil Gasflaschen in die Luft gehen. An der Alten Ziegelei befindet sich nicht nur ein Schrottplatz und ein Recyclinghof. Laut Zeugenaussagen sind in der Lagerhalle Oldtimer und Wohnmobile von Privateigentümern untergestellt, eine Altkleidersammlung sowie ein Lager mit Kunststoffen und Autoreifen sollen sich auch darin befinden. So genau weiß das anfangs aber keiner. Selbst für die Einsatzkräfte ist unklar, was alles in der großen Halle an brennbarem Material untergebracht ist.
Klar ist allerdings: Was immer es ist, es brennt gewaltig. Vor Ort sind neben der Werksfeuerwehr von Premium Aerotec und der Augsburger Berufsfeuerwehr die freiwilligen Wehren Inningen, Bergheim, Haunstetten, Oberottmarshausen, Bobingen und Königsbrunn im Einsatz; die Feuerwehrleute löschen unter anderem über zwei Drehleitern. Sie bekämpfen das Großfeuer von mehreren Seiten. Zudem fährt ein Feuerwehrfahrzeug vor, dessen gewaltige Ausmaße auffallen, es ist ein spezielles Einsatzfahrzeug der Bundeswehr, das am Lechfeld eingesetzt wird.
Großbrand in Augsburg-Inningen: Polizei setzt Drohne ein
Wassernebel wird über einen Großlüfter in Richtung der brennenden Halle verteilt – im Kampf gegen die immense Hitze. Rettungsdienste und Helfer unter anderem von Rotem Kreuz, Johannitern und Malteser Hilfsdienst stehen mit Fahrzeugen vorsorglich parat. Verletzte gibt es nicht, informiert Einsatzleiter Harald Erbe. Nur vorhin habe man sich um einen erschöpften Feuerwehrmann gekümmert. Für die meist ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer ist der Einsatz an diesem heißen Tag besonders anstrengend. Auch für sie wird Wasser angekarrt, allerdings in Flaschen und zum Löschen des Durstes. Die Polizei schickt eine Drohne in die Luft, um sich von oben ein Bild vom Ausmaß des Feuers zu machen. Die Aufnahmen zeigen, dass es an mehreren Stellen der Halle brennt. Über zwei Stunden später ist das Großfeuer immer noch massiv, auch wenn der Rauch heller wird. Es wird noch lange dauern, bis er gelöscht ist – vermutlich sogar bis in den nächsten Tag, davon geht Feuerwehrsprecher Anselm Brieger aus. Wie groß die Hitze in der Halle sein muss, zeigt sich bereits von außen: Mehrere große Stahlträger, die das Dach stützen, sind verbogen, das Dach hat dadurch eine Art Wellenform angenommen.
Auch Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch ist vor Ort. Er sagt, die Rauchentwicklung sei so kräftig, dass man mit der Warnung für einen Bereich mit einem Durchmesser von rund 15 Kilometern auf Nummer sicher gegangen sei. Die Warnung gilt damit für große Teile des Stadtgebiets. Anwohner werden aufgefordert, Fenster geschlossen zu halten. Über die Warnapps Katwarn und Nina wird die Situation als "extreme Gefahr" eingestuft. Der Rauch ist auch in der Augsburger Innenstadt zu riechen. Ein Asylheim, das sich direkt neben dem betroffenen Areal in Inningen befindet, wurde wegen des Brandes geräumt. Rund 80 Personen mussten das Gebäude verlassen.
Lagerhalle in Inningen brennt: "Das ist so schnell gegangen"
Philipp Sandner und seine Mitarbeiterin Dilara Yildirim hatten sich gerade in der Lagerhalle aufgehalten, als es anfing zu brennen. Nahezu fassungslos schauen sie nun den Löscharbeiten zu. Sandner ist der Geschäftsführer eines Obsthandels. Mit seinen Ständen reist er durch ganz Deutschland, um Früchte und italienische Antipasti zu verkaufen. Seine zehn Stände hatte er in der Halle deponiert. "Wir wollten die Marktstände heute vorbereiten", erzählt er. "Übernächste Woche sind wir damit auf Rügen – falls noch was übrig ist." Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe hat Sandner keine Hoffnung. "Das ist so schnell gegangen", sagt seine Kollegin. Beide hätten gesehen, wie es weiter oben an der Halle plötzlich zu qualmen begann. Schnell hätten sie das Gebäude verlassen. Bald sei die Halle in Flammen gestanden. Auslöser der Großbrands war laut Polizei wohl ein Defekt im Bereich der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Lagerhalle. Das rund 7000 Quadratmeter große Dach war nahezu komplett mit Solarmodulen belegt.
Etwas aufgeregt ist auch Jürgen Pfadler. Mit seinem kleinen Sohn steht er in sicherem Abstand an einer Wiese und beobachtet die Löscharbeiten. Eigentlich will er mit jemandem reden, von den Einsatzkräften aber hat freilich in diesem Moment keiner für ihn Zeit. "Ich wollte mich nach unserem Wohnmobil erkundigen, der steht ziemlich weit vorn in der Halle", meint er. Im Sommer wollte die Familie mit dem Gefährt nach Norwegen in den Urlaub fahren. Pfadler erzählt, er habe am Wochenende noch das Fest der Feuerwehr Bergheim besucht. "Da wurde gesagt, dass es schon lange keinen großen Einsatz mehr gegeben hat." Bis jetzt.
Löscharbeiten der Feuerwehr dauerten in Innigen die ganze Nacht an
Ein Anwohner, der mit dem Fahrrad zum Einsatzort gekommen ist, zeigt sich froh, dass der Wind den Rauch nicht in den Ort getrieben hat. Der 76-jährige Gerhard Bergmüller, der sein Bier auf einer Mülltonne abgestellt hat, beobachtet weiter, wie die Fahrzeuge Löschwasser heranfahren. "In Inningen wird zusammengehalten und geholfen, das ist das Schöne hier", sagt er.
Einsatzkräfte der Feuerwehr waren die ganze Nacht über an der Lagerhalle, um den Großbrand zu löschen. Laut Polizei dauerten die Löscharbeiten um 23.30 Uhr immer noch an. Inzwischen sei das Feuer gebannt, wie die Berufsfeuerwehr Augsburg mitteilt. Einsatzkräfte sind jedoch weiter vor Ort. Es laufen kleinere Nachlöscharbeiten. Der Sachschaden liegt im unteren siebenstelligen Bereich.