Siegfried Weida betreibt seit 22 Jahren mit seinem Partner Marcus Seebald eine Zahnarztpraxis im Augsburger Weberhaus. Die Fenster der Praxis gehen Richtung Moritzplatz. Bohren gehört zum Tagesgeschäft des 54-jährigen Arztes. Da wird es auch mal etwas laut, wenn ein Patient auf dem Behandlungsstuhl sitzt. Derzeit kommen aber extrem laute Bohr- und Hämmergeräusche von außen. Direkt am Moritzplatz ist eine Großbaustelle, die Dimension ist riesig: Neue Straßenbahngleise werden verlegt. Der Lieferverkehr ist bis Ende der Sommerferien stark beeinträchtigt, Gäste von Lokalen sitzen vor Bauzäunen. Man hört, wie schwere Schienenteile in einen Container geworfen werden. Jedwede Aufenthaltsqualität ist verschwunden. So reagieren Geschäftsleute und Passanten auf die Baustelle.
Erreichbarkeit der Geschäfte und Lokale am Moritzplatz ist eingeschränkt
Es ist nicht nur der Baulärm, der zu schaffen macht. Die Erreichbarkeit ist eingeschränkt. Nadja Weida, die ebenfalls als Zahnärztin in der Praxis tätig ist, war am Montag bass erstaunt. "Ich habe mich glatt etwas verlaufen", berichtete sie. Dass die Stadtwerke Augsburg die Baustelle in die Sommerferien gelegt haben, kann Siegfried Weida nachvollziehen. Ihn ärgert aber, dass weitere Unannehmlichkeiten auf Geschäftsleute und Anwohner zukommen: "Wegen Bauarbeiten ist eine Tiefgarage im Bleigässchen gesperrt." Die Parkplatzsuche im Umfeld des Moritzplatzes werde noch komplizierter. "Man könnte doch die Parkplätze beim Zeughaus tagsüber freigeben", meint Weida.
An Tischen vor dem Café Dichtl in der Maximilianstraße sitzt mittags kein einziger Gast. "Normalerweise sind sie um diese Uhrzeit gut besetzt", sagt Inhaberin Susanne Dichtl. Ein Blick in ihre Abrechnung-App macht das Problem greifbar: "60 Prozent weniger Umsatz als heute vor einer Woche." Dass die Schienenarbeiten notwendig sind, sei klar - aber das Timing sei schlecht. "Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Baustelle schon am Samstag angefangen hat - während La Strada und der Kanuslalom-WM", wundert sie sich. Den Umsatz an diesem sonnigen Tag hätte das Caféhaus gut gebrauchen können. Zumindest ist es im zweiten Außenbereich des Cafes, der in Richtung Fuggerplatz geht, am Montagmittag etwas ruhiger. Einige Gäste haben sich dort niedergelassen.
Gastronomin am Moritzplatz ärgert sich über Zeitplan der Bauarbeiten
Anita Babic vom Restaurant Il Gabbiano geht in ihrer Kritik einen Schritt weiter. "Was ist denn in den sieben Wochen Lockdown geschehen, in denen kein Mensch in der Stadt unterwegs war?", fragt die Gastronomin. Nach all den geschäftlichen Rückschlägen der vergangenen zwei Jahre hält sie den Zeitpunkt der Baustelle während der Hauptsaison als unpassend. Gäste wollten nicht an der Baustelle ihr Mittagessen zu sich nehmen, viele gingen angesichts des Lärms wieder.
Bei den Stadtwerken weiß man um Unannehmlichkeiten. Sprecher Jürgen Fergg sagt: "Natürlich bringt eine solche Baumaßnahme Beeinträchtigungen mit sich." Klar sei aber auch, dass eine so umfangreiche Baumaßnahme nur in den Sommerferien und nur unter erheblichem Zeitdruck mit detaillierter Planung zu machen sei. Alle Mitarbeiter und die beauftragten Firmen würden mit Hochdruck arbeiten.
Stadtwerke äußern sich zum Baubeginn am Samstag
Dass die Bauarbeiten am Samstag gestartet sind, hat viele Augsburg-Besucher gewundert. Es handelte sich um das Abschlusswochenende der Kanuslalom-Weltmeisterschaft, in das zudem das Straßenkünstlerfestival La Strada eingebunden war. Am Moritzplatz waren die Wegebeziehungen wegen der eingezäunten Baustelle beschränkt, wie dies auch in den nächsten Wochen der Fall sein wird. Hätte man am Montag anfangen können? Nein, heißt es bei den Stadtwerken. Fergg: "Es ist ein mit allen Beteiligten abgestimmter Zeitplan." Die WM-Organisatoren wussten ebenso Bescheid wie die Macher von La Strada sowie Gastronomen und Einzelhändler. Fergg betont: "Wir brauchen tatsächlich jeden Arbeitstag, um die Linien 1 und 2 zum Schulstart im September wieder in Betrieb nehmen zu können." Der Zeitplan sei eng. Die Arbeiten seien für jeden Tag im Detail durchgeplant.
Gearbeitet wird im Zweischichtbetrieb von 6 bis 21 Uhr
Es wird im Zweischichtbetrieb von 6 bis 21 Uhr gearbeitet, um bis Schuljahresbeginn mit den Gleisarbeiten fertig zu werden. An Wochenenden, also samstags und sonntags, sowie an Feiertagen wird nicht gearbeitet. Ausnahme war der zurückliegende Samstag. Mit den Abbrucharbeiten musste begonnen werden, so Fergg. Wegen dieser Arbeiten bleibt es wohl bis Donnerstag, 4. August, sehr laut, doch das Projekt am Moritzplatz hätte keinen weiteren Aufschub geduldet, sagt Fergg. "Der Austausch der Gleise und Weichen ist nach 18 Jahren unter erheblicher Belastung durch zwei Linien sowie ein- und ausrückenden Fahrzeugen zwingend notwendig."
Weil das Durchfahren der Maximilianstraße und der Bürgermeister-Fischer-Straße wegen der Baustelle nicht möglich ist, müssen Rettungsfahrzeuge andere Routen wählen. "Alle Einsatzkräfte der Polizei wissen über die Verkehrssituation Bescheid", sagt ein Sprecher. Die Polizei könne genügend alternative Anfahrtswege nutzen. Daher rechne man auch nicht mit längeren Anfahrtszeiten zu Einsatzorten.
Nicht nur am Moritzplatz gibt es eine Großbaustelle in den Ferien. Für Ärger sorgt eine weitere Baustelle in der Barfüßerstraße. Es gibt massive Staus in der Altstadt.