Marco erzählt. Wie herzensgut seine Freundin war, wie schön sie war. Sie wollten im September in den Urlaub fliegen und demnächst zusammenziehen. Der 21-Jährige berichtet, dass sie am Freitagabend noch zum Augsburger Plärrer wollten, um sich das Feuerwerk anzuschauen. Doch dann passierte das Unvorstellbare, diese Tragödie. Jetzt steht Marco mit seiner Clique auf dem Parkplatz von Ikea. Der junge Mann betrachtet die Grablichter und Blumen. Er sagt, er könne nicht mehr weinen. Seine Freundin ist tot. Gestorben bei dem Unfall am Freitagabend, der für Aufsehen sorgt. Vor allem aber wirft der Unfall Fragen auf. Was muss passieren, dass ein Auto in der Stuttgarter Straße, nahe Ikea, von der Straße abkommt, einen Zaun durchbricht, regelrecht über den Parkplatz des Möbelhauses schießt? Während die Polizei wegen fahrlässiger Tötung ermittelt, müssen Marco und sein Freund mit ihrer Trauer, mit dem Schock klarkommen. Die beiden saßen auch in dem Unglücksauto.
Marco sagt, er sei mit seinem Freund auf der Rückbank des Autos gesessen. Seine 21 Jahre alte Freundin hatte vorne auf dem Beifahrersitz Platz genommen. "Sie saß in Autos immer vorne, ihr wurde hinten schnell schlecht." Die fatale Fahrt am Freitagabend habe nur kurz gedauert. "Wir fuhren los, 15 Sekunden später war sie tot." Am Steuer des Autos, das die Polizei als ein "hochmotorisiertes" Fahrzeug beschreibt, saß ein 53 Jahre alter Mann. Marco erzählt, um was für ein Modell es sich handelte - und wie es zu der tödlichen Spritztour kam.
Vor rund einem Monat lernten sie den Unfallfahrer kennen
Die Freunde hatten sich, wie an so vielen Abenden, an der Aral-Tankstelle am Gablinger Weg verabredet. Die Tankstelle ist in der Auto- und Tuningszene als Treffpunkt beliebt. Während der Corona-Pandemie, als viele Clubs und Discos geschlossen hatten, wurde die Tankstelle besonders stark frequentiert. Teils sitzen die Leute sogar mit mitgebrachten Campingstühlen auf dem Gelände. "Jeder von uns mag Autos, die Getränke sind billig und die Aral liegt für uns alle super zentral", erklärt einer aus der Clique. Vor rund einem Monat, erinnert sich Marco, habe man dort den 53-Jährigen kennengelernt. "Wir haben uns gut verstanden. Er erzählte uns noch, dass er beim Autofahren inzwischen ruhiger geworden sei."
Der Mann habe ihnen von seiner kleinen Werkstatt berichtet und von einem besonderen Auto eines Kunden mit viel PS. Am Freitag sei er dann tatsächlich das erste Mal mit diesem Auto an der Tankstelle aufgekreuzt. "Ein Mercedes Brabus GLS 63 AMG - mit 800 PS", erzählt Marco. Der könne von null auf Tempo 200 in sieben Sekunden beschleunigen, ergänzt sein Kumpel. Marco erzählt weiter. "Er fragte uns, ob wir mit ihm eine kleine Runde drehen wollen." Die zwei Freunde und die 21-Jährige stiegen ein. "Wir dachten, er fährt mit uns über die B17 auf die Autobahn." Doch stattdessen habe der Fahrer kurz nach der Tankstelle schon auf der Stuttgarter Straße beschleunigt. "Auf über 200 km/h", sagen beide. Da seien sie sich sicher. Das Auto kommt von der Straße mit zwei Kurven ab, muss dabei knapp an einem Laternenmast vorbeigeschossen sein. Ab da zeigen noch am Montag die Spuren den weiteren Verlauf.
Tödlicher Unfall bei Ikea: "Das Auto hob dreimal ab"
Der Holzzaun am Anfang des Ikea-Parkplatzes ist kaputt. Das Auto ist durch die Holzlatten gebrochen, dann über den Parkplatz, der rund eineinhalb Meter unterhalb der Böschung liegt, geschanzt. Dort sind immer noch schwarze Reifenspuren zu sehen: Sie ziehen sich dann noch über rund 30 Meter über den Parkplatz und enden an einer Sammelstelle für Einkaufswagen. Das Areal ist immer noch abgesperrt. Auch wenn der hintere Teil des Parkplatzes zum Unfallzeitpunkt um kurz nach 19 Uhr weitgehend leer war, sprechen Augenzeugen und Einsatzkräfte später von Glück, dass das Auto keine anderen Verkehrsteilnehmer oder Passanten erfasst hat.
"Das Auto ist insgesamt dreimal abgehoben", sagt Marco. Seine Freundin sei sofort tot gewesen. "Ich rief ihren Vater an. Das war so schwer." Der junge Mann erzählt ausführlich. Es ist offensichtlich, dass es ihm guttut, um das Schreckliche zu begreifen. Er will auch, dass "die Wahrheit an die Öffentlichkeit kommt". Auf Facebook und im Internet würde so viel Mist verbreitet. Wie etwa, dass ein Reifenplatzer schuld gewesen sein soll. "So ein Quatsch", meint er. "Der Reifen war erst nach dem Unfall kaputt."
Kriseninterventionsdienst war auf Ikea-Parkplatz im Einsatz
Dieter Lenzenhuber weiß, wie wichtig das Reden für viele Betroffene ist. Mit drei Kolleginnen vom Kriseninterventionsdienst des BRK Augsburg-Land half der 60-Jährige am Freitagabend über mehrere Stunden am Einsatzort mit. Das Team kümmerte sich nicht nur um die Augenzeugen, sondern vor allem um die Angehörigen der getöteten jungen Frau, die zum Unfallort eilten. Ihnen habe man später, nachdem ein Gutachter seine Arbeit so weit abgeschlossen hatte, einen Abschied von der 21-Jährigen ermöglicht.
Abschiednehmen sei ein wichtiger Faktor, um das Geschehene begreifen zu können, meint Lenzenhuber. "Wir bieten es Hinterbliebenen immer an." Bei der Polizei, die nun wegen eines Unfalls mit fahrlässiger Tötung ermittelt, gibt man sich bedeckt. Es wird lediglich bestätigt, dass es sich bei dem Auto um einen hochmotorisierten Mercedes SUV handelt. Eine normale Geschwindigkeit sei eher unwahrscheinlich. Ob Alkohol oder Drogen eine Rolle gespielt haben könnten, auch dazu wird nichts gesagt. Bis zum Abschluss des Gutachtens könne es noch einige Zeit dauern, heißt es.
Marco hat eine frische Tätowierung an seinem rechten Arm: Rosen und Schmetterlinge. Motive, die seine Freundin selbst auf ihrem linken Arm trug. "Ich habe es mir gleich noch am Samstag stechen lassen", sagt der 21-Jährige. Äußerlich scheint er gefasst. Wie es in ihm aussieht, das weiß nur er selbst.