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Augsburg: Gerd Merkle nimmt Abschied: Ein Gestalter der Stadt geht in den Ruhestand

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Gerd Merkle nimmt Abschied: Ein Gestalter der Stadt geht in den Ruhestand

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    Gerd Merkle auf der Dachterrasse des Baureferats in der Maximilianstraße: 15 Jahre lang prägte der Baureferent das Gesicht der Stadt, jetzt geht er in den Ruhestand.
    Gerd Merkle auf der Dachterrasse des Baureferats in der Maximilianstraße: 15 Jahre lang prägte der Baureferent das Gesicht der Stadt, jetzt geht er in den Ruhestand. Foto: Silvio Wyszengrad

    Viel Zeit zum Verschnaufen gibt es nicht für Baureferent Gerd Merkle (CSU): Stadtteilbürgerversammlung vergangene Woche im Roncallihaus in Göggingen, die Oberbürgermeisterin spricht ein paar einführende Worte, dann tragen die ersten Bürger ihre Anliegen vor. Es dauert nicht lange, bis Merkle ranmuss. Es geht um den Quartiersplatz im Neubauviertel an der Friedrich-Ebert-Straße, Tempo 30, eine zusätzliche Ampel, die Neugestaltung der Bürgermeister-Aurnhammer-Straße und, und, und. Am Ende des Abends wird Merkle am längsten von allen Referenten gesprochen haben, wie eigentlich bei jeder Bürgerversammlung. 

    Das liegt nicht so sehr an der Person Gerd Merkle, sondern am Zuständigkeitsbereich des Baureferats. Probleme sind für Bürger sofort sichtbar, Anliegen sofort benennbar. Und jeder ist irgendwie betroffen. Merkle, von dem Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) scherzhaft sagt, dass er jeden Kanaldeckel mit Vornamen kenne, weiß zu jedem Thema eine Antwort, auch wenn sie die Bürger nicht immer zufriedenstellt. Merkle hat das in 15 Jahren als Baureferent häufig erlebt. Es gehe häufig darum, kontrovers zu diskutieren und am Ende die beste Lösung zu suchen. Insgesamt 1400 Bürgerveranstaltungen hat er mitgemacht, am kommenden Mittwoch hat er seinen letzten Tag. Merkle hatte sich zu Beginn der Amtsperiode nur für drei Jahre wählen lassen, weil er mit jetzt 64 Jahren aus Altersgründen aufhören wollte.

    Den Umbau des Kö hat Merkle als "aufreibend" in Erinnerung

    Verbinden wird man mit seiner Amtszeit wohl am stärksten den Innenstadtumbau mit Königsplatz, Fußgängerzone und Maximilianstraße vor gut zehn Jahren. Die damals neu angetretene Gribl-Regierung musste eine Alternative zur in einem Bürgerentscheid durchgefallenen Planung der vorherigen Wengert-Regierung liefern, und sie lieferte. Aber es gab heftige Auseinandersetzungen und sogar einen erneuten (wenn auch erfolglosen) Bürgerentscheid. "Die Jahre bis zur Umsetzung waren sehr aufreibend", erinnert sich Merkle. "Am Ende aber überwiegt die Freude, den Wandel mitgestalten zu dürfen." Die unvollendete Fuggerstraße sei freilich eine "Wunde im Herzen der Innenstadt", die geschlossen werden müsse. 

    Fragt man Merkle, was ihm rückblickend am wichtigsten ist, dann sind es nicht die großen Projekte wie Staatstheater oder der Innenstadtumbau. Viele kleine Maßnahmen in den Stadtteilen seien das gewesen, was ihm am meisten Spaß gemacht hat: die Gestaltung des Elias-Holl-Platzes, der Friedensplatz in Oberhausen, der Westpark auf dem Kasernenarealen, Floßlände, Zwölf-Apostel-Platz … Die Freude bei Bürgern in den Stadtteilen, wenn etwas lange Gewünschtes umgesetzt werde, sei motivierend. 

    "Grundidee der Stadtplanung hat sich grundlegend verändert"

    In Merkles Amtszeit haben sich die Anforderungen an den Städtebau erheblich geändert. Was vor 20 Jahren zumindest in Augsburg noch kein Thema war, wurde erst ein Diskussionspunkt und wurde dann schrittweise Realität: Fahrradwege auf Autospuren, Lastenradstellplätze in Neubaugebieten, eine Sozialquote in Neubaugebieten, verdichtetes Bauen angesichts des Wohnungsmangels, eine Stadt der kurzen Wege. "Die Grundidee der Stadtplanung hat sich über die letzten Jahrzehnte grundlegend verändert", so Merkle. In einer 2000 Jahre alten Stadt sei das nicht immer einfach. Und auch politisch gibt es Diskussionen. Merkle, seit 1990 CSU-Mitglied, sagt, er stehe hinter dem Ausbau der Fahrradinfrastruktur, weil die Steigerung des Radverkehrsanteils ein strategisches Ziel sein müsse. Diese Erkenntnis hatte er vor vielen anderen in seiner Partei. Doch bei manchen Details hat man Merkle angemerkt, dass ihm die Ideen des grünen Koalitionspartners zu weit gehen. Das war etwa bei der Stellplatzsatzung der Fall, die große Stellflächen für Lastenräder vorsieht. "Die inhaltlichen Festlegungen der Stellplatzsatzung wurden in vielen Punkten politisch bestimmt und vom Stadtrat beschlossen", sagt Merkle. Grundsätzlich, betont er, sei eine verantwortungsbewusste Stadtentwicklung aber weder schwarz, rot, grün oder gelb. 

    Qualität müsse immer an oberster Stelle stehen, weil das, was man heute plane, über viele Jahre Bestand haben werde. Haunstetten Südwest, das neue Quartier für mindestens 10.000 Einwohner, werde sich daran messen lassen müssen. "Es bietet die besten Voraussetzungen, ganzheitlich und nachhaltig entwickelt zu werden." Herausforderungen wie Klimawandel, Mobilität, soziales Zusammenleben könnten hier beispielhaft gelöst werden. Sein Nachfolger Steffen Kercher, der am Donnerstag die Amtsgeschäfte übernimmt, wird diesen Prozess weiter begleiten. 

    Wie geht es in der Überstunden-Angelegenheit weiter?

    Schlagzeilen gab es vor einem Jahr wegen der Überstunden, die noch vor Merkles Wahl zum Baureferenten 2008 als leitender Angestellter im Baureferat angefallen waren. Der Zeitwert beträgt dem Vernehmen nach um die drei Jahre, der Geldwert liegt bei etwa 200.000 Euro. Merkle sagt, er habe nie einen bestimmten Geldbetrag gefordert, sondern die Stadt um Aufklärung gebeten, wie mit den Überstunden auf dem Langzeitkonto umgegangen werden solle. Die Berichterstattung, die deutschlandweite Kreise zog, habe dazu geführt, dass er Hassmails bekomme habe. Wie berichtet schlägt eine von der Stadt beauftragte Anwaltskanzlei vor, dass Merkle nun sein Rückkehrrecht zur Stadt Augsburg wahrnimmt und dort – rein formal – wieder als städtischer Angestellter anfängt, freilich ohne jemals ein Büro zu betreten. Dann würde er bis zum gesetzlichen Rentenalter Überstunden abbauen und den Rest ausbezahlt bekommen. Merkle sagt, er werde fristwahrend entscheiden, welchen Weg er einschlage. 

    Für seine persönliche Zukunft erhofft sich Merkle mehr Zeit mit seinen Kindern und Enkelkindern. "Darüber hinaus blieben viele Hobbys und manche unerledigte Arbeit liegen. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr." Für dieses Jahr hat Merkle, der meist schon kurz nach 6 Uhr morgens im Büro aufschlug und abends oft als Letzter ging, mehrere Urlaubsreisen geplant, damit es keine Vollbremsung von 100 auf 0 gibt. Ob er noch mal etwas anderes anpackt, lässt der Architekt für den Moment offen. 

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