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Augsburg: Über 90 Jahre hatten sie einen Stand: Familie Uhl hört auf dem Stadtmarkt auf

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Über 90 Jahre hatten sie einen Stand: Familie Uhl hört auf dem Stadtmarkt auf

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    Heike und Peter Uhl geben Ende des Jahres ihren Gemüsestand auf dem Augsburger Stadtmarkt auf. Die Gärtnerei mit Hofverkauf in der Hammerschmiede führt das Ehepaar aber weiter.
    Heike und Peter Uhl geben Ende des Jahres ihren Gemüsestand auf dem Augsburger Stadtmarkt auf. Die Gärtnerei mit Hofverkauf in der Hammerschmiede führt das Ehepaar aber weiter. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Zwischen Grünkohl, Rüben und Sellerie sind die Gefühle in der Gemüsegasse gerade in Aufruhr. Heike und Peter Uhl lassen sich aber nichts anmerken. Auf dem Stadtmarkt verkauft das Ehepaar seinen Kundinnen und Kunden Gemüse, Kräuter, Salate. Wie halt jeden Tag – seit über 40 Jahren. Doch die Uhls stehen vor einem besonderen Einschnitt. Einem, der innerlich auch schmerzt. Am 31. Dezember ist Schluss. Dann fahren die Uhls an ihrem Stand auf dem Augsburger Stadtmarkt für immer die Rollläden herunter. Peter Uhl, der für die CSU im Stadtrat sitzt, ist in diesen Tagen besonders aufgewühlt. Vor allem ihm fällt der Abschied schwer. Verständlich, wenn man einen Blick hinter die Kulisse der Familie wirft.

    Mittags auf eine Suppe mit den Uhls in der Markgaststätte des Stadtmarktes. Beide wärmen sich auf. "Diese Kälte", sagt Heike Uhl, die mehrere Kleidungsschichten trägt, "die werde ich jedenfalls nicht vermissen." Jetzt, wo der Abschied tatsächlich kurz bevorsteht, schaut man vielleicht besonders auf die Vorteile, die so eine schwere Entscheidung mit sich bringt. Peter Uhl hat am meisten daran zu knabbern, auch wenn er und seine Frau die Gärtnerei in der Hammerschmiede mit Hofverkauf weiterführen. Dem 62-Jährigen macht zu schaffen, dass ausgerechnet er derjenige ist, der den familiären Traditionsbetrieb auf dem Stadtmarkt beenden muss. 

    Peter Uhl übernahm mit 19 Jahren Gärtnerei und Stadtmarkt-Stand

    Schon Uhls Großeltern hatten das selbst angebaute Gemüse einst auf Märkten an der MAN-Brücke und an der Floßlände verkauft. Als der Stadtmarkt 1930 eröffnete, bezogen die Uhls einen der ersten Stände. Die nächsten Generationen führten ihn weiter. "Ich habe zwei Geschwister. Einer von uns musste Gärtner werden, in der Familie fielen da die meisten Augen auf mich", sagt Uhl und lacht kurz auf. Mit 19 Jahren hatte er gerade seine Gärtnerlehre hinter sich gebracht, als der Vater starb. Mit seiner jetzigen Frau war er da schon zusammen, aber noch nicht verheiratet. Die beiden hatten sich auf dem Junggärtnerball in der Rosenaugaststätte kennengelernt. Heike Uhl erinnert sich, dass der frühe Tod des künftigen Schwiegervaters erstmal ein Schock war – auch angesichts der Verantwortung, so jung das Geschäft zu übernehmen. 

    Den Augsburger Stadtmarkt gibt es seit 1930. Er war einst der Nachfolger der Stadtmetzg, des Fisch- und Obstmarktes und der Augsburger Straßenmärkte. Auf ihm wurden alle Märkte vereint.
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    Der Augsburger Stadtmarkt wurde im Oktober des Jahres 2020 schon 90 Jahre alt. Wir nehmen Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit.

    "Meine Mutter sagte zu mir: Du weißt von daheim, was das bedeutet, denk daran", erzählt die 63-Jährige, deren Familie einen eigenen Blumenladen hatte. Heike und Peter Uhl entwickelten nicht nur für den Betrieb und die Familie, sondern vor allem gegenüber ihren Kunden ein Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein, das in der heutigen Zeit wohl immer seltener wird. "Das Geschäft stand bei uns immer an erster Stelle", sagt Uhl. Sogar nach der Trauung sei er noch aufs Feld gegangen, um sich um die Salatpflanzen zu kümmern. "Wir haben uns immer als Dienstleister gesehen", meint Uhl, der seine Gärtnerei und die Gemüsefelder in der Hammerschmiede hat. Und als solcher wollte er verlässlich sein. Das bedeutete viel Arbeit.

    Die Uhls sind in Sorge um den Augsburger Stadtmarkt

    In der Früh um sieben Uhr sperrten die Uhls ihren Stand auf. "Wir hatten eine Öffnungszeit von 63 Stunden die Woche." Dazu zwei bis drei Mal wöchentlich davor schon zum Großmarkt nach München, dann die Gärtnerei und der Hofverkauf. Bei so einem Pensum ist es nachvollziehbar, warum Peter Uhl ein erklärter Gegner längerer Öffnungszeiten am Samstag auf dem Stadtmarkt ist. Der Markt mitten in Augsburg liegt ihm am Herzen. Uhl war jahrelang im Vorstand des Marktbeirats und des Fördervereins. Der zunehmende Leerstand und die inzwischen unterschiedlichen Öffnungszeiten der einzelnen Stände beobachtet das Ehepaar sorgenvoll. Sie wissen es selbst nur allzu gut: Es fehlt an Personal und Nachfolgern. Auch ihnen. Deshalb schließen die Uhls Ende des Jahres.

    Drei Verkäufer bräuchten sie an ihrem Stand, zum Schluss hätten sie nur noch eine Mitarbeiterin gehabt. Ihre drei Söhne haben andere Berufswege eingeschlagen, für die Eltern völlig in Ordnung. Auf ihre Jungs hätten sie in Notfällen dennoch immer bauen können. "Dann hat der Dr. jur. halt auch mal Salat gepflanzt." Über drei Jahre, sagt Heike Uhl, haben sie nach Nachfolgern gesucht – ohne Erfolg. "Wir hätten gerne noch weitergemacht, aber unter diesen Umständen wird das alles im Alter irgendwann zu viel", so die 63-Jährige.

    Sie freut sich jetzt vor allem, mehr Zeit für die Familie und die Enkelkinder zu haben. "Es ist alles gut, wie es ist. Es war eine schöne Zeit auf dem Stadtmarkt, wir hatten viele treue Kunden. Aber alles hat seine Zeit." Ehemann Peter Uhl ist es offenkundig schwerer ums Herz. Hin und wieder wischt sich der Mann, der von sich selbst sagt, er könne manchmal grantig sein, verstohlen über die Augen. Er kann nicht ohne Stadtmarkt. Künftig werde er ihn als Kunde besuchen. "Und dann werde ich mich samstags beschweren, dass der Markt schon um 14 Uhr zumacht", witzelt der Gärtner mit Leib und Seele.

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