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Augsburg: Faustschlag am Kö war fast tödlich: 19-Jähriger muss drei Jahre in Haft

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Faustschlag am Kö war fast tödlich: 19-Jähriger muss drei Jahre in Haft

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    Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern Michael Menzel, Marco Müller und Ulrich Swoboda (v.l.)
    Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern Michael Menzel, Marco Müller und Ulrich Swoboda (v.l.) Foto: Ina Marks

    Der Faustschlag kommt wie aus dem Nichts. Durch den Zuschauerraum geht ein Raunen. Das Video, das im Verhandlungssaal abgespielt wird, zeigt, wie das Opfer durch die Wucht des Schlages rückwärts umkippt. Der Mann knallt auf den Boden und bleibt reglos liegen. Die beiden jungen Männer rennen weg. Überwachungskameras der Polizei hatten die Gewalttat am Königsplatz am frühen Morgen des 31. Dezembers 2022 aufgezeichnet. Sie endete beinahe tödlich. Zwei inzwischen 19-Jährige mussten sich am Donnerstag vor dem Augsburger Jugendschöffengericht verantworten. Einer von ihnen, Manuel R. (Name geändert) sitzt seit der Tat in einem Münchner Gefängnis in Untersuchungshaft. Ihm wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. In der Verhandlung fließen Tränen.

    Der 44-jährige Mann hatte an jenem Morgen nur überlebt, weil ein Polizist ihn am Bahnsteig A1 des Königsplatzes reanimierte, bis der Rettungsdienst eintraf. "Sie haben ihm das Leben gerettet", sagt Jugendrichter Bernhard Kugler zu dem Zeugen. Der Beamte des Innenstadtreviers, der glücklicherweise eine Ausbildung zum Notfallsanitäter hat, hat soeben geschildert, wie das Opfer erst noch geröchelt, dann aber zum Atmen aufgehört hatte. 

    Die Mutter von Manuel R., die den Prozess verfolgt, schluchzt. Immer wieder muss sie weinen. Ihr Sohn gilt als Hauptverdächtiger. Der Angeklagte, er wird von den Anwälten Marco Müller und Ulrich Swoboda verteidigt, räumt die Vorwürfe gegen ihn vollumfänglich ein, auch den fatalen Faustschlag. Angesichts der Videoaufzeichnung bleibt ihm ohnehin nichts anderes übrig. Auch der mitangeklagte Kevin S. (Name geändert, Verteidiger: Michael Menzel) gibt zu, einmal zugeschlagen zu haben. Beide schildern die verhängnisvolle Begegnung.

    Die Tat ereignete sich auf dem zentralen Königsplatz in Augsburg.
    Die Tat ereignete sich auf dem zentralen Königsplatz in Augsburg. Foto: Annette Zoepf

    Nach einem Disco-Besuch warteten die beiden Freunde an jenem frühen Morgen kurz vor sechs Uhr am Königsplatz auf ihre Straßenbahn, als sie von dem 44-Jährigen angesprochen wurden. Der ältere Augsburger war erheblich alkoholisiert. Laut einer Rechtsmedizinerin hatte er zur Tatzeit maximal 2,7 Promille Alkohol im Blut. Kurz zuvor hatte der Betrunkene an einer nahe gelegenen Bäckerei für einen Polizeieinsatz gesorgt, weil er dort gegen die Scheibe gehämmert hatte und was zu essen wollte. Das Geschäft hatte noch geschlossen. Der Mann habe etwas von ihnen gewollt, erzählen die Angeklagten. Ob Geld oder Zigaretten, das wissen beide nicht mehr genau. Dafür aber, dass der Unbekannte ihnen gegenüber aggressiv geworden sei. Tatsächlich ist auf dem Video zu sehen, wie der 44-Jährige nach einer Diskussion eine Art Boxerhaltung einnimmt und Kevin S. angreift. 

    Fast tödlicher Faustschlag am Augsburger Kö: Opfer lag im Koma

    Beide gehen zu Boden. Das Gerangel gerät aus dem Sichtfeld der Kamera. Die Staatsanwaltschaft wirft Manuel R. vor, in der Situation auf den 44-Jährigen eingetreten zu haben. Sein Freund sagt dazu: "Er half mir. Ich wüsste nicht, was sonst mit mir passiert wäre." Die Lage, wie im Video weiterzusehen ist, beruhigt sich vorübergehend. Der Ältere und die beiden Jüngeren, die auch deutlich alkoholisiert waren, gehen auseinander. Einen Augenblick später kehrt der 44-Jährige zu dem Duo zurück. Es wird erneut diskutiert. Plötzlich holt Manuel R. aus und versetzt dem Opfer den fatalen Faustschlag ins Gesicht. Vor Gericht sagt er, er habe Angst vor dem Mann gehabt. Für Richter Bernhard Kugler und Staatsanwalt Thomas Junggeburth wenig glaubhaft. Aufgrund seiner Alkoholisierung sei der Mann der Schwächste von allen gewesen. 

    Zwei Wochen lang lag das Opfer (Nebenklagevertreter: Anwalt Hansjörg Schmid) im Koma. Seine Arbeit als Lagerarbeiter, so erklärt der Geschädigte selbst vor Gericht, könne er nicht mehr aufnehmen. Seine Erinnerungen an die Tat selbst seien ausgelöscht. Ein Neurologe erklärt die Langzeitfolgen, die der 44-Jährige erlitten hat. Er müsse wieder bei seiner Mutter leben, um den Alltag zu bewältigen, leide seitdem unter epileptischen Anfällen. Wie massiv die Verletzungen waren, veranschaulicht eine Rechtsmedizinerin anhand eines Schädelmodells. Mehrere Frakturen, Gehirnblutungen, Schwellung des Gehirns - die Liste ist lang. Manuel R., der eine Ausbildung zum Fliesenleger macht, stand schon einmal vor dem Jugendschöffengericht - erst acht Wochen vor der Tat am Königsplatz.

    Prozess in Augsburg: Mutter des Verurteilten ist in Tränen aufgelöst

    Ebenfalls wegen Körperverletzung. "Da scheine ich nicht den nötigen Eindruck auf sie gemacht zu haben", merkt der Vorsitzende Richter an. "Sie haben eine enorm hohe Rückfallgeschwindigkeit." Auch deshalb fällt sein Urteil hart aus. Eine Bewährungsstrafe, wie von den Verteidigern gefordert, sieht nicht nur Staatsanwalt Thomas Junggeburth als unzureichend, sondern auch der Richter. Kugler verurteilt Manuel R. nach Jugendstrafrecht wegen einer schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren - ohne Bewährung, auch angesichts der bleibenden Schäden beim Opfer. Die Mutter des Verurteilten ist völlig in Tränen aufgelöst.

    Kevin S. wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung verwarnt. Unter anderem muss er 64 Stunden Hilfsdienste verrichten. Manuel R. hingegen wird die Konsequenzen seiner Tat viele Jahre tragen müssen. Über seine Verteidiger und Nebenklagevertreter Hansjörg Schmid wurde sich darauf verständigt, dass der junge Mann rund 55.000 Euro Schadensersatz an das Opfer zahlt. Eine erste Zahlung über 5000 Euro soll in den nächsten Tagen bereits erfolgen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast "Augsburg, meine Stadt" mit dem Strafverteidiger Walter Rubach an – unter anderem zu der Frage: "Warum verteidigen Sie Mörder und Sexualstraftäter?" Die Folge können Sie sich hier anhören:

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