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Augsburg: Fasching früher: Als Umzüge in Augsburg Zehntausende auf die Straße lockten

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Fasching früher: Als Umzüge in Augsburg Zehntausende auf die Straße lockten

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    Um 1970 trotzte eine urige Germanen-Gruppe in spärlicher rustikaler Bekleidung auch mal Minustemperaturen beim Faschingszug.
    Um 1970 trotzte eine urige Germanen-Gruppe in spärlicher rustikaler Bekleidung auch mal Minustemperaturen beim Faschingszug. Foto: Sammlung Häußler

    Der Fasching 2022 verläuft in Augsburg coronabedingt auf geringstmöglicher Sparflamme – sowohl der sogenannte Saalfasching als auch im Freien. Die größte Freiluft-Veranstaltung war mal der Faschingszug. Der musste in Augsburg 2022 nicht abgesagt werden: Es war keiner geplant. Der bislang letzte große

    Bereits vor rund 350 Jahren soll es in der Reichsstadt Faschingszüge gegeben haben. In den 1880er-Jahren wurde dieser Brauch wiederbelebt. Das überliefern Zeitungsberichte aus dieser Zeit. 1886 wird in Augsburger Zeitungen für den Fastnachtssonntag, 7. März, ein großer Maskenzug angekündigt, veranstaltet vom kurz zuvor gegründeten „Carnevals-Verein Augsburg“.

    Faschingszug am 28. Februar 1954: Die Augsburger Piloten wollten fliegen, doch der Tommy hob die „Start frei“-Tafel erst 1955.
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    Schon vor 350 Jahren gab es in Augsburg Faschingsumzüge. 1975 zog der letzte große durch die Stadt. Bilder aus einer Zeit, in der im Fasching richtig was los war.

    Der Carnevals-Verein lud „local-politisch-humoristisch-satyrische Gruppen“ ein, sich zwischen Equipagen mit historischen Bezügen und dem Prachtwagen „Augusta“ in den Maskenzug einzureihen. „Seine Backsteinkäserliche Rohheit Prinz Carneval“ werde vom Galawagen des Maskenzugs grüßen. Unter „Maske“ verstand man damals eine Vollverkleidung, keine Gesichtsmaske. Das Gesicht blieb meist frei.

    Früher gab es in Augsburg Faschingsumzüge, Narrenabende und eine Carnevals-Zeitung

    1885 hatte der Augsburger Kaufmann und Arrangeur Georg Reinhardt (man würde ihn heute als Event-Manager bezeichnen) die Schrift „Eine Idee für Karneval 1886“ verfasst. Er forderte darin die Augsburger zu einer „Begehung des Karnevals im größten Stil“ auf, um damit im ganzen deutschen Süden Furore zu machen. Er ergriff selbst die Initiative und rief zur Finanzierung den Carnevals-Verein ins Leben. Innerhalb kürzester Zeit waren über 1000 Mitglieder bereit, den Jahresbeitrag von zwölf Mark einzuzahlen. Viele Carnevalisten aus wohlhabenden Kreisen griffen sehr viel tiefer in die Taschen.

    Narrenabende und eine Carnevals-Zeitung stimmten auf den Maskenzug ein. Dafür waren 60.000 Goldmark Kosten veranschlagt. Er wurde ein bombastisches Ereignis. 70 Gruppen mit 350 Masken, 178 Pferde und 50 Wagen formierten sich am Fastnachtssonntag auf dem Areal der Jesuitenkaserne (darauf steht jetzt die St.-Georg-Schule, Auf dem Kreuz) zum Zug durch die Innenstadt und in die Jakobervorstadt. Die Organisation der Fastnacht war reine Männersache. Frauen waren das schmückende Beiwerk. Das geht eindeutig aus den zeitgenössischen Schilderungen hervor.

    Die im Fastnachtszug 1886 dargestellten Themen und Verkleidungen entsprachen der Gefühlswelt der Zeit. Vom Turamichele über Don Quichotte bis zu Kaiser Augustus reichten die nachempfundenen Personen. Ihre Begleitung trug prächtige historische Kostüme. Römer, Ritter, Edelfräulein, Patrizier und etliche Gruppen „fremder Völker“ wurden bejubelt.

    Auch das Turamichele reihte sich in den Augsburger Faschingsumzug ein

    „Man ließ es an nichts fehlen, die Augsburger Bevölkerung mit allem zur Verfügung stehendem Humor und Witz für den Karneval zurechtzubraten“, heißt es in einem Bericht. Fanfarenzüge, kostümierte Militärkapellen zu Pferd, eine Bauernkapelle und etliche Blaskapellen besorgten die Beschallung. Nicht nur Kostümpracht und Musik wurden geboten, eine mitfahrende Datschibäckerei und Marketenderwagen lieferten Speis und Trank. Auch die Wirte an der Zugstrecke waren freigiebig. Ähnliche Berichte gibt es auch vom Fastnachtszug ein Jahr später, anno 1887.

    
Auftritt der „Zirbelnüsschen“, der Faschingsgarde der Perlachia, auf der Showbühne am Elias-Holl-Platz an der Rathaus-Ostseite.
    Auftritt der „Zirbelnüsschen“, der Faschingsgarde der Perlachia, auf der Showbühne am Elias-Holl-Platz an der Rathaus-Ostseite. Foto: Sammlung Häußler

    Im Fasching des Jahres 1936 beriefen sich die Nationalsozialisten in Augsburg auf das 50-Jahr-Jubiläum der Wiederbelebung des Fastnachtszugs. Sie hatten schon 1934, ein Jahr nach der Machtübernahme, die „Volksfastnacht“ propagiert. Sprachrohr war zuvörderst das NS-Organ Neue National-Zeitung. Faschingszüge richtete anfangs die Faschingsgesellschaft Perlachia aus, ab 1937 wurde sie intensiv vom

    1937 war die gelenkte öffentliche Fröhlichkeit perfekt durchorganisiert. Das belegen ein Faltblatt mit dem Aufruf „Heraus zum Fastnachtszug am Sonntag, 7. Februar“ und Zeitungsberichte. 33 Vereine, Betriebsgemeinschaften, Ämter und allerlei Gruppierungen waren rekrutiert worden. „Damit ist der Gedanke der Volksfastnacht, der in Augsburg ja für alle Veranstaltungen gültig ist, noch verstärkt zum Ausdruck gebracht“, hieß es in der Vorschau. Und weiter: „Jauchzender Höhepunkt der Fastnacht, Überschwang des Humors und der Lebensbejahung, das bedeutet uns der Fastnachtszug auch in diesem Jahr.“

    Fasching in Augsburg: Der Krieg ließ "Lach am Lech!" verstummen

    Als Landsknechte verkleidete Soldaten würden die Waffe mit der Sammelbüchse vertauschen und sich in den Dienst der Volksgemeinschaft stellen, wurde angekündigt. Gesammelt wurde für das Winterhilfswerk, „um Volksgenossen in Not zu unterstützen“. „Unser Prinzenpaar hilft helfen“, lautete eine Überschrift. Auch 1938 und 1939 gab es aufwendige Faschingszüge. Dann ließ der Krieg den Faschingsruf „Lach am Lech!“ verstummen.

    
Vor rund 50 Jahren: Auch Agnes Bernauer war in den Faschingszug eingebunden.
    Vor rund 50 Jahren: Auch Agnes Bernauer war in den Faschingszug eingebunden. Foto: Sammlung Häußler

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1950 der Faschingszug neu belebt. Initiator war der Leiter des Verkehrsamtes und Kanzler der Perlachia, Ludwig Wegele. Er gewann 1950 Firmen, Innungen, Vereine und Behörden für die Gestaltung von Wagen. Nun war es kein verordneter Humor mehr, der mit einfachsten Mitteln fantasievoll zum Ausdruck gebracht wurde. Politische Themen waren zwar 1950 noch tabu, doch es gab genug aus dem Alltag zu persiflieren.

    Am 19. Februar 1950 bewegte sich der erste Nachkriegs-Faschingszug noch durch eine Ruinenlandschaft. Zehntausende säumten die Zugstrecke. Auf 51 Faschingswagen wurden die „Arbeitsvermittlung für Mitläufer“ und die „Hinrichtung des letzten Schwarzarbeiters“ aufbereitet. 1950 ging die Markenzeit zu Ende. So bekamen Wagen mit dem Motto „Es drängt nach Zucker Stadt und Land“ und „Das sterbende Ernährungsamt“ viel Beifall.

    1954 wurde die erstmalige Teilnahme der Amerikaner am Faschingszug offiziell im Amtsblatt angekündigt. Sie würden mit einer motorisierten Wildwest-Kapelle, dem Winged-Victory-Chor sowie den Musikzügen der 43. und der 109. Infantry Division dabei sein. Rund 50 Wagen bewegten sich am 28. Februar 1954 durch die Straßen der Stadt. 1955 beteiligten sich die Amerikaner mit vier Fahrzeugen. Faschingszüge gab es mit Unterbrechungen bis 1975.

    Weitere stadthistorische Exkursionen von Franz Häußler finden Sie hier.

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