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Augsburg: Fahrlässige Tötung: Strafbefehl gegen Baumkontrolleur nach Spielplatz-Unglück

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Fahrlässige Tötung: Strafbefehl gegen Baumkontrolleur nach Spielplatz-Unglück

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    Ein umstürzender Baum hatte im Juli 2021 auf einem Augsburger Spielplatz eine Mutter und ihre beiden Töchter getroffen. Das 22 Monate alte Kind erlag seinen Verletzungen.
    Ein umstürzender Baum hatte im Juli 2021 auf einem Augsburger Spielplatz eine Mutter und ihre beiden Töchter getroffen. Das 22 Monate alte Kind erlag seinen Verletzungen. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Nach dem Tod eines 22 Monate alten Mädchens auf einem Augsburger Spielplatz im Juli 2021 hat nun die Staatsanwaltschaft Augsburg einen Strafbefehl gegen einen 56-jährigen Baumkontrolleur beantragt. Wie es in einer Mitteilung am Freitagmittag heißt, steht der Kontrolleur unter Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Ein umstürzender Baum hatte eine Mutter und ihre beiden Töchter auf dem Kinderspielplatz in Augsburg-Oberhausen getroffen. Das jüngste Kind erlag seinen Verletzungen. Es starb im Krankenhaus.

    Der Ahorn, der an jenem sonnigen Sommertag plötzlich umfiel, war rund 20 Meter hoch. Er schlug genau auf der Wippe ein, auf der gerade die Mutter mit ihren beiden Kindern saß. Der Baum war nicht samt Wurzel umgefallen, sondern kurz über der Oberfläche abgebrochen. Damals war deutlich zu sehen, dass der mächtige Stamm innen morsch und faulig gewesen war. Doch hätte man auch von außen feststellen müssen, dass der Ahorn nicht mehr gesund war, dass von ihm ein erhebliches Risiko ausging? Genau um diese Frage ging es bei dem aufwendigen Gutachten und den monatelangen Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft, die nun zum Ergebnis führten.

    So sah der umgestürzte Ahorn innen aus.
    So sah der umgestürzte Ahorn innen aus. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Laut Staatsanwaltschaft wird dem Baumkontrolleur zur Last gelegt, bei der letzten Kontrolle des Baumbestandes im Mai 2020 Auffälligkeiten, die Hinweise auf einen Pilzbefall ergaben, nicht bemerkt, weitere Untersuchungen unterlassen und dadurch die fehlende Standsicherheit des Baumes nicht erkannt zu haben.

    Augsburger Staatsanwaltschaft: Gefahr wäre erkennbar gewesen

    Nach dem Ergebnis umfangreicher Sachverständigengutachten wäre die Gefahr, die von dem Baum ausging, erkennbar gewesen, heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft. Wie man einen kranken, instabilen Baum von außen erkennen kann, erklärte einst ein Wissenschaftler in einem Interview mit unserer Redaktion. Zwei sichtbare Hinweise seien möglich, sagte Steffen Rust: Wenn sich etwa Pilze am Baum bilden oder wenn sich die Form eines Baumes ändere. "Wenn ein Baum durch Fäule Tragfähigkeit verliert, kann er außen an Holz zulegen. Er versucht, diesen Verlust auszugleichen." Rust ist Professor an der Hochschule in Göttingen, er bildet Baumsachverständige und Baumkontrolleure von Kommunen aus und gilt in dem Bereich als Koryphäe. Der umgestürzte Ahorn war laut Stadt Augsburg zuletzt im Mai 2020 begutachtet worden, ohne dass damals erkennbare Schäden dokumentiert wurden.

    Die Baumkontrollen finden seit vielen Jahren entsprechend der gültigen Dienstanweisungen statt, betonte das Umweltreferat kürzlich erneut. Die Kontrollen von Baumbeständen auf städtischen Spielplätzen würden turnusgemäß alle 12 bis 15 Monate, im Einzelfall auch häufiger, durch geschultes Personal durchgeführt. Die Mitarbeitenden der Stadt folgten damit der Dienstanweisung des Amtes für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen und den Baumkontrollrichtlinien der Forschungsgesellschaft für Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau (FLL). Wie es unlängst erst auf eine Nachfrage unserer Redaktion beim Umweltreferat hieß, habe es nach dem tödlichen Unfall keine grundsätzliche Änderung im Ablauf der Baumkontrollen gegeben.

    Strafbefehl gegen Baumkontrolleur noch nicht rechtskräftig

    Das Gericht verhängte in dem Strafbefehl gegen den Kontrolleur antragsgemäß eine Verwarnung unter Strafvorbehalt. Das bedeutet im konkreten Fall, dass die Verhängung einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zudem muss der 56-Jährige eine vierstellige Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Der Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig.

    Der Bau war direkt auf die Wippe gestürzt, auf der die Mutter mit ihren beiden Töchtern saß.
    Der Bau war direkt auf die Wippe gestürzt, auf der die Mutter mit ihren beiden Töchtern saß. Foto: Annette Zoepf

    Bei dem Unglück auf dem Spielplatz hatte die damals 28 Jahre alte Mutter nicht nur ihr jüngstes Kind verloren, sondern selbst schwere Verletzungen erlitten. Sie musste sich mehreren Operationen unterziehen. Die zu dem Zeitpunkt fünf Jahre alte Tochter blieb unversehrt - zumindest äußerlich. Der Vater, der selbstständig ist und eine Agentur betreibt, hatte unserer Redaktion Monate nach dem Schicksalsschlag berichtet, dass die Familie anfangs nur versucht habe, zu überleben. Nach dem Tod der jüngsten Tochter sei es den Eltern primär darum gegangen, ihr älteres Kind, das den Unfall miterleben musste, psychisch zu stabilisieren. Drei Monate, so der Vater damals im Gespräch, habe er nicht gearbeitet, um seine ganze Aufmerksamkeit seiner Tochter zu widmen, damit das Kind so gut wie möglich wieder in den Alltag zurückfinden konnte.

    Die Stadt hatte nach dem Unglück über den Verein Prisma ein Spendenkonto einrichten lassen. Bürgerinnen und Bürger spendeten eine fünfstellige Summe. Nach Auskunft der Stadt hatte auch das Amt für Kinder, Jugend und Familie die betroffene Familie unterstützt.

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