Der Fahrermangel sorgt dauerhaft für Einschränkungen beim öffentlichen Nahverkehr in Augsburg. Die Stadtwerke sehen angesichts der anhaltenden Krankheitswelle beim Fahrpersonal vorläufig keine Perspektive, wieder ins übliche Taktschema zurückzukehren. Die Verkehrsbetriebe hatten im Oktober Ausdünnungen im Takt bei Bussen und Straßenbahnen ab dem frühen Abend vorgenommen. "Wir haben eine Stabilisierung im Fahrbetrieb erreicht, die Situation bleibt aber weiter angespannt", sagt Stadtwerke-Chef Walter Casazza. "Und nachdem die Rahmenbedingungen nach wie vor schwierig sind, müssen wir prüfen, ob weitere Anpassungen nötig sind."
Im Klartext heißt das: Weitere Ausdünnungen am frühen Morgen oder Abend wären möglich. Dass es so kommt, sei nicht sicher, so Casazza, man befinde sich aber in der Prüfphase. Die jetzigen Anpassungen hätten bereits dafür gesorgt, dass es weniger spontane Ausfälle gebe und Fahrgäste besser planen könnten – ganz vom Tisch sei das Problem aber nicht. Die Stadtwerke hatten im Oktober bei den Straßenbahnen den Sprung vom 7,5-Minuten-Takt auf den abendlichen 15-Minuten-Takt von 20.30 Uhr auf 19 Uhr vorverlegt. Auch bei Buslinien gibt es auf einigen Linien spezielle Einschränkungen.
Stadtwerke Augsburg: Krankheitsquote bei Fahrern liegt bei 20 Prozent
Laut Casazza liegt die Krankheitsquote im Fahrdienst nach wie vor bei rund 20 Prozent und damit doppelt so hoch wie sonst. "Das ist nicht nur Corona, sondern es sind viele andere Infektionskrankheiten", so Casazza. Grund sei, dass das Fahrpersonal viele Kundenkontakte habe und damit ein hohes Ansteckungsrisiko trage. Und die Branche tue sich bundesweit schwer damit, Personal zu finden. Hinzu komme, dass Augsburg 2023 ein Baustellenjahr bevorstehe. Vorgesehen ist eine Sperrung des Schmiedbergs mit einer Unterbrechung der Linie 1 nach Lechhausen. "Eine Straßenbahn muss dann durch zwei Busse ersetzt werden. Das führt zu höherem Bedarf an Personal", so Casazza.
Im Wirtschaftsauschuss des Stadtrats wurden die Ausführungen Casazzas fraktionsübergreifend kritisch zur Kenntnis genommen. Das Verhältnis zwischen Stadt und Casazza, der sich 2023 nach zehn Jahren an der Spitze der Stadtwerke verabschieden wird, kühlte zuletzt merklich ab. Die Ausschussvorsitzende Tatjana Dörfler (Sozialfraktion, SPD) stellte etliche kritische Fragen. "Nur zu sagen, dass das mit dem Personalmangel jetzt so ist und so bleiben wird, greift zu kurz", sagte CSU-Stadtrat Matthias Fink. Matthias Lorentzen (Grüne) sprach von einer Situation, die "nicht nur unangenehm, sondern eine Belastung ist". Mehrere Stadträte sprachen auch an, dass die Zahl der Kündigungen beim Fahrpersonal zuletzt gestiegen sei. Casazza konterte, die Fluktuation sei – nachdem sie während der Pandemie deutlich nach unten ging – zuletzt wieder gestiegen, allerdings nicht über Vor-Corona-Niveau. Den neuen Fahrplan habe man auch eingeführt, um das bestehende Personal vor Überlastung zu schützen.
Fahrer im Augsburger Nahverkehr: Wie attraktiv ist der Job bei den Stadtwerken?
Teils wird vom Fahrpersonal berichtet, dass der Druck schon seit Langem gestiegen sei. Sei es wegen des dichteren Verkehrs, aber auch wegen kürzerer Pausen und weniger Fahrzeugen auf Linien. "Viele Kollegen sind an ihrem Limit angekommen", sagt ein altgedienter Fahrer unserer Redaktion. Ein Teil der Krankheitsfälle sei wohl auch darauf zurückzuführen. Ihr Modell mit der Personal-Tochter ASG sehen die Stadtwerke nicht als Problem. Bei den Stadtwerken sind um die 500 Fahrer und Fahrerinnen beschäftigt. Zwei Drittel arbeiten direkt bei der Verkehrssparte Augsburger Verkehrsgesellschaft (AVG), ein Drittel beim Tochterunternehmen Augsburger Verkehrs-Servicegesellschaft (AGS). In der ASG, in der ein etwas schlechterer Haustarifvertrag gilt, fangen alle Neuen an. Sie können in die AVG aufrücken, sobald dort jemand ausscheidet. Der Fachkräftemangel, so Stadtwerkesprecher Jürgen Fergg, sei aber ein bundesweites Thema. In anderen Städten gebe es herbere Einschnitte im Fahrplan.
Unterdessen drängt die Sozialfraktion aus SPD und Linken auf Klarheit, was die Perspektive für den Fünf-Minuten-Takt betrifft, wie er vor Corona gegolten hatte. Die Stadtwerke hatten im Frühjahr erklärt, dauerhaft auf einen "nachfrageangepassten Takt" mit einem 7,5-Minuten-Grundgerüst bei der Straßenbahn setzen zu wollen. Die Stadt pfiff die Stadtwerke umgehend zurück – dauerhaft könne darüber nur der Stadtrat entscheiden. Stadtrat Dirk Wurm (SPD) sagte jetzt, die Pandemie könne immer weniger als Begründung für das Abweichen vom Fünf-Minuten-Takt gelten. Das Thema müsse grundsätzlich geregelt werden. Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle (CSU) entgegnete, die Krankheitswelle rechtfertige ein Abweichen vom Fünf-Minuten-Takt. Wenn der Fahrermagel aber so bleibe, werde man über die Vereinbarung zwischen Stadt und Stadtwerken zum Fünf-Minuten-Takt nachdenken müssen, auch mit Blick auf die finanzielle Lage der Stadtwerke. Der Stadt-Tochter setzt aktuell auch die Energiekrise zu.