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Augsburg: Experte zu Polizei-Schuss bei FCA-Spiel: "Darf so auf keinen Fall passieren"

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Experte zu Polizei-Schuss bei FCA-Spiel: "Darf so auf keinen Fall passieren"

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    Ein Polizist hat am Samstag beim FCA-Heimspiel versehentlich einen Schuss abgegeben. Ein Defekt an der Waffe – eine SFP9 von Heckler und Koch – war wohl nicht die Ursache.
    Ein Polizist hat am Samstag beim FCA-Heimspiel versehentlich einen Schuss abgegeben. Ein Defekt an der Waffe – eine SFP9 von Heckler und Koch – war wohl nicht die Ursache. Foto: Privat, Daniel Karmann, dpa, Silvio Wyszengrad

    Wer sich in diesen Tagen bei Beamten der Bereitschaftspolizei umhört, der stößt auf fassungslose Menschen. Was am vergangenen Samstag an der WWK-Arena passierte, sei "völlig unerklärlich", sagt einer, ein anderer spricht vom "Super-GAU". Wieder ein anderer äußert sich fast erleichtert, dass niemand getroffen wurde. Denn der Schuss, den ein Beamter am Rande des FC Augsburg-Heimspiels gegen Borussia Mönchengladbach um etwa 17.30 Uhr versehentlich abgab, war Bildern zufolge in etwa auf Kopfhöhe unterwegs. Doch das ist nicht der einzige Aspekt, der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes "stutzig" macht.

    Die Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) laufen. Derzeit werden Beteiligte des Vorfalls befragt, möglicherweise auch Gutachten in Auftrag gegeben. Wie das LKA auf Anfrage mitteilt, werde es wohl noch ein paar Tage dauern, bis Ergebnisse vorliegen. Nach Informationen unserer Redaktion deutet aber vieles darauf hin, dass sich der Schuss nicht aufgrund eines technischen Defekts löste.

    Versehentlicher Schuss löste sich aus Waffe eines USK-Polizeibeamten

    Auch Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes betont, man müsse die Ermittlungen noch abwarten. Seiner Einschätzung zufolge kommen letztlich jedoch nur zwei Optionen infrage, wie sich der Schuss gelöst haben könnte. Es sei zu einem Zwischenfall beim Laden oder Entladen der Waffe gekommen. Oder mit der Waffe sei hantiert worden. "Beides darf so auf keinen Fall passieren", betont Feltes im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Der Mann, aus dessen Waffe sich der Schuss gelöst hat, ist 27 Jahre alt und sei knapp vier Jahren Mitglied des Unterstützungskommandos (USK) der Polizei. Die Spezialeinheit ist bei der Bereitschaftspolizei angesiedelt und kommt in der Regel in Ausnahmesituationen zum Einsatz – etwa, wenn von einem möglicherweise erhöhten Gewaltpotenzial auszugehen ist, wie bei einem Fußballspiel. Aufgrund dieser Sonderrolle üben die Angehörigen des Unterstützungskommandos regelmäßig den Umgang mit Waffen – häufiger als etwa Streifenbeamte. "USK-Beamte trainieren häufig, sie wissen, wie sie mit ihren Waffen umzugehen haben", betont Feltes. Dass der Schuss am Samstag von einem USK-Beamten abgegeben worden sei, mache ihn deshalb "stutzig".

    Schuss bei FC Augsburg-Heimspiel: Waffe noch nicht lange im Einsatz

    Die Kugel, die erst die Scheibe eines Polizeifahrzeugs durchschlug und dann einen leeren Fanbus traf, löste sich aus einer SFP9 von Heckler und Koch. Die Waffe gehört zum polizeilichen "Standardrepertoire", auch Streifenbeamte tragen sie bei sich. In der Breite ist sie erst seit Ende der 2010er-Jahre im Einsatz. "Waffen-Umstellungen können immer mit Problemen verbunden sein, weil die Beamten über Jahrzehnte etwas anderes gewohnt waren", sagt Feltes. Beim "Vorgänger" der SFP9, ein Modell namens P7 von Heckler und Koch, habe es sich um ein "komplett anderes System" gehandelt. Mit der P7 habe man den Abzug der Waffe betätigen können, ohne dass ein Schuss abgegeben worden sei – zuvor habe ein sogenannter Spanngriff betätigt werden müssen. Bei der neueren SFP9 werde dagegen mit dem Abzug die Waffe gleichzeitig entsichert und abgefeuert. Dadurch könne es unter Umständen zu mehr unbeabsichtigten Schussabgaben kommen.

    An offizieller Stelle ist man bemüht zu betonen, wie außergewöhnlich der Vorfall in Augsburg ist. "Unbeabsichtigte Schussabgaben sind die absolute Ausnahme", sagt ein Sprecher der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Alle Beamten würden ausführlich im Umgang mit Waffen geschult, auch die SFP9 weise Sicherheitsmechanismen auf. Das bayerische Innenministerium verweist dabei auf "selbsttätig wirkende Sicherungen" in und an der Waffe, zudem solle ein "erhöhter Abzugswiderstand" unbeabsichtigte Schüsse verhindern. "Der Umgang mit der Dienstwaffe ist in der Aus- und Fortbildung ein zentrales und sehr wichtiges Thema", betont der Sprecher. "Wir legen sehr großen Wert auf ein realitätsnahes und ständiges Training und vor allem eine sichere Handhabung." Polizistinnen und Polizisten würden möglichst realitätsnah zum Einsatzgeschehen geschult und regelmäßig trainiert.

    Fanbus von Borussia Mönchengladbach parkte an WWK-Arena des FCA

    Wie häufig Polizistinnen und Polizisten in Bayern unbeabsichtigte Schüsse abgeben, wird nach Angaben des Landeskriminalamts nichts gesondert erfasst. Die Zahl fließt jedoch in die Gesamtstatistik ein. Wie eine LKA-Sprecherin auf Anfrage mitteilt, wurden im vergangenen Jahr in Bayern offiziell 20 "Schussabgaben" registriert: sieben Warnschüsse, neun Schüsse gegen Personen, vier gegen Sachen – zum Beispiel gegen ein Auto, wenn eine Person flüchtet. Die Gesamtzahl der abgegebenen Schüsse ist nach Angaben der Sprecherin relativ konstant. 2021 waren es 26 (16 Warnschüsse, sieben gegen Personen, drei gegen Sachen), im Jahr zuvor 23 (elf Warnschüsse, zehn gegen Personen, zwei gegen Sachen). Unbeabsichtigte Schüsse seien in dieser Statistik inbegriffen, so die Sprecherin.

    Von den vier Polizisten, die beim Schuss verletzt wurden, sind drei inzwischen wieder im Dienst, einer ist aufgrund eines schweren Knalltraumas nach wie vor krankgeschrieben. Auch der mutmaßlich Verantwortliche ist derzeit nicht dienstfähig, er steht nach Angaben des Bereitschaftspolizei-Sprechers unter Schock und konnte bislang nicht vernommen werden. Welche Konsequenzen der Vorfall für den Mann habe, sei noch offen – nur so viel: "Die Verhängung disziplinarrechtlicher Maßnahmen wird aktuell geprüft." Im Raum könnten auch strafrechtliche Konsequenzen stehen, dies komme aber auf die Umstände an. 

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