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Augsburg: Engpässe bei Unterkünften: Warum es zwischen Regierung und Stadt knirscht

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Engpässe bei Unterkünften: Warum es zwischen Regierung und Stadt knirscht

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    Vor wenigen Wochen hat die Stadt Augsburg die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter begrenzt. Grund für den Schritt war, dass Kapazitäten eng wurden.
    Vor wenigen Wochen hat die Stadt Augsburg die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter begrenzt. Grund für den Schritt war, dass Kapazitäten eng wurden. Foto: S. Wyszengrad (Archivbild)

    Die offenen Arme, mit denen Augsburg ukrainische Geflüchtete seit Beginn des Kriegs empfing, sind seit Anfang Juli zumindest ein kleines Stück geschlossener. Die Stadt kündigte an, die Aufnahme zu begrenzen und fortan das sogenannte "FREE-Verfahren" anzuwenden. Es sieht vor, dass Personen, die keinen örtlichen Bezug zur jeweiligen Stadt haben, bei ihrer Erstregistrierung in ein anderes Bundesland umverteilt werden. Ausnahmen sollen demnach für Verwandte ersten Grades und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen gelten. Schon seit Mai war das Verfahren bundesweit verfügbar, die Stadt griff verzögert darauf zurück - weil die Kapazitäten zu knapp wurden. Warum genau zu diesem Zeitpunkt?

    Nach aktuellen Schätzungen der Stadt leben derzeit rund 3400 ukrainische Geflüchtete in Augsburg, davon 924 in städtischen Unterkünften. Im Frühsommer hatte die Kapazität der Stadt noch bei rund 1200 gelegen. Als Grund für diesen Rückgang nannte die Stadt, dass die Regierung von Schwaben die Finanzierung mancher Mietverträge eingestellt hatte, die für "kurzfristige" Unterbringungen gedacht waren. Betroffen war etwa das Hostel Übernacht in der Karlstraße mit Platz für über 200 Personen. Diese Menschen mussten in kurzer Zeit neu untergebracht werden, was die Kapazitäten für Neuankommende limitierte. Offiziell hieß es von der Stadt, der Schritt in Richtung einer stärkeren Umverteilung sei richtig. Zwischen den Zeilen wurde aber deutlich, dass man sich etwas mehr Zeit bei der Umorganisation gewünscht hätte. Von einer "Vollbremsung" der Regierung von Auch Ukrainerinnen und Ukrainer kritisierten den Schritt.

    Stadt Augsburg begrenzte Anfang Juli die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter

    Davon will die Regierung selbst aber nichts wissen. Sie verweist auf das FREE-Verfahren sowie eine gesetzliche Änderung. Seit dem 1. Juni erhielten ukrainische Geflüchtete keine Leistungen mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, stattdessen könnten sie Sozialleistungen beantragen. Damit könnten sie selbstständig Wohnraum anmieten und bekämen die Kosten der Unterkunft erstattet. Ziel sei, dass sich die Betroffenen selbst um dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten bemühten. Deshalb seien Mietverträge nicht verlängert worden.

    Dass dies zu kurzfristigen Engpässen geführt hat, bestreitet die Regierung allerdings. Stattdessen sieht sie eine Mitverantwortung bei der Stadt Augsburg. Diese habe die "gemeldete Platzzahl zur Unterbringung von Flüchtlingen im Juni 2022 nach unten korrigiert und damit die Aufnahmekapazitäten in ihren Einrichtungen eingeschränkt". Außerdem habe die Stadt den Wohn-Schlaf-Bereich pro Person in den von ihr betriebenen Unterkünften von vier auf sieben Quadratmeter erhöht. "Vorher freie Kapazitäten gingen damit zur Unzeit verloren", heißt es. "Dadurch hat sich die Unterbringungssituation in Augsburg zusätzlich verschärft."

    Regierung von Schwaben sieht Verantwortung bei Stadt

    Bei städtischem Personal, das mit dem Thema befasst ist, sorgt diese Darstellung mindestens für Verwunderung, eher für Verärgerung - auch wenn dies so niemand offen aussprechen will, weil beide Seiten aufeinander angewiesen sind. Christian Gerlinger aus dem Sozialreferat bestätigt auf Anfrage, dass die genannten freien Platzzahlen im Juni tatsächlich nach unten korrigiert worden seien. Grund dafür sei aber keineswegs gewesen, dass man eigeninitiativ vorhandene Kapazitäten reduziert habe. Vielmehr habe es sich um eine "statistische Unrichtigkeit" gehandelt: Während es auf dem Papier noch freie Plätze gegeben habe, sei die Realität eine andere gewesen.

    Nach Gerlingers Auskunft hat sich die Stadt schon vor Juni - den Vorgaben entsprechend und je nach baulichen Möglichkeiten - an sieben Quadratmetern Wohn-Schlaf-Bereich orientiert, dies sei jedoch nicht in der entsprechenden Statistik hinterlegt gewesen. Was sich inzwischen geändert habe. Die Stadt habe sich "stets für die Einhaltung bestmöglicher sozialer Unterbringungsstandards eingesetzt", betont Gerlinger.

    Infopoint für Ukrainer am Königsplatz weicht Begegnungszentrum

    Wie begrenzt die Spielräume bei der Unterbringung sind, zeigt sich auch in der Notunterkunft in der Bürgermeister-Ulrich-Straße. Die Belegung dort bewegt sich nach Auskunft von Gerlinger auf hohem Niveau. Aktuell lebten in der Unterkunft knapp 250 Personen. Pro Woche kämen rund 20 Personen in die Halle, es gebe aber auch Auszüge - etwa, wenn Bewohnerinnen und Bewohner eine Wohnung fänden, in dezentrale oder staatliche Unterkünfte verlegt würden oder, "in wenigen Fällen", aufgrund des FREE-Verfahrens in andere Bundesländer umverteilt würden.

    Als Orientierung für die - vor allem im Frühjahr deutlich zahlreicheren - Neuankommenden diente lange der Infopoint am Königsplatz, dieser ist seit Mitte Juli geschlossen. Trotzdem bleiben die Räumlichkeiten Anlaufstelle: Bis zum 30. September sollen sie laut Stadt ein Begegnungszentrum für den Verein Deutsch-Ukrainischer Dialog sein.

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