„Augsburg und die Straßenbahn“ heißt der neue Film von Elmar Kretz, einen Untertitel hat er auch: „140 Jahre Nahverkehr in der Fuggerstadt“. Kretz ist Reiseveranstalter und Filmemacher und hat ein Faible für Schienenverkehr. „Ich bin von klein auf viel und gerne gereist. Meine erste Fernreise machte ich quasi als Vierjähriger. Da war ich alleine mit dem Dreirad auf der vielbefahrenen Landstraße unterwegs“, sagt der heute 70-Jährige lachend. Seine Eltern waren damals nicht erfreut, aber mit diesem Abenteuer war seine Reiselust geweckt. Später erkundete er per Anhalter Europa und als gelernter Matrose der Seeschifffahrt die Welt. „Ich war überall, außer in Australien.“ Durch seine Reisen begeisterte er sich mehr und mehr für das Industrie- und Verkehrswesen. „Egal, ob Oldtimer, Schiffe oder Bahn – das fasziniert mich alles gleichermaßen.“ Am meisten angetan hat es ihm allerdings die Tram.
„In Augsburg begann 1881 alles mit der Pferdebahn“, erzählt der gebürtige Allgäuer aus Scheidegg, der sich seit 1975 sehr wohl im Augsburger Stadtteil Kriegshaber fühlt. Es gab drei Linien: vom Hauptbahnhof zum Perlach, von Oberhausen nach Göggingen und vom Metzgplatz nach Lechhausen. „Allerdings war das mehr zur Belustigung. Denn die Bahn war teuer und man konnte genauso gut nebenher laufen.“ Die erste Pferdestraßenbahn der Welt gab es 1832 in New York. In Europa folgte man damit 1855 in Paris und 1865 in Berlin. Augsburg verfügt heute über eine Straßenbahnlinienlänge von 45 Kilometern. Auf diesen Gleisen werden laut Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund AVV jährlich knapp 4,5 Millionen Wagen-Kilometer gefahren.
Kretz' 58-minütiger Straßenbahnfilm zeigt historische Filmsequenzen von 1937, die heiter mit Stummfilmmusik untermalt sind. „Christian Jonathal aus Langenneufnach hat den alten 16-mm-Film der Stadtbildstelle aufgearbeitet. Darin ist sogar ein uralter Lehrfilm zu sehen“, verrät Kretz. Dort wird drastisch wie humorvoll gezeigt, was passiert, wenn man sich nicht an die Ein- und Aussteigregeln hält. Die DVD enthält jede Menge Bild- und Filmmaterial aus der damaligen Zeit. Zahlreiche Fotos hat Herbert Waßner von den „Freunden der Augsburger Straßenbahn“ beigesteuert.
Tramdepot in Augsburg-Kriegshaber: "Deutschlands schönste Beiwagenhalle"
Das Tramwagendepot an der Ulmer Straße 174 in Kriegshaber aus dem Jahr 1910 ist für Kretz ein Juwel. „Für mich ist das denkmalgeschützte Gebäude einfach Deutschlands schönste Beiwagenhalle“, schwärmt er. Kretz vermutet, dass die vierschiffige Halle mit barocker Frontseite einst von wohlhabenden jüdischen Bürgern erbaut wurde, um ihren Stadtteil aufzuwerten.
Vor Ort bietet sich eine Livedarbietung, wie heute noch die Straßenbahnlinie 2 am Gleisdreieck wendet. Dazu weiß der Filmemacher, dass bis in die 60er-Jahre noch Triebwagenfahrer und Schaffner hier aufwendig wenden mussten. „Der Triebwagenfahrer hatte es relativ leicht, denn er durfte das Fahrzeug nie verlassen. Der Schaffner dagegen war der Libero, der die Weiche stellte, den Beiwagen Richtung Depot rollte und wieder an den Triebwagen anschloss.“ Das Wendedreieck bestehe aus Gleisteilen, wie es sie im Wilden Westen bei der US-Eisenbahn gibt.
Wenn der Weltenbummler einmal ins Schwelgen kommt, fallen ihm immer wieder Besonderheiten ein. „Den GT5, ein fünfachsiger Gelenktriebwagen, gab es übrigens nur in Augsburg. Er wurde von MAN für die Stadtwerke Augsburg gebaut.“
Natürlich darf die Partytram, ein Heidelberger Kriegsstraßenbahnwagen mit der Nummer 506, im Film nicht fehlen. „Der Achtachser wurde in Nürnberg gebaut und in Augsburg erfolgte die Endmontage. Diese Tram dürfte die letzte ihrer Art sein, die es in den aktiven Dienst unserer Zeit geschafft hat.“
Auch die Straßenbahn als Werbeträger ist Thema in Elmar Kretz`Film
Auf der DVD sieht man den Beginn des Straßenbahnzeitalters in Augsburg bis zur heutigen Niederflurtram. Sogar die Straßenbahn als Werbeträger wird behandelt. Vollverkleidete Trambahnwagen als rollende Plakatwände sah man einst durch die Fuggerstadt zuckeln. Das sorgte schon damals für Ärger. Kretz hat für Altoberbürgermeister Hans Breuer nur lobende Worte: „Breuer hat sich damals für das Bestehen der Tram ausgesprochen. Mit ganz geringer Mehrheit ging das durch.“ Denn in den vergangenen Jahrzehnten habe es viele Trends gegeben. Es waren autogerechte Städte angesagt. Dann kam die erste Ölkrise und man setzte auf Fußgängerstädte. „Die neue Urbanität und der Ökogedanke sind für lebenswerte Innenstädte. Und da braucht es ein Verkehrsmittel, um in die Städte zu kommen.“ Daher begrüßt der Fan der Schienen auch den Kö-Umbau.
Freuen würde es Kretz, wenn es in Augsburg ein Transportmuseum gäbe, indem historische Lokomotiven ebenso vereint sind wie Straßenbahnen, alte Autos und Schiffe.
Info: Bestellen kann man die DVD direkt bei Elmar Kretz für 15 Euro: www.elmarkretz-erlebnisreisen.de/shop Telefon 0821/4445534.
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