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Augsburg: Eine Studie zeigt, warum der Wirtschaftsstandort Augsburg Krisen trotzt

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Eine Studie zeigt, warum der Wirtschaftsstandort Augsburg Krisen trotzt

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    Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten hat sich die Industrie, hier die Gießerei von MAN, während der Corona-Krise als "Rückgrat" von Augsburgs Wirtschaft erwiesen.
    Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten hat sich die Industrie, hier die Gießerei von MAN, während der Corona-Krise als "Rückgrat" von Augsburgs Wirtschaft erwiesen. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Nun scheinen sie sich zu bestätigen, die düsteren Vorahnungen. Im August 2020 wurde bekannt, dass der Automobilzulieferer Wafa in Haunstetten seine Tore endgültig schließen muss. Finanzielle Probleme hatte das Unternehmen schon seit Jahren, es befand sich aber mitten im Sanierungsprozess. Und dann schlug Corona zu. Die Pandemie löste ein Beben aus, das das 1949 gegründete Unternehmen endgültig zu Fall brachte – und mehr als 200 Menschen zwang, sich eine neue Arbeit zu suchen. Nicht wenige sahen in dem Aus einen Vorboten für eine anrollende Insolvenzwelle. Doch inzwischen zeigt sich immer deutlicher, wie der Standort Augsburg durch die Krise gekommen ist: stabil – und besser als viele andere.

    Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft untersucht Corona-Folgen

    Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat eine Art bundesweite Schadensbesichtigung vorgenommen, und zwar für jeden der 400 Landkreise und kreisfreien Städte im Land. Ergebnis ist ein "Regional-Ranking", also eine Rangliste, die neben dem aktuellen Zustand auch die Zwei-Jahres-Entwicklung von Wirtschaft und Lebensqualität vergleicht. Insgesamt 14 Faktoren fließen in die Bewertung ein – darunter etwa die gemeindliche Steuerkraft und der Anteil hoch qualifizierter Beschäftigter, in puncto Lebensqualität aber auch die Anzahl der Straftaten oder die Ärztedichte. Insgesamt bewertet die Studie Augsburg als "Outperformer" – also als Standort, der sowohl beim Ist-Zustand als auch bei der Entwicklung überdurchschnittlich abschneidet.

    Die detaillierte Auswertung, die unserer Redaktion vorliegt, zeigt vor allem: Der Standort Augsburg holt auf. Während er beim Ist-Zustand im oberen Mittelfeld liegt (Platz 148 von 400), ragt er bei der Entwicklung – also im Vergleich zum Zustand vor zwei Jahren – mit Platz 32 heraus. Dies liegt insbesondere an der Wirtschaftsstruktur, wie Vanessa Hünnemeyer, eine der Autorinnen, gegenüber unserer Redaktion erklärt: "Die Unternehmenslandschaft ist diversifiziert und das ansässige produzierende Gewerbe in unterschiedlichen Branchen aktiv, die sich nichtsdestoweniger gegenseitig ergänzen." Der Wirtschaftsraum Augsburg werde durch Traditions- und Industrieunternehmen geprägt. Und die kamen – dank ordentlicher Auftragslage und Kurzarbeit – meist stabil durch die Krise.

    Drei Stärken, drei Schwächen: Was den Standort Augsburg auszeichnet

    Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat alle 400 Landkreise und kreisfreien Städte einem "Regional-Ranking" unterzogen. Drei Punkte, wo der Standort Augsburg im aktuellen Vergleich positiv hervorsticht - und wo die Studie Nachteile sieht.

    Stärken:

    • Gewerbesaldo, Platz 19: Die Differenz aus Gewerbean- und -abmeldungen je 1.000 Einwohner liegt bei 2,5. Spitzenreiter ist Leverkusen (4,2).
    • Altersquotient, Platz 30: Das Verhältnis der 20- bis 59-Jährigen zu den Ab-60-Jährigen liegt bei 2,3. Spitzenreiter ist Frankfurt am Main (2,9).
    • Wissensintensive Leistungen, Platz 41: Der Anteil der Beschäftigten in "wissensintensiven Dienstleistungen" (z.B. Forschung) liegt bei 27,6 Prozent. Spitzenreiter ist Erlangen (43,4).

    Schwächen:

    • Gewerbesteuerhebesatz, Platz 369: Er lag im Vergleichszeitraum (2020) bei 470 Prozent. Spitzenreiter war Leverkusen (250 Prozent).
    • Wanderungssaldo der 30-50-Jährigen, Platz 367: Die Differenz zwischen Zu- und Fortzügen je 1.000 Einwohner liegt in dieser Altersgruppe bei minus 12,4. Spitzenreiter ist der Landkreis Dahme-Spreewald (plus 37).
    • Straftaten, Platz 309: Im Jahr 2020 lag die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner bei 6799. Dennoch ist Augsburg die zweitsicherste Großstadt Deutschlands. Spitzenreiter war der Landkreis Fürth (2155).

    Stadt Augsburg kommt vergleichsweise stabil durch die Krise

    Mehrere Faktoren geben einen Hinweis darauf, warum Augsburg verhältnismäßig gut da steht. Beispiel Gewerbesaldo, das die Differenz aus Gewerbean- und -abmeldungen je 1000 Einwohner angibt: Hier ist Augsburg mit 2,5 in Deutschlands Top-20. Vor allem Abmeldungen gingen in Augsburg deutlich zurück – wohl auch ein Ergebnis der Corona-Politik, die etwa die Insolvenzantragspflicht zwischenzeitlich ausgesetzt hatte. Beispiel Qualifikation: Der Anteil derjenigen Menschen, die einen Hochschulabschluss haben (20,9 Prozent im Jahr 2021) oder in sogenannten "wissensintensiven Dienstleistungen" beschäftigt sind (27,6 Prozent, Tendenz stark steigend) – dazu zählen etwa die Bereiche Forschung und Konstruktion –, ist in Augsburg außerordentlich hoch. Beispiel Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote in Augsburg stieg im Spätsommer 2020 auf ein Hoch von sieben Prozent; inzwischen liegt sie aber mit rund fünf Prozent wieder auf Vor-Krisen-Niveau. Nach Einschätzung von Roland Fürst, Geschäftsführer Operativ bei der Arbeitsagentur Augsburg, liegt dies insbesondere am richtigen Branchenmix sowie am Instrument Kurzarbeit, das "sehr gut angenommen und genutzt" worden sei.

    Auch der Landkreis Augsburg schneidet im regionalen Vergleich gut ab, wird als "Outperformer" bewertet. Im Einzelnen zeigt sich jedoch ein etwas anderes Bild: Im Ist-Zustand zählt der Landkreis zu den Top 50 in Deutschland, in puncto Entwicklung landet er "nur" auf Rang 174. Überraschend ist dies nach Einschätzung von Niklas Gouverneur,bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben im Bereich Wirtschaftsforschung und Konjunktur tätig, jedoch nicht. Zwar habe die Region – ebenso wie der Landkreis Aichach-Friedberg (Platz 52 im Ist-Zustand) – seine wirtschaftliche Dynamik "nicht weiter ausbauen" können. "Dies ist jedoch nicht verwunderlich, da eine Verbesserung ausgehend von einem ohnehin schon sehr hohen Niveau immer schwieriger ist, als ausgehend von einer niedrigeren Basis."

    Industrie und Einzelhandel spüren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs

    Grundsätzlich, betont Gouverneur, decke sich die positive Bewertung der IW-Studie für den Raum Augsburg mit der Einschätzung der IHK. In den vergangenen zwei Jahren seien jedoch unterschiedliche, teils gegenläufige Entwicklungen zu beobachten gewesen. In der Corona-Krise habe sich die Industrie "einmal mehr als Rückgrat der Wirtschaft erwiesen", während Einzelhandel sowie Reise- und Gastgewerbe deutlich stärker betroffen gewesen sein. Aktuell, in Folge des Kriegs in der Ukraine, zeige sich ein umgekehrtes Bild. "Mit den daraus resultierenden explodierenden Preisen und stockenden Lieferketten haben nun besonders die Industrie und der Einzelhandel zu kämpfen. Im Reise- und Gastgewerbe hat im Zuge des Auslaufens der meisten Infektionsschutzmaßnahmen eine Erholung eingesetzt." Die Dienstleitungsbranche sei inzwischen "Zugpferd". So zahle sich auch aus, dass man nicht von einzelnen Branchen abhänge. Gouverneur bilanziert: "Insgesamt hat der Wirtschaftsstandort Augsburg seine Krisenresilienz unter Beweis gestellt."

    Trotz des positiven Gesamtbilds deutet die IW-Studie auch Defizite und Hemmnisse an. So lag etwa der Hebesatz für die Gewerbesteuer – in der Regel die wichtigste Einnahmequelle einer Gemeinde – im Jahr 2020 bei 470 Prozent. Im regionalen Vergleich landete die Stadt damit auf Rang 369. Die Beschäftigungsrate von Frauen lag im Jahr 2021 mit 58,2 Prozent unter dem bundesweiten Durchschnitt (59,9 Prozent). Außerdem zeigt der Blick auf Zu- und Fortzüge: Vor allem in der für den Arbeitsmarkt wichtigen Gruppe der 30- bis 50-Jährigen verließen im Jahr 2020 außerordentlich viele Menschen den Standort (Platz 367).

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