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Augsburg: Ein Rabbiner mit weitem Horizont: Augsburg trauert um Henry G. Brandt

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Ein Rabbiner mit weitem Horizont: Augsburg trauert um Henry G. Brandt

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    Henry G. Brandt war 15 Jahre lang Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Augsburg. Jetzt ist er im Alter von  94 Jahren gestorben.
    Henry G. Brandt war 15 Jahre lang Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Augsburg. Jetzt ist er im Alter von 94 Jahren gestorben. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Henry G. Brandt galt als Brückenbauer zwischen den Religionen und als Rabbiner mit weitem Horizont. Selbst beim Streiten bleibe er immer freundlich, attestierte ihm ein Weggefährte anlässlich seines 90. Geburtstags. Am Montag ist Brandt, der die jüdischen Gemeinde in Augsburg von 2004 bis 2019 prägte, im Alter von 94 Jahren gestorben.

    "Mit tiefer Trauer" hat die Stadt die Nachricht vom Tod des langjährigen Gemeinderabbiners und Augsburger Ehrenbürgers vernommen. Damit verliere Augsburg eine große Persönlichkeit und die Nachkriegswelt einen der letzten Zeitzeugen des NS-Regimes. Oberbürgermeisterin Eva Weber reagierte mit großer Betroffenheit: "Mein Herz ist schwer. Ich habe ihn als wortgewaltigen Versöhner kennengelernt, als jemanden, der (interreligiöse) Brücken gebaut hat, als einen Menschen, der mich immer wieder mit seiner Person und seinen Gedanken fasziniert hat." Mit der Ehrenbürgerwürde wurde Henry G. Brandt 2015 ausgezeichnet, weil er, so die damalige Begründung, "für praktische Lösungen im täglichen Leben steht und damit Vorbild ist". Er habe die Synagoge für die Stadtgesellschaft geöffnet.

    Zu Ehren Brandts wehen die Stadtflaggen in Augsburg auf Halbmast

    Zu Ehren des Verstorbenen werden am Mittwoch die Stadtflaggen auf dem Rathausplatz auf Halbmast wehen. Ab Donnerstag, 10. Februar, liegen im Unteren Fletz des Rathauses bis einschließlich Sonntag, 20. Februar, Kondolenzlisten für Trauernde aus, so die Stadt. Das Rathaus ist täglich, auch am Wochenende, von 10 bis 18 Uhr zugänglich.

    Als "außerordentliche Persönlichkeit" würdigte Hans-Eberhard Schurk, Vorstand der Stiftung Jüdisches Kulturmuseum, den Verstorbenen. "Er war der Stiftung und dem Museum sehr zugetan, wir standen in engem Kontakt, weil die Synagoge ein wesentlicher Bestandteil des Museums ist." Besonders in Erinnerung bleiben werde ihm die sehr offene, ehrliche und wertschätzende Kommunikation Brandts gegenüber allen Gesprächspartnern, so Schurk.

    Regionalbischof trauert um "energischen Mahner"

    Axel Piper, der evangelische Regionalbischof, trauert um einen "energischen Mahner und Zeitzeugen. Mit Rabbiner Brandt haben Augsburg und bayerisch Schwaben einen weisen, erfahrenen, humorvollen und bis zuletzt hellwachen und aufmerksamen Menschen verloren. Als Partner ermöglichte er Gespräche mit besonderem Tiefgang, voller Erfahrung und Respekt." Sein Tod sei gerade in der momentanen Situation, den verschiedenen Anfechtungen und dem wieder aufkeimenden Antisemitismus ein großer Verlust.

    In Henry G. Brandts Augsburger Büro befand sich ein Bild, das ihn als jungen Mann zeigte.
    In Henry G. Brandts Augsburger Büro befand sich ein Bild, das ihn als jungen Mann zeigte. Foto: Silvio Wyszengrad (Repro)

    Brandt wurde 1927 als Heinz Georg Brandt in München geboren. Als Kind musste er dort selbst die Anfeindungen der Nationalsozialisten erleben. Etwa, wie zwei "SA-Schnösel" morgens um 4 Uhr an der Tür seines Elternhauses gehämmert und geklingelt und seinen Vater in Schutzhaft genommen hätten, sagte er einmal bei einer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht in Augsburg. 1939 emigrierte die Familie über England nach Tel Aviv. Schon während seiner Tätigkeit als Marktanalytiker bei der Ford Motor Company arbeitete der studierte Wirtschaftswissenschaftler ehrenamtlich in einer jüdischen Gemeinde bei London. In

    Die Verbindung von Henry G. Brandt nach Augsburg riss nicht ab

    Zuletzt lebte der Ruhestandsrabbiner bei seiner Familie im schweizerischen Zürich. Doch die Verbindung nach Bayerisch-Schwaben riss nicht ab. Weil ihm sein Arzt vom Reisen abgeraten hatte, nahm Brandt im vergangenen Sommer an einem Bibelgespräch mit Bischof Bertram Meier zum Friedensfest auf digitalem Weg teil und bewies einmal mehr, wie sehr ihm der interreligiöse Dialog am Herzen lag. Meier reagierte am Dienstag betroffen auf die Nachricht vom Ableben Brandts: "Die Katholiken in Augsburg und weit darüber hinaus verlieren mit dem Tod von Rabbiner Dr. Henry Brandt einen 'älteren Bruder'. Ich persönlich durfte mich unter seine Freunde zählen und konnte auf seinen guten Rat und seine tiefe Weisheit, die er aus seiner profunden Kenntnis der Heiligen Schrift und seinem tiefen Gottvertrauen zog, bauen."

    Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) aus Augsburg zeigte sich "tief bestürzt" über den Tod Brandts, der einer der bedeutendsten Vertreter des liberalen Judentums gewesen sei. "Wir verlieren einen beeindruckenden Rabbiner und einen unserer wichtigsten Brückenbauer", sagte sie. Sein Tod sei ein großer Verlust, sein Engagement bleibe unvergessen.

    Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg nahm die Nachricht vom Tod ihres langjährigen Rabbiners "mit großer Bestürzung" zur Kenntnis. Seine Verdienste seien herausragend und unbestritten. 

    Die Augsburger Erinnerungswerkstatt würdigte Brandt ebenfalls: "Seiner klaren Haltung und seinem ebenso verbindlichen wie beharrlichen Argumentieren haben wir es zu verdanken, dass es in Augsburg Erinnerungsbänder gibt. Im Ringen um die Formen der Erinnerung hat er sich nachdrücklich dafür eingesetzt, die Sichtweise von Nachfahren der NS-Diktatur zu berücksichtigen", so Sprecherin Angela Bachmair. Rabbiner Brand habe damit entscheidende Impulse für das Konzept des "Augsburger Wegs der Erinnerung" gegeben. 

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