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Augsburg: Ein Jahr Klimacamp in Augsburg: Gekommen, um zu bleiben

Die Klimaaktivisten teilen ihre Forderungen auf Transparenten am Klimacamp mit.
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Ein Jahr Klimacamp in Augsburg: Gekommen, um zu bleiben

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    Sturm und Hagel haben das Klimacamp kurz vor dem Einjährigen durcheinandergewirbelt. Ein Zeltdach hing im Baum, die Plane, die die "Garage für Lauti" ummantelte - so nennen die Klimaaktivisten ihren Lautsprecherwagen - war abgerissen. Einiges ging kaputt. Turbulente Situationen sind die jungen Menschen, die sich in ihrer Freizeit im Camp engagieren, mittlerweile aber gewöhnt. Seit einem Jahr harren sie neben dem Rathaus aus.

    Am 1. Juli 2020, einem Mittwoch, bezogen sie abends ihr Lager. Ihre Botschaft: "Das Kohleeinstiegsgesetz zerstört unsere Zukunft." Eben jenes Gesetz wurde am darauffolgenden Freitag vom Bundestag beschlossen. Ein Grund, das Camp daraufhin aufzulösen, war das nicht. Bis heute campieren die Aktivisten auf dem Fischmarkt. "Damit hätten wir auch nicht gerechnet", sagt Leon Ueberall.

    Augsburger Klimacamp: Zahl der Unterstützer hat sich in dem Jahr erhöht

    Das Leben in den zusammengewürfelten Bauten hat sich längst eingespielt. Wer gedacht hatte, dass die Klimaaktivisten mit der Zeit müde würden, hat sich getäuscht. "Wir können keine Zahl nennen, wie viele sich hier engagieren und uns unterstützen. Aber im vergangenen Jahr sind es deutlich mehr geworden", berichtet Leon Ueberall. Er hat gerade sein Fachabitur abgelegt und wird im September ein Praktikum im Bereich Journalismus beginnen. Mit dem Vorurteil, dass das Klimacamp aus Schulschwänzern und Arbeitslosen getragen werde, wurden sie vom ersten Tag an konfrontiert.

    Seit einem Jahr campen die Aktivisten am Augsburger Rathaus.
    Seit einem Jahr campen die Aktivisten am Augsburger Rathaus. Foto: Bernd Hohlen

    Die Aktivisten jedoch werden nicht müde, Passanten zu erklären, wer sie sind und was sie wollen. Auch ein Jahr nach dem Bezug ihres Camps gibt es viel Erklärungsbedarf. Nicht ohne Grund weisen zahlreiche Transparente im Eingangsbereich ihres Areals, das zwei Schilder mit "Am Klimacamp" ausweisen, auf ihre Forderungen hin. Sie wollen einen Systemwandel statt Klimawandel, sie fordern die Einhaltung des Augsburger CO2-Budgets für die 1,5-Grad-Grenze, die Energierevolution und Verkehrswende in Augsburg.

    "Wenn wir der Stadt vertrauen könnten, dass sich etwas ändern wird, würden wir unser Camp abbauen und gehen", sagt Ingo Blechschmidt, der vom ersten Tag an mit von der Partie ist. Doch das Handeln der Stadt spreche in ihren Augen alles andere als dafür, dass genannte Forderungen erreicht werden könnten. "Gerade wurden ja erst Bus- und Trampreise erhöht", so Blechschmidt. Der 32-Jährige ist Mathematiker an der Universität Augsburg und hält als Dozent so manche Online-Vorlesung, während er im Klimacamp die Stellung hält.

    Das Klimacamp am Rathaus ist einigen Augsburgern ein Dorn im Auge

    In jenem Camp, das nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch optisch vielen Augsburgern ein Dorn im Auge ist, haben sich die Aktivisten inzwischen gut eingerichtet. Es gibt ein kleines Büro, zwei Schlafbereiche, eine Küche. Der Strom kommt von Solarzellen, in einer Warmhaltebox befinden sich täglich wechselnde Speisen, die Unterstützer vorbeibringen. "Wir wurden schon von Passanten kritisiert, die Plastikverpackungen in unserer Küche gesehen hatten. Dabei bekommen wir auch Lebensmittel gespendet", erklärt Paula Stoffels.

    Mindestens zwei Personen halten sich immer gleichzeitig im Camp auf - jetzt, da die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, sind es auch wieder mehr. Deshalb könne nun auch wieder ein Programm gestartet werden, sagt Alexander Mai. Vorträge, Diskussionen und der Austausch mit Gleichgesinnten bestimmte den Alltag im vergangenen Sommer. Gäste aus ganz Deutschland holen sich inzwischen in Augsburg Inspirationen und gründeten in ihrer Heimatstadt ähnliche Camps. "Derzeit gibt es in

    Die Klimaaktivisten sind gut über soziale Netzwerke vernetzt. So werden anstehende Aktionen geplant - im vergangenen Jahr gab es eine Vielzahl davon. Die Aktionsformen seien in dem Jahr auch vielfältiger geworden, stimmen die Aktivisten zu. Zuletzt ernteten sie dafür viel Kritik. Zwei Kletterer waren die Fassade des Rathauses hochgeklettert und hatten ein Banner auf rund sechs Metern Höhe angebracht. Darauf stand: "Alle reden vom Klima, wir ruinieren es - CSU". Die Feuerwehr musste ausrücken, um das Areal zu sichern. Sie holte schließlich auch die beiden Kletterer im Korb der Drehleiter wieder auf den Boden.

    Ein Jahr Klimacamp: Am 1. Juli 2020 schlugen Augsburger Klimaaktivisten neben dem Rathaus ihre Zelte auf.
    Ein Jahr Klimacamp: Am 1. Juli 2020 schlugen Augsburger Klimaaktivisten neben dem Rathaus ihre Zelte auf. Foto: Bernd Hohlen

    Aktivist Samuel Bosch sagte nach der Aktion: "Die CSU betreibt mehr Aufwand, sich als Klimaschutzpartei zu inszenieren, als dass sie diese notwendigen Maßnahmen beschließt. Werbeveranstaltungen, wie die Klimasonderratssitzung im Mai täuschen darüber hinweg, dass die Stadt von Klimagerechtigkeit weit entfernt ist." Ingo Blechschmidt würde diese Aktion sofort wiederholen. Die Mitglieder des Camps haben im vergangenen Jahr gemerkt, dass sehr oft keine inhaltliche Diskussion zugelassen werde. Politik und Passanten zeigten oft keinerlei Gesprächsbereitschaft. Dabei suchten die Aktivisten Tag für Tag das Gespräch.

    Im Camp hängen zwei in Folien eingeschweißte Seiten, auf denen die Konterfeis der Augsburger Stadträte abgebildet sind. "Damit wir sie erkennen und ansprechen können", sagt Paula Stoffels. Selten kommt das nicht vor, schließlich liegt das Klimacamp direkt neben dem Rathaus und wird, geht es nach den Aktivisten, dort auch noch eine ganze Zeit bleiben ...

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