Bekannt ist Andreas Garitz in Augsburg für die „Open-Stage“, die er seit sechs Jahren, einmal im Monat, in der Kresslesmühle zeigt. Als Moderator auf der Bühne erinnert er in seinen wechselnden Hawaii-Hemden ein wenig an Jürgen von der Lippe. Dass auch Garitz Humor hat, zeigt seine Ankündigung auf der Open-Stage Webseite. „Diese Varieté-Show ist gut und gespickt mit allerlei Liedgut und Leuten, umrahmt vom leicht dicklichen Moderator Dr. Garitz - alle Kassen - und seinem Tastenbruder Rüdiger Frank und Deutschlands einzigem Show-Bassisten Florian Hartz. Manchmal sind auch beide da, dann versinkt alles im Chaos.“ Sein neuestes Projekt allerdings hat nichts mit Chaos zu tun, im Gegenteil: Garitz sucht darin gezielt nach verschwundenen Dingen - und die Augsburger können ihm helfen.
Für die Open Stage kann sich jeder anmelden, der einen Behauptungswillen für die Bühne verspürt. Der Doktortitel ist echt. Nur der Hinweis auf „alle Kassen“ ist ein Scherz, denn Andreas Garitz ist promovierter Volkskundler. Mit der Open Stage verbindet er das Damals und Heute. Denn die Volkskunde ist eine Kultur- und Sozialwissenschaft und beschäftigt sich mit der Alltags- und Populärkultur. Anders als seine Kollegen und Kolleginnen aus dem Studium, die heute hier und dort Museumsleiter geworden sind, zog es Garitz ausgerechnet am unheilvollen 11. September 2001 nach Augsburg, um bei verschiedenen privaten Radiostationen zu arbeiten. Am Oberen Graben eröffnete er sein „Rekordcafé“. Kaffee schenkt er dort nicht mehr aus, aber hier können Kunden ihre analogen Filme, Tonbänder, Videokassetten und Tonkassetten digitalisieren lassen.
Andreas Garitz erzählt bald besondere „Alltagsgeschichten“
In dem kleinen Geschäft sind so geschickt alte und uralte technischen Geräte gestapelt, dass man zunächst meint, ein Museum zu betreten. Es ist kein Museum und Eintritt muss auch keiner zahlen, aber die Art, die Dinge zu bewahren, zeigen auch hier den Volkskundler. Sein Onlineportal der „verschwundenen Dinge“ begrüßt die Besucher und Besucherinnen mit „Gut Ding will Liebe haben“. Hier werden Alltagsgegenstände beschrieben, die wir längst vergessen oder von denen wir noch nie gehört haben. Damit ist auch eine Fehlstelle in der musealen Landschaft der Stadt Augsburg erwähnt: Ein Stadtmuseum, das fernab der Kunst auch den Alltag der Arbeiter- und Bürgerstadt Augsburg zeigt und erzählt. Das bemerkte die Stadt selbst, als sie im Jahr 2022 eine Stabsstelle für Stadtgeschichte einrichtete und mit der Historikerin Cosima Götz besetzte. Bei ihr und beim Kulturamt wurde Garitz mit seinem „Super 8-Projekt“ vorstellig und konnte beide Amtsstellen davon überzeugen: Im Mai 2025 soll das Projekt mit dem Arbeitstitel „Alltagsgeschichten“ im Zeughaus gezeigt werden. Garitz verfolgt damit ein besonderes Anliegen.
Ab 1965 standen viele Männer plötzlich im Hintergrund, führten aber von dort aus Regie. Das damals noch recht teure Filmen mit der „Super 8-Kamera“ machte dem Fotoapparat Konkurrenz und veränderte den Blick auf das tägliche Leben. Es wurde nun gefilmt, was wichtig erschien - meistens Ereignisse in der Familie, der Zoo-Ausflug, die Dampflokomotive. Aber wer hat den Alltag festgehalten? Straßenszenen, Arbeiter, Angestellte bei ihren Tätigkeiten, das Einkaufen, den Verkehr?
Wie war das, als der Papa, vielleicht sogar die Mama, mit dem neuen Medium begann, die Umgebung im bewegten Bild festzuhalten? Filmen war damals noch Arbeit. Aufnehmen, Entwicklung, Schneiden, Vertonen. Dann das Abspielen der „Super 8- Filme“ auf der Leinwand, vor der heimischen Schrankwand. Davon möchte Andreas Garitz in seiner Ausstellung erzählen. Nicht die Technik steht im Vordergrund, sondern das gemeinschaftliche Erleben. „Ich möchte etwas über das Alltagsgeschehen erfahren. Wer konnte sich das leisten, wie wichtig war das Medium für die Familie, für das private Erinnern, was wurde damit verbunden, gab es besondere Erlebnisse? Schön wäre es, wenn sich auch Frauen finden, die damals mit der Super-8-Kamera gefilmt haben. Dafür suche ich Augsburger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen“, sagt Garitz.
Info: Alle Augsburger und Augsburgerinnen, die sich angesprochen fühlen, können sich unter folgender Mailadresse und Telefonnummer bei Andreas Garitz melden: auskunft@rekordcafe.de und 0821-5083861. Online-Portal: www.verschwundene-dinge.de
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