In Augsburgs historischen Stadtvierteln sind offenbar mehrere prägende Altbauten akut vom Abriss bedroht. Während Anwohner gerade um den Erhalt der Diesel-Villa im Bismarckviertel kämpfen, wird nun ein weiterer Streitfall bekannt. Wie die Stadtverwaltung auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt, liegt der Stadt ein Antrag vor, wonach eine imposante alte Villa im Thelottviertel durch einen Neubau ersetzt werden soll. Auch dieses Projekt ist in der Nachbarschaft umstritten. Und auch dort gibt es überraschende Entwicklungen.
Die Villa, deren Zukunft auf dem Spiel steht, ist ein historisches Gebäude an der Perzheimstraße 36. Sie wurde um 1911/12 von den bekannten Augsburger Architekten Sebastian Buchegger und Heinrich Sturzenegger errichtet. Bauherr war der Fabrikdirektor Friedrich Hans. Gleich hinter der Villa ließ er von denselben Architekten die Gewehrpfropfenfabrik Hammer & Co. errichten. Der Fabrikbau an der Ravenspurgerstraße steht ebenfalls bis heute. Zwischen den beiden Gebäuden, die inzwischen verschiedene Eigentümer haben, liegt ein großer grüner Garten.
Die Villa im Augsburger Thelottviertel steht seit Jahren leer
Während der Fabrikbau modernisiert wurde und neu genutzt wird, ist die Fabrikantenvilla in die Jahre gekommen. Sie steht seit vielen Jahren leer. Und nicht nur Anwohner machen sich nun große Sorgen um den schönen Altbau. Auch die beiden Augsburger Architekturhistoriker Gregor Nagler und Barbara Wolf sehen den zunehmenden Verfall mit Sorge. "Im Thelottviertel ist der Bau ein Solitär, weil es dort gar nicht so viele einzeln stehende Villen gibt", sagt Nagler. Umso überraschter war Wolf, als sie bei ihren Nachforschungen über dieses besondere Gebäude feststellte: "Die Villa ist weder ein Einzeldenkmal noch ist sie im Ensemble geschützt." Das bestätigt auch die städtische Bauverwaltung. Dort liegt nun ein Antrag für einen Neubau vor, der anstelle der alten Villa entstehen soll. Letztere müsste also abgerissen werden.
Nachbar Bernd Schönbrodt gehört das modernisierte Fabrikgebäude nebenan. Er wehrt sich gegen einen Abriss der alten Villa und die Neubaupläne - aus verschiedenen Gründen. "Das ganze Areal war einmal eine Fabrik mit Villa und Park", sagt er. Aus seiner Sicht ist die Fabrikantenvilla damit ein prägendes Gebäude nicht nur im Ensemble, sondern auch im Thelottviertel, und sollte erhalten werden. Schönbrodt ärgert sich noch aus einem anderen Grund. Er sagt, die Neubaupläne seien nur möglich geworden, weil er dem Nachbarn einen Gefallen getan habe. Dieser habe ihn um den Tausch eines Grundstücksstreifens im Garten gebeten, um die Villa besser nutzen zu können. "Ich habe den Tausch nur gemacht, weil mir gesagt wurde, dass sie saniert wird und der Eigentümer sie zu seinem Familiensitz machen will", so Schönbrodt. Er befürchtet, dass er nun ein deutlich größeres, modernes Mehrfamilienhaus gegenüber in den Garten gesetzt bekommt. Als Nachbar habe er im vergangenen Jahr seine Zustimmung zu einem entsprechenden Projekt verweigert.
Eigentümer bestreitet geplanten Abriss des Gebäudes
Der Eigentümer der Villa bestreitet die Abrisspläne. Auf Anfrage unserer Redaktion sagt er: "Es ist schon mein Kindheitstraum gewesen, dieses Haus einmal zu bewohnen." Er habe die Villa vor Jahren gekauft, um sie im Alter zu sanieren und selbst zu nutzen. Zwar habe er "zwischendrin" einen Neubau in Erwägung gezogen. Wegen der Corona-Krise und der explodierenden Baukosten habe er von den Neubauplänen wieder Abstand genommen. Nun sei weiterhin eine Sanierung der Villa geplant. Wegen Problemen mit der alten Bausubstanz werde sich diese "zeitlich nach hinten verlagern".
Im Thelottviertel ist der Besitzer des historischen Hauses ein bekannter Mann, zu diesem Thema will er sich aber nicht mit seinem Namen zitieren lassen. Er engagiert sich in der Bürgerinitiative des Viertels. Auf der Homepage der Initiative werden vorrangige Ziele genannt. Dazu zählen die Erhaltung und Förderung der Stadtteile Rosenau- und Thelottviertel als gewachsenes Wohnviertel, die Wahrung dieser Stadtteile als Lebensraum sowie die Erhaltung des gewachsenen städtebaulichen Erscheinungsbildes."Wir fühlen uns dem Wohl des Stadtteiles und seiner Bewohner verpflichtet", ist dort nachzulesen.
Die Stadt Augsburg bearbeitet einen Antrag auf einen Neubau
Damit bleibt die Frage: Ist der Abriss der roten Villa wirklich vom Tisch? Eine Anfrage bei der Stadt zumindest ergibt etwas anderes. Dort werden die Neubaupläne offenkundig als aktuell eingestuft. Die Bauverwaltung teilt mit, für den Neubau anstelle der Villa Perzheimstraße 36 sei ein Bauantrag gestellt worden. Das Volumen und die Straßenansicht des geplanten Neubaus entsprächen ungefähr dem Bestandsgebäude. unter anderem, weil eine große alte Rotbuche erhalten werden soll. Das Baugesuch sei in Bearbeitung, aber noch nicht genehmigt. Im März soll das umstrittene Projekt im Bauausschuss des Stadtrats vorgestellt werden.
Die Bauverwaltung hat nach eigenen Angaben eine klare Position vertreten: Im Rahmen der Bauberatung habe das Stadtplanungsamt mehrfach nachdrücklich den Erhalt des Gebäudes empfohlen. Dem äußeren Anschein nach befinde sich die Villa in einem guten Zustand, teilt das Baureferat mit. Doch offenkundig gibt es derzeit auch in diesem Fall keine Möglichkeit, den Erhalt der nicht geschützten Villa rechtlich durchzusetzen. "Das bestehende Gebäude ist kein Einzelbaudenkmal und liegt auch nicht im Denkmalensemble des Thelottviertels", so die Stadt.
Parallelen gibt es zu einem anderen aktuellen Fall. Dort geht es um einen Altbau im Augsburger Bismarckviertel - die Diesel-Villa in der Hochfeldstraße 15. Der neue Eigentümer, Immobilienunternehmer Maximilian Wolf, will das historische, ebenfalls nicht geschützte Gebäude abreißen und einen Neubau hinstellen. Und doch ist die aktuelle Situation in diesem Viertel anders. Zahlreiche Anwohner protestieren vehement gegen die Pläne und sammeln Unterschriften. Auch die Bauverwaltung und die Stadtregierung von CSU und Grünen wollen eine Rettung der Villa. Sie streben eine neue Erhaltungssatzung fürs Bismarckviertel an. Sie soll dort charakteristische Bauten fürs Stadtbild schützen. Die Satzung ist gerade in Arbeit. Sie muss aber noch vom Stadtrat beschlossen werden. Erst dann kann sie ihre rechtliche Wirkung entfalten.
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