Vor über zwei Monaten haben junge Umweltaktivisten ihr Klimacamp auf dem Fischmarkt neben dem Rathausplatz errichtet. Eine prominentere Stelle gibt es in Augsburg kaum, um seinen Protest kundzutun. Es gibt Unterstützer, aber genauso auch viele Augsburger, denen das nicht gefällt. Manche ärgern sich sogar richtig darüber. Die Kritik am Camp hat, so scheint es zumindest, zuletzt zugenommen. Das hat sicherlich auch mit einzelnen Aktionen der Aktivisten in den vergangenen Wochen zu tun, die für viele nicht mehr nachvollziehbar sind.
Klimacamp wird gar als "Schandfleck für Augsburg" kritisiert
Aber von vorne. Das Lager hat sich zunehmend verändert. Klein angefangen, stehen dort inzwischen mehrere Zelte, Hochbeete und Pavillons. Mit bunten Plakaten machen die Camper auf ihr Anliegen, den konsequenteren Kampf gegen den Klimawandel, aufmerksam. Fahnen wehen im Wind. Was für die einen eine kreative Form des Protests darstellt, wird von anderen als Verschandelung der Stadtmitte betrachtet.
Leser, die unserer Redaktion schreiben, sprechen von einem "Klimacamp-Verhau", einer "Provokation", gar von einem "Schandfleck für Augsburg". Nun ist es kein Geheimnis, dass die Stadt das Klimacamp auflösen wollte. Doch das Verwaltungsgericht kassierte die städtische Räumungsanordnung in einem Eilverfahren.
Die einzige Wahrheit gibt es nicht
Noch steht das Hauptverfahren aus. Ein Termin ist bislang nicht bekannt. Wird den Klimaaktivisten Recht zugesprochen, wollen sie den Winter über weiter neben dem Rathaus zelten. Das haben sie bereits angekündigt. Das klingt nicht nur nach einer Drohung, es ist als solche zu verstehen. Die Aktivisten wollen das Camp erst aufgeben, wenn die von ihnen formulierten Ziele erreicht sind. Die engagierten, jungen Leute sehen es als einzige Möglichkeit, Druck auf die Politik auszuüben. "Liebevoller, ziviler Ungehorsam" hat ein Sprecher des Klimacamps die Protestaktionen betitelt. Die Kritiker wiederum sprechen von Erpressung.
Die Wahrheit ist, wie so oft, perspektivenabhängig. Die einzige Wahrheit gibt es nicht. Man kann sehr wohl Verständnis für das Engagement der jungen Menschen und für ihre Sorgen haben. Man kann es gutheißen, dass sie sich politisch interessieren und engagieren. Denn das hat freilich mehr Substanz, als in der Freizeit nur selbstverliebte Selfies in sozialen Netzwerken zu posten. Nachvollziehbar ist aber auch, dass Menschen sich von den Aktivisten nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie zu leben haben, und sie angesichts verschiedener Aktionen sauer werden.
Was geht die Klimaaktivisten ein neues Autohaus an?
Wie etwa die Demonstration am Tag der Neueröffnung eines Autohauses in Lechhausen. Die Umweltschützer befanden, dass jedes neue Autohaus ein Symbol für das Versagen der Mobilitätspolitik darstelle. Zudem würden mit dem neuen Gebäude unnötig neue Flächen versiegelt und klimaintensive Ressourcen verbraucht, so die Kritik. Das kann man so sehen. Aber geht es die Aktivisten etwas an, wenn ein Unternehmen in einen Neubau und in seine Zukunft investiert oder wenn Bürger sich ein neues Auto - auch mit Verbrennungsmotor - kaufen wollen? Diese Frage lässt sich durchaus beantworten mit: Nein, es geht sie nichts an.
Die Augsburger müssen es auch nicht gut finden, wenn auf einem Parkplatz in der Maximilianstraße ein Hochbeet aufgestellt wird. Vor Ort ansässige Geschäftsleute etwa sind sicherlich froh über die Parkplätze und profitieren davon, dass Kunden dort schnell halten können. Dass die Aktivisten auch noch Strafanzeige gegen die Stadt gestellt haben, weil diese das Hochbeet abgebaut hat, scheint nicht nur absurd, sondern mutet maßlos an. Und genau das ist vermutlich eines der Probleme, die viele Augsburger mit den Klimacampern haben. Die Aktivisten sind in ihren Forderungen für viele zu extrem, zu kompromisslos.
Es geht nicht um ihr Grundanliegen, es geht um die Art und Weise, es erzwingen zu wollen. Die Bürger wollen sich nun einmal nicht einen Lebensstil diktieren lassen. Das entscheiden die von ihnen demokratisch gewählten Volksvertreter, das entscheidet auch jeder persönlich für sich mit seinem Gewissen. Aber sicherlich kein Klimacamper.
Extreme Positionen sind selten gut. Das wusste bereits der griechische Philosoph Aristoteles, der bei Handlungen für die verstandesgemäße Mitte plädierte. Zu viel oder zu wenig einer Sache fand er meist schlecht. Eine Demokratie lebt von Meinungsvielfalt. In diesem Fall müssen sich die Kritiker beider Seiten weiterhin gegenseitig aushalten - bestenfalls bewegen sie sich aufeinander zu.
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