Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Dirtpark: Kritik an Zerstörung des Fahrrad-Parcours in Göggingen

Augsburg

Dirtpark: Kritik an Zerstörung des Fahrrad-Parcours in Göggingen

    • |
    Wo vor wenigen Tagen noch die Gögginger Kinder Rad gefahren sind, liegen jetzt kreuz und quer gefällte Bäume.
    Wo vor wenigen Tagen noch die Gögginger Kinder Rad gefahren sind, liegen jetzt kreuz und quer gefällte Bäume. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Bürger im Augsburger Stadtteil Göggingen sind fassungslos: Wo früher ein Wäldchen mit ausgewaschenen Fahrradpfaden war, liegen jetzt zwischen den Bäumen Stämme kreuz und quer. Sie wurden gefällt oder aus anderen Teilen des Waldes hierher gezogen. Wie Mikado-Stäbe liegen sie aufeinander. Die Szenerie erinnert an einen Katastrophenfilm. Verständnislos, wütend und traurig reagieren die Bewohner von Göggingen und der Schafweidsiedlung angesichts der Zerstörung, die die Forstverwaltung in "ihrem" Gögginger Wäldchen hinterlassen hat. Von einer "Riesen-Sauerei" spricht etwa Thomas Reitmeir vom Vorstand der Siedlergemeinschaft der Schafweidsiedlung. Beim Versuch, einen "illegalen Dirtpark" im Wald zu beseitigen, wurde die beliebte Spazier- und Radstrecke in ein Chaos verwandelt. Nicht nur Kinder sind fassungslos, wie im Namen des Naturschutzes ihre Waldrennbahn verwüstet wurde.

    Eine ganze Tüte voller Kinderbriefe hat Petra Kleber von der Arge Göggingen deshalb Oberbürgermeisterin Eva Weber auf den Tisch gestellt. "Bitte schütten Sie die Rennbahn nicht zu. Meine Freunde wären sehr traurig, und ich auch", schreibt etwa ein zehnjähriger Junge aus der Schafweidsiedlung.

    Der Dirtpark in Göggingen war bei Mountainbikern beliebt

    Auf den ersten Blick ist es nur schwer verständlich, wie die Maßnahmen der Stadt dem Umweltschutz dienen sollen. Als die ersten Fotos der Maßnahme durch die sozialen Medien gingen, erhob sich ein Sturm der Entrüstung, nicht nur von Anwohnern. Über Tage klingelten die Telefone bei der Stadt und auch in der Redaktion, in Leserbriefen und E-Mails ärgerten sich die Menschen über das Vorgehen der Forstverwaltung.

    Die Kinder der Schafweidsiedlung haben Bilder für die Oberbürgermeisterin gemalt, die zeigen,was sie von der Zerstörung ihrer Fahrradrennbahn halten.
    Die Kinder der Schafweidsiedlung haben Bilder für die Oberbürgermeisterin gemalt, die zeigen,was sie von der Zerstörung ihrer Fahrradrennbahn halten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Stadt hatte in einer Pressemitteilung zunächst geschrieben, man beseitige einen "illegalen Dirtpark im Landschaftsschutzgebiet Gögginger Wald". Die Stadt spricht von "intensiven Grabungen und Erdbewegungen im Wald", die dort vorgenommen worden seien. Eine Aussage, die die Gögginger nur den Kopf schütteln lässt. "Hier radeln die Kinder schon seit mindestens 50 Jahren, ich selbst bin dort als Bub mit dem Radl rumgesaust", sagt etwa Bernd Klinger. "Den meisten Anwohnern ist die Strecke als Carrera-Bahn bekannt und diente schon weit vor Mountainbike und BMX Generationen von Kindern als Fahrradparcours", ärgert sich der Anwohner. Vermutlich ist die Strecke sogar noch viel älter - selbst ein über 80-jähriger Gögginger erinnert sich an seine Fahrradabenteuer im Gögginger Wäldchen. Heute werden solche Strecken als Dirtparks bezeichnet - das englische Wort Dirt (Dreck) bezieht sich auf die Nutzung solcher Anlagen: Die Nutzer radeln über Erdhügel, versuchen sich in Sprüngen und Fahren auf unebenem Gelände.

    Anwohner des Fahrrad-Parcours bestreiten bauliche Veränderungen

    Die baulichen Veränderungen wollen die Anwohner so nicht stehen lassen. Die Strecke durch den Wald folgt dem Vorland-Graben, ist also natürlichen Ursprungs, betont Andreas Steidle vom TSV Inningen, der sich seit Langem an der Diskussion um Mountainbike-Strecken im Wald engagiert und selbst in der Schafweidsiedlung lebt. An einigen Stellen haben die Kinder Rampen und Sprungschanzen gebaut - hier von baulichen Veränderungen zu sprechen, hält Steidle für übertrieben. Er betont, dass die Strecke nahezu ausschließlich von den Gögginger Kindern genutzt wird und nicht wie andere in Kritik geratene Waldrouten von erwachsenen Mountainbikern.

    Forstamtsleiter Jürgen Kircher (links) erklärte bei einem Ortstermin den Anwohnern die Maßnahmen.
    Forstamtsleiter Jürgen Kircher (links) erklärte bei einem Ortstermin den Anwohnern die Maßnahmen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Bei einem Ortstermin erklärte Forstamtsleiter Jürgen Kircher das Vorgehen der Stadt. "Als Verwaltung sind wir an Recht und Gesetz gebunden", betonte er. "Gemäß der Schutzgebietsverordnung ist es verboten, im Gögginger Wäldchen Veränderungen vorzunehmen, die das Landschaftsbild verändern oder die Natur beeinträchtigen." Wenn er als Amtsleiter von so einer Anlage erfahre und nichts unternehme, bedeute das aus rechtlicher Sicht eine Duldung der Anlage. "Dann sind wir als Stadt sofort in der Haftung, wenn etwas passiert." Selbst wenn die Eltern im Falle eines Unfalls nichts gegen die Stadt unternähmen, würde spätestens die Versicherung Schadensersatzansprüche geltend machen.

    Darüber hinaus sei nach dem bayerischen Waldgesetz das Radeln im Wald nur auf geeigneten Wegen erlaubt. Das Querfeldeinradeln durch den Waldbestand sei genauso verboten wie auf sogenannten Rückegassen, den unbefestigten forstwirtschaftlichen Wegen zum Transport gefällter Bäume. Kircher stimmte vor Ort den Anwohnern zu, dass das momentane Ergebnis schlimm aussieht. "Das wird auch wieder hübscher", versprach er den Teilnehmern der Ortsbegehung.

    Musste man die Fahrradstrecke während Corona wegnehmen?

    Besonders ärgerlich ist aus Sicht vieler Eltern, dass die Stadt die beliebte Waldstrecke gerade in einer Zeit, in der die meisten Freizeitaktivitäten für die Kinder nicht möglich sind, zerstört hat. "Hätte man da nicht bis nach Corona warten können?", fragt sich eine Mutter. Hintergrund, dass die Strecke gerade jetzt aufgefallen ist, sei ein Revierleiterwechsel, in dessen Rahmen das Gögginger Wäldchen genau unter die Lupe genommen wurde, entgegnet Kircher.

    "Es war im Vorfeld klar, dass den Menschen nicht gefällt, wenn wir ihren Kindern und Jugendlichen die Strecke wegnehmen", sagt Kircher am Rand der Ortsbegehung. Wo immer eine solche Strecke mit dem Wald- und Naturschutzrecht kollidiere, gebe es große Diskussionen, wie man das Interesse der Menschen an ihrer Freizeitbeschäftigung mit dem Recht in Einklang bringen könne.

    Mit Briefen an Oberbürgermeisterin Eva Weber hoffen die Kinder, noch etwas für ihre Waldstrecke tun zu können.
    Mit Briefen an Oberbürgermeisterin Eva Weber hoffen die Kinder, noch etwas für ihre Waldstrecke tun zu können. Foto: Silvio Wyszengrad

    Schon seit längerer Zeit gibt es Diskussionen, wie man mit Mountainbikern in den Wäldern in und um Augsburg umgehen soll. So kommt es im Naturpark Westliche Wälder immer wieder zu Konflikten zwischen Naturschützern und Radlern, auch dort wurden einige beliebte Trails gesperrt. Mittlerweile gibt es einen runden Tisch, an dem alle Beteiligten nach einer Lösung suchen. Bei der Stadt sei man intensiv auf der Suche nach geeigneten Flächen, beispielsweise für sogenannte Pumptracks, wo BMX- und Mountainbike-Fahrer ihrem Sport nachgehen können, sagt Sportamtsleiterin Petra Keller. Allerdings sei die Suche schwierig, weil bei den meisten Liegenschaften der Stadt der Landschafts- oder Naturschutz einer solchen Nutzung entgegenstehe.

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Dirtpark: Die Stadt hätte mit den Bürgern reden sollen

    Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden