Diesen Abschied hat Hansjörg Schuster nicht verdient: 20 Jahre lang kümmerte sich der 60-jährige Polizeihauptkommissar um den Fernfahrerstammtisch an der Raststätte der Autobahn Augsburg Ost - und dann warten er und seine Kollegen vergeblich auf die Fernfahrer. Polizeidirektor Christian Mergel, der die Verabschiedung durchführen soll, ist peinlich berührt, sucht aber nicht die Schuld bei den Brummifahrern: „Das Problem ist, dass wir die Geschichte etwas einschlafen haben lassen. Es wäre wieder die erste Veranstaltung seit Corona gewesen. Wir haben zwar den Termin auf allen Social-Media-Kanälen kommuniziert, aber leider ohne Erfolg.“ Schuster selbst sah noch einen anderen triftigen Grund: „Wir hatten früher auch schon Probleme, wenn am Abend Bayern München gespielt hat.“ Und an diesem Abend fand das Champions-League Duell zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern statt.
Dennoch: Die Verabschiedung von Hansjörg Schuster, der im kommenden Jahr in Pension geht und die Begrüßung seines Nachfolgers Udo Nischwitz,von der Autobahnpolizei Gersthofen ließen sich seine Kollegen nicht nehmen. Zumal auch Fernfahrerseelsorger Georg Steinmetz, der Schuster über Jahre begleitet hat, anwesend war, wie die extra angereiste Andrea Möller von der Polizei in Niedersachsen, die den Bundesvorsitz aller Stammtische (23) in Deutschland übernommen hat. Auch der leitende Polizeidirektor Konrad Stangl, der zusammen mit Schuster den Stammtisch gegründet hat, war dabei.
Fernfahrer: „Ohne Polizei wären wir Freiwild für die Unternehmer“
Die Einrichtung des Fernfahrerstammtisches hat sich im Prinzip als eine richtig gute Sache erwiesen. „Der Austausch mit Fernfahrern über deren Sorgen und Nöte ist enorm wichtig. Im Lauf der Jahre haben sich auch Freundschaften entwickelt. Wir als Polizei sind nicht mehr der erklärte Feind“, meint Schuster. „Manche sagen sogar: Wenn ihr nicht wärt, dann wären wir noch mehr Freiwild für unsere Unternehmer“, so Schuster weiter. Gemeint sind dann die Lenk- und Ruhezeiten, die sich manche Fahrer gar nicht mehr trauen einzuhalten. In puncto Sicherheit gibt es aber keinen Spielraum: „Auf den Straßen werden große Massen bewegt. LKW, die nicht richtig geladen sind, müssen aus dem Verkehr gezogen werden“, meint der Hauptkommissar. Auch das gehört zu den Stammtischthemen.
Schuster weiß auch: „Die Strafen und Sanktionen sind bei den meisten Firmen mit eingeplant.“ Der verheiratete, dreifache Familienvater hat im Lauf der Jahre aber auch viel über persönliche Schicksale erfahren. „In dieser Branche gibt es einige gescheiterte Existenzen, die mit ihrem Lastwagen verheiratet sind. Die haben oft keine Wohnung, kein geordnetes Familienleben und verbringen auch ihre freie Zeit meist oft auf Rastplätzen.“ Apropos Parkplätze. Auch an der Ausfahrt Ost wird schnell klar: Parkplätze sind das größte Problem. „Ganz schwierig“, zuckt Schuster mit den Schultern. Parkplätze mit einer Raststätte und sanitären Einrichtung sind schnell belegt und wild parken soll vermieden werden. Für die Polizei und die Fahrer ist das ein ewiger Kampf.
Am späten Abend trudelt schließlich doch noch ein Fernfahrer ein, den Schuster persönlich begrüßt. „Als wir 2004 angefangen haben, waren auch nur fünf Fernfahrer da, aber das hat sich dann gesteigert. Also 20 bis 25 Fahrer waren an den 150 Abenden, die ich in dieser Zeit geleitet habe, immer dabei. Manchmal sogar 30 oder 40. Schuster spricht dann über Vorfälle in der Szene, wie den berüchtigten Sekundenschlaf bei den Fernfahrern: „Deswegen hatten wir vor ein paar Jahren einmal eine Serie in Bayern von Unfällen.“ Oder von Dieben, die auf Parkplätzen die Planen der LKW aufschlitzen und an wertvolles Gut wollen. Schuster erzählt aber auch schöne Geschichten. Wie die von einer Familie mit drei Kindern, die im Transportwesen tätig ist und die jedes Jahr an Weihnachten Gebäck für die Fahrer spendiert. Schuster lacht: „Da hat sich eine richtige Verbundenheit entwickelt.“ Schuster sagt, was ihm immer wichtig war: „Im Fokus steht der Mensch und für uns zählt der Mensch hinter dem Fahrer.“ Sein Erbe sieht er jetzt bei seinem Nachfolger Udo Nischwitz in den allerbesten Händen.
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