Die einen sprechen von der Kantine, wenn sie mittags ins Betriebsrestaurant gehen. Nachtschwärmer meinen damit eher einen Club am Königsplatz, der derzeit wegen Corona pausieren muss. Seit einiger Zeit gibt es in Augsburg noch eine weitere Option - den eingetragenen und gemeinnützigen Verein Kantine. Er hat sich zum Ziel gesetzt, "gut erhaltene Lebensmittel vor der Entsorgung zu sammeln und an die Bedürftigen zu verteilen".
Wie das in der Praxis abläuft, kann man beispielsweise vor einem Ladengeschäft in der Ulmer Straße im Stadtteil Oberhausen beobachten. Vor der Tür stapeln sich die Klappboxen, mit denen zuvor die Ware ins Innere gebracht wurde. Menschen stehen an, um wenig später mit einer Tasche voller Lebensmittel den Heimweg anzutreten. Bei dem einen oder anderen zeichnet sich unter der Schutzmaske ein Lächeln ab.
In Augsburg gibt es drei Kantine-Ausgabestellen
Auch Kantine-Vorsitzender Ashraf Rashwan freut sich, dass er mit Waren, die im Supermarkt oder der Bäckerei nicht mehr verkauft würden, anderen eine Freude machen kann. Wie der gebürtige Ägypter erzählt, holen er und seine Helfer bei diversen Supermärkten und Bäckereien an mehreren Tagen pro Woche Lebensmittel ab und bringen diese in die jeweiligen Ausgabestellen. Jeweils Montag, Freitag und Samstag sind die Kunden in der Ulmer Straße 14 in Oberhausen willkommen. Dienstag und Donnerstag gibt es die Nahrungsmittel im Kriegshaber Pfarrheim am Kobelweg 1 und am Mittwoch im Pfarrzentrum St. Elisabeth in Lechhausen, Kolbergstraße 1.
Berechtigt zum Mitnehmen der Lebensmittel sind laut Rashwan Arbeitslose und Rentner, aber auch Studenten mit geringem Einkommen. Prinzipiell werde geprüft, ob die Kunden in diese Kategorien fallen. "Wenn wir aber mal etwas zu viel haben, dürfen sich auch andere bedienen", sagt der Vorsitzende. Schließlich wolle man nicht nur Bedürftigen helfen, sondern auch Lebensmittel retten. "Bei uns zahlt jeder, ob Einzelperson oder Familie, drei Euro und kann dann mitnehmen, soviel er will." Sollten die Kunden kleine Kinder oder ein Haustier haben, landet unter Umständen Babykleidung oder eine Dose Hundefutter in der Tasche.
Die Kantine beliefert auch Kunden
Zum Einsammeln der Waren stehen dem Verein sechs Fahrzeuge zur Verfügung. Zur Zeit dienten die Wagen auch dazu, einen Teil der Kunden daheim zu beliefern, erläutert der Vorsitzende. "Einige von ihnen sind nicht mobil oder wollen wegen Corona nicht aus dem Haus gehen." Ansonsten achteten er und seine Helfer darauf, dass die Menschen vor den Ausgabestellen warten, bis sie an der Reihe sind, und es kein Gedränge gibt.
Die Kantine-Abläufe ähneln dem Prozedere der Tafel Augsburg. Ashraf Rashwan, der von Beruf Tauchlehrer ist, hat dort einige Zeit als ehrenamtlicher Helfer mitgewirkt. Über die Gründe, warum er jetzt sein eigenes Ding macht, spricht er nicht. Er betont aber, er betrachte die Arbeit seines Vereins nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Ähnlich äußert sich auf Anfrage die Tafel. "Es gibt erfreulicherweise in Augsburg viele Hilfsorganisationen, die sich mit ihren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern um bedürftige Menschen kümmern, was gerade in diesen schwierigen Zeiten wichtiger ist denn je." Dadurch könnten Menschen, die nur wenig Geld zum Leben haben, regelmäßig unterstützt werden.
Bei der Augsburger Tafel gibt es fertig gepackte Tüten
Die Augsburger Tafel besteht seit 25 Jahren. Aktuell versorgt sie in ihren sechs Ausgabestellen in fünf Stadtteilen und in Stadtbergen rund 3500 Klienten. Wegen der Corona-Pandemie bekommen diese momentan fertig gepackte Tüten ausgehändigt. Im Spätherbst, als die Infektionszahlen nach oben gingen, waren die Standorte ein paar Wochen geschlossen. Die Tafel-Vorstandschaft liebäugelte mit einer zentralen Ausgabestelle, etwa in einer großen Messehalle, um den Menschen das Warten in der Kälte zu ersparen. Diese Pläne haben sich jedoch zerschlagen.
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