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Augsburg: Diese Geschichte steckt hinter Augsburgs ältestem Baum

Wunderschöne alte Bäume findet man in Augsburg an verschiedenen Stellen. Hinter vielen steckt eine besondere Geschichte.
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Diese Geschichte steckt hinter Augsburgs ältestem Baum

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    Augsburgs wohl ältester Baum steht in Göggingen

    Mit einer imponierenden Krone beeindruckt Augsburgs wohl ältester Baum - ein Nussbaum mit der botanischen Bezeichnung "Juglans intermedia". Er steht an der Gögginger Straße 141 kurz vor dem Klausenberg in einem Privatgrundstück. Rund 30 Meter hoch ragt der Riese hinter der Gartenmauer auf. Fachleute gehen davon aus, dass der Baum mindestens 200 bis 300 Jahre alt sein muss, vielleicht noch älter. Er ist eine Mischung aus Wal- und Schwarznuss. Das Exemplar in Göggingen gilt als einer der ältesten, wenn nicht der älteste Baum, der heute noch an

    Die Nussbaummischung gelangte vermutlich im Zuge von mediterranen Handelsbeziehungen in die Fuggerstadt. Der frühere städtische Grünamtsleiter Kurt R. Schmidt sagte vor einigen Jahren, er sei der einzige Baum dieser Sorte in Augsburg. Das botanische Unikat entwickelt im Sommer ein riesiges Blätterdach. Damit produziert es Sauerstoff, bindet CO₂ und verdunstet wohl einige 100 Liter Wasser pro Tag. Allerdings galt der Baumriese zeitweise auch als Problemfall. Ein früherer Eigentümer klagte über die hohen Kosten, die anfallen, um ihn standsicher zu halten. Denn als öffentliches Naturdenkmal ausgewiesen ist dieser besondere Baum nicht.

    Der wohl älteste Baum Augsburgs steht in Göggingen in einem Privatgarten.
    Der wohl älteste Baum Augsburgs steht in Göggingen in einem Privatgarten. Foto: Bernd Hohlen

    Vor sieben Jahren haben Annette Goik und Peter Lochmüller das Grundstück an der Gögginger Straße gekauft. Zuerst sahen sie die große Verantwortung, die mit diesem grünen Giganten verbunden ist. Heute sagen sie: "Wir mögen ihn schon sehr." Auch wenn sein Erhalt ins Geld geht. Allein im vergangenen Jahr war eine neue Verspannung nötig, Baumpfleger mussten den Nussbaum kräftig zurückschneiden, damit er verkehrssicher bleibt. "Der Umweltschutz kostet uns jedes Jahr den Betrag eines kleinen Mallorca-Urlaubs", sagt

    Was Annette Goik Sorgen macht, sind die zunehmenden Stürme. "Der Baum lebt heute anstrengender als vor zehn Jahren", sagt sie. Wenn die Böen in den Riesen hineinfahren, brechen immer wieder mal große Äste ab. Mit einem Fernglas kontrollieren die Eigentürmer in solchen Fällen, wie groß der Schaden ist. Sie sind beeindruckt, wie stark und vital der große alte Baum noch immer dasteht. Der Schatten sei im Sommer sehr angenehm, und auch bei Vögeln sei das gewaltige grüne Blätterdach sehr beliebt. "In unserem Baum wohnt ein kleiner Zoo", sagt Annette Goik.

    Ein typischer Augsburger Baum hat Probleme

    Wer sich in Augsburg mit dem Thema "Bäume" beschäftigt, stößt unweigerlich auf die Waldkiefer (Pinus sylvestris). Sie kommt am besten mit den nährstoffarmen Kiesböden in den Auen des Lechs und der Wertach zurecht. Daher ist sie dort natürlicherweise die dominierende Baumart. Heute hat sie Probleme an ihrem Standort. Wuchernde Büsche nehmen ihr viel Licht.

    Die voralpinen Kiefernwälder auf Flussschottern, so wird dieser Waldlebensraum von Experten bezeichnet, sind der ursprüngliche Lebensraum zahlreicher Arten der Heiden an Lech und Wertach. Die Augsburger trieben über Jahrhunderte ihr Vieh in die Kiefernwälder, um es dort weiden zu lassen, vor allem Rinder. Das hatte positive Folgen für die Natur: Die Beweidung förderte eine einzigartige Artenzusammensetzung. Später wurden große Teile der Kiefernwälder gerodet. Übrig blieb die artenreiche Kraut- und Strauchschicht. Sie diente Wanderschäfern lange Zeit als Weideland.

    Früher waren Kiefern auf den Augsburger Heiden eine weit verbreitete Baumart, heute sind große alte Exemplare wie diese eine Besonderheit.
    Früher waren Kiefern auf den Augsburger Heiden eine weit verbreitete Baumart, heute sind große alte Exemplare wie diese eine Besonderheit. Foto: Nicolas Liebig

    Noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestand die Landschaft vor den Toren Augsburgs aus solchem Weideland. Viel ist davon nicht übrig geblieben. Reste sind etwa die Dürrenastheide im Naturschutzgebiet "Stadtwald Augsburg" in der Nähe des Univiertels. In unmittelbarer Nähe liegt die Straßenbahnhaltestelle der Linie 2 "Am Dürren Ast".

    Der Name "Dürrenast" hat nichts mit den Ästen eines Baumes zu tun, wie man vermuten könnte. Er entwickelte sich aus der Bezeichnung "Dürre Äsung", was so viel bedeutet wie "Dürre Weide", was exakt die Standortbedingungen auf der Fläche umschreibt. Der Geschäftsführer der städtischen Landschaftspflege, Nicolas Liebig, sagt, dort wachsen die schönsten und wahrscheinlich auch ältesten Kiefern im Stadtgebiet von Augsburg.

    Der "Talking Tree" vom Eiskanal

    Den heimischen Bäumen geht es schlecht. Sie leiden unter großer Hitze und Wassermangel. Wie sehr ihnen der fortschreitende Klimawandel zusetzt, kann man in Augsburg an der "sprechenden Buche" am Eiskanal mitverfolgen. 2019 wurde sie als erster Baum in Bayern so ausgestattet, dass sie im Internet ständig Daten liefert, wie sie sich fühlt.

    Diese mächtige Buche am Augsburger Eiskanal wurde mit Sensoren ausgestattet. Dadurch kann der Baum ständig seine Vitaldaten übermitteln, im Mai soll er wieder online gehen.
    Diese mächtige Buche am Augsburger Eiskanal wurde mit Sensoren ausgestattet. Dadurch kann der Baum ständig seine Vitaldaten übermitteln, im Mai soll er wieder online gehen. Foto: Christoph Kölle

    Seitdem trackt die Buche ihre Fitness und teilt ihre Daten mit der ganzen Welt. Der rund 100 Jahre alte Baum wurde so ausgewählt, dass er für Spaziergänger leicht zu finden ist. Er steht an der Brücke über den Hauptstadtbach zwischen dem Kanu-Leistungszentrum und dem historischen Wasserwerk. Jeweils in der Sommersaison übermittelt er ständig seine aktuellen Vitalwerte. Ähnlich ausgestattete Bäume gibt es auch in Berchtesgaden, Eichstätt und München. Aktuell befinden sich die Bäume noch im Winterschlaf und übermitteln nur sporadisch Informationen. Im Mai 2022 sollen alle Sensoren wieder angebracht werden und Daten übertragen unter Talking Tree - Stadt Augsburg. Eine Neuerung auf der Webseite kündigt Marvin Lüpke von der TU München an. "Wir werden kleine Storys für interessierte Laien vorbereiten, wie sich die aktuelle Witterung auf die Fitness des Baumes auswirkt."

    Das Projekt "Baum 4.0" läuft am Lehrstuhl für Ökoklimatologie der TU München zusammen mit der städtischen Forstverwaltung und weiteren Partnern in Bayern. Den Hintergrund erklärte zum Auftakt des Projekts Professorin Annette Menzel. Sie sagte, die Auswirkungen des globalen, menschgemachten Klimawandels seien auch hierzulande überall zu spüren. Wenn nicht gegengesteuert werde, sei ein Temperaturanstieg um vier Grad bis zum Jahr 2100 zu erwarten. Die aktuellen Hitzesommer würden dann wohl Mitte des Jahrhunderts zum Normalfall. Die Folge: Bei Temperaturen wie in der Provence oder an der Adria werde keine der heimischen Baumarten mehr überleben können.

    Zweck des Projekts "Baum 4.0" ist es vor allem, der breiten Bevölkerung vor Augen zu führen, wie brisant die Lage ist. Und so funktioniert es: Die sprechende Buche wurde vom Boden bis hinauf zur Baumkrone mit Sensoren ausgestattet. Diese erfassen unten die Bodentemperatur und die Bodenfeuchte. Am Stamm wird ständig der Saftfluss von den Wurzeln in die Baumkrone ermittelt. Oben messen weitere Sensoren die Blatttemperatur und die Entwicklung der Buchenblätter. Auch eine Webcam wurde installiert. Die Kamera beobachtet den Baum im Lauf der Jahreszeiten.

    Baumtorso mit Carbon-Skelett im Siebentischpark

    Alte, morsche Bäume sind nicht tot. Als Lebensraum für Vögel, Fledermäuse und Insekten sind sie gerade in diesem Zustand enorm wichtig. Für Menschen stellen sie wiederum eine Gefahr dar, weshalb sie in Parks und in der Nähe von Gehwegen gefällt werden müssen. Nun könnten einige dieser alten Riesen mit einer neuen Methode gerettet werden. Wissenschaftler haben eine Zweitverwertung für ausrangierte Flügel von Windkrafträdern entwickelt: Künftig soll das Material Naturmonumente schützen. Der erste so gerettete Baum in Deutschland steht im Siebentischpark in Augsburg.

    Aus diesem Baum im Siebentischpark ist wertvolles Totholz 
 geworden. Damit er für Fußgänger nicht zur Gefahr wird,  hat er besondere Stützen bekommen.
    Aus diesem Baum im Siebentischpark ist wertvolles Totholz geworden. Damit er für Fußgänger nicht zur Gefahr wird, hat er besondere Stützen bekommen. Foto: Bernd Hohlen

    Der fast acht Meter hohe Torso im Park war einmal eine gewaltige Buche. Er soll rund 80 Jahre alt sein. Im Stamm haben sich nicht nur verschiedene holzbewohnende Insekten eingenistet, sondern auch Meisen. Aus Sicherheitsgründen hätte der Stamm entfernt werden müssen, weil in der Nähe viele Spaziergängerinnen und Spaziergänger mit Kindern und Hunden unterwegs sind. Nun hat er mit all seinen "Untermietern" die Chance auf ein zweites Leben bekommen.

    Die Baumrettung mit recycelten Carbonstäben haben sich zwei Vordenker aus diesem Industriezweig ausgedacht - Franz Weißgerber und Michael Heine, ehemals Professor an der Universität Augsburg. Carbon wird für die Rotorblätter von Windkraftanlagen genutzt.Das Material gilt im Prinzip als extrem langlebig. Trotzdem werden die Windrotoren regelmäßig ausgetauscht und geschreddert. Eine Verschwendung, die die beiden Experten zum Nachdenken brachte. Auf der Suche nach einer Zweitverwertung wurden sie auf das Problem alter Bäume aufmerksam. In Augsburg wurde 2020 ein erster Baum durch ihr Verfahren gerettet.

    Damit der Torso im Siebentischpark stehen bleiben konnte, wurden zwei Carbonstützen im Erdreich verankert und mit Metallbändern am Baum befestigt. Das System gilt als einfach und preiswert. Das Exoskelett soll mit den Jahren außerdem eine Schicht aus Moosen und Flechten ansetzen und dann nahezu unsichtbar sein. Experten gehen davon aus, dass ein toter Baum mit diesen Stützen noch einmal 20 bis 30 Jahre stehen kann, bevor er endgültig in sich zusammenfällt.

    Vom Augsburger Theaterbaum, der umzog

    Wenn Bäume Bauvorhaben im Weg stehen, werden sie normalerweise gefällt. 2019 musste eine große alte Platane für die Generalsanierung des Staatstheaters weichen. In ihrem Fall lief es anders: Sie wurde aufwendig umgepflanzt. Es war eine Aktion, wie sie in Augsburg sonst eher nicht vorkommt.

    Als eine große Platane am Staatstheater umziehen musste, war ein Spezialfahrzeug im Einsatz.
    Als eine große Platane am Staatstheater umziehen musste, war ein Spezialfahrzeug im Einsatz. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die rund acht Meter hohe Platane hat viele Jahre auf dem kleinen Platz zwischen dem Verwaltungsbau des Theaters und der Kneipe Beim Weißen Lamm an der Ludwigstraße für frisches Grün gesorgt. Dann musste der Baum weg, um eine Baustellenzufahrt für die Theatersanierung zu ermöglichen. Die Platane war der letzte von insgesamt 17 Bäumen, die für die Generalsanierung vor und hinter dem Theater entfernt wurden. In diesem Fall sorgte die Stadt dafür, dass der Baum nicht abgeholzt wurde. Er soll vielmehr im Wittelsbacher Park weiterleben. Die dafür nötige Aktion war allerdings sehr aufwendig.

    Eine Firma aus Mittelfranken rückte mit einem Großverpflanzungsgerät an. Die Rundspatenmaschine stanzte den Stamm komplett mit einem Großteil des Wurzelballens und dem zugehörigen Erdreich aus dem Boden. Danach wurde die Platane auf das Fahrzeug verladen. Die langen Zweige wurden eingekürzt, um einen Transport zum Wittelsbacher Park zu ermöglichen. Dort war bereits an der Seeterrasse beim Biergarten eine Mulde vorbereitet, um die Platane wieder einzupflanzen. Die Kosten für die Aktion lagen bei 10.000 Euro.

    Nun steht der Theaterbaum  beim Biergarten im Wittelsbacher Park.
    Nun steht der Theaterbaum beim Biergarten im Wittelsbacher Park. Foto: Bernd Hohlen

    Umweltreferent Reiner Erben sagte damals, eine Untersuchung zur Vitalität der Platane habe ergeben, dass sie gute Chancen habe, im Wittelsbacher Park wieder anzuwachsen. Auch bei der beteiligten Firma gab man der Platane gute Zukunftsperspektiven. Wie geht es dem "Theaterbaum" heute? Erben zufolge wurde die Platane durch den großen Wurzelverlust beim Auspflanzen erwartungsgemäß geschwächt, das zeige sich auch im Erscheinungsbild. Der Pflegeaufwand sei hoch, etwa beim Wässern. Die Platane treibe aber wieder aus und werde heuer einen Pflegeschnitt bekommen.

    Gerichtslinde im Wittelsbacher Park weckt Visionen

    Der Wittelsbacher Park ist eine der größten Grünflächen Augsburgs. Dort steht eigens eingezäunt ein außergewöhnlicher Baum, der aus mehreren Gründen bemerkenswert ist. Landläufig wird er "Alte Gerichtslinde" genannt, manche sprechen von einem "Baum-Zombie" - halb lebend, halb tot.

    Was in der Alten Gerichtslinde im Wittelsbacher Park steckt, haben Studenten genauer untersucht.
    Was in der Alten Gerichtslinde im Wittelsbacher Park steckt, haben Studenten genauer untersucht. Foto: Bernd Hohlen

    In gängigen Nachschlagewerken ist nachzulesen, dass 1924 westlich des Spielplatzes im Wittelsbacher Park von der Abteilung Augsburg der Deutschen Kolonialgesellschaft eine "Koloniallinde" gepflanzt worden ist. Anlass war der 40. Jahrestag der Erwerbung der Lüderitzbucht in Deutsch-Südwestafrika. Mit der Linde sollte der deutschen "Kolonialhelden" gedacht werden und die Bevölkerung aufgefordert werden, "nicht Ruhe zu geben, bis das feindliche Rauben unserer Kolonien wieder gesühnt werde".

    Jenseits der Namensdiskussion hat sich die kolossale Linde zu einem außergewöhnlich wertvollen Lebensraum für große Fledermauskolonien und zahlreiche seltene Vogelarten entwickelt. In der alten Linde wurde sogar eine seltene Käferart entdeckt - der Eremit, auch Juchtenkäfer genannt. Dieses streng geschützte Insekt wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als man es im Umkreis des Bahnprojekts Stuttgart 21 fand und sich die Arbeiten deshalb lange verzögerten.

    An der Hochschule Augsburg fand man die Alte Gerichtslinde so spannend, dass 2021 für Architekturstudentinnen und -studenten ein Projekt aufgelegt wurde: Sie sollten einen "Biosphärenturm" entwerfen - also ein innovatives Bauwerk, von dem aus Forscherinnen und Forscher Insekten, Tiere und Moose hoch oben in der Baumkrone untersuchen könnten. Alternativ sollte der Turm ein Infopunkt für Besucher, Aussichtsplattform oder spannendes Ausflugsziel sein. Bislang sind das alles nur Überlegungen, was machbar wäre. "Vielleicht gelingt eine schonende und dem Erhalt des Baumes dienende Umsetzung einer der Entwürfe", hoffen die Studierenden. Sie haben den Baum und seine Bewohner auch mithilfe moderner Techniken visualisiert - etwa per Drohnenflug oder mit 3-D-Punktwolken und einer interaktiven Tour online unter www.gerichtslinde.rocks.

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