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Augsburg: Die schwimmenden Schutzengel: Wie die Wasserwacht Leben rettet

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Die schwimmenden Schutzengel: Wie die Wasserwacht Leben rettet

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    Jennifer Kaiser von der Ortsgruppe Augsburg-West der Wasserwacht zeigt an Jakob Peghini, wie Menschen in Notsituationen gerettet werden.
    Jennifer Kaiser von der Ortsgruppe Augsburg-West der Wasserwacht zeigt an Jakob Peghini, wie Menschen in Notsituationen gerettet werden. Foto: Bernd Hohlen

    Der erste Blick schweift übers Wasser, der zweite verharrt an einer Stelle - und Günter Eisenrith sprintet los. Der 52-Jährige biegt links ab auf das, was sie hier "Laufsteg" nennen, einen begehbaren Streifen zwischen zwei Schwimmbecken. Im linken, zwischen fröhlich plantschenden Kindern und Jugendlichen, kämpft ein Junge um sein Leben. Er wedelt panisch mit den Armen, der Kopf kaum über Wasser. Es geht jetzt um jeden Atemzug, gespielt ist hier nichts. Während niemand sonst reagiert, springt Eisenrith vom Beckenrand ab und taucht mit T-Shirt, Brille und Schuhen am Körper ein. Er packt sofort zu, drückt den Jungen über die Wasseroberfläche und hievt ihn auf den Laufsteg. Kurz darauf kommt ein Rettungswagen ins Familienbad am Plärrer.

    Aufgeteilt auf fünf Ortsgruppen zählt die Wasserwacht in Augsburg rund 1300 Mitglieder. Davon ist etwa die Hälfte aktiv. "Aktiv sein" bedeutet bei der

    Während unseres Besuchs musste die Wasserwacht am Familienbad einen Jungen retten, der zu ertrinken drohte.
    Während unseres Besuchs musste die Wasserwacht am Familienbad einen Jungen retten, der zu ertrinken drohte. Foto: Bernd Hohlen

    Corona: Wasserwacht Augsburg merkt, dass junge Menschen schlechter schwimmen

    Das gerade war so ein Moment. "Da sieht man, wie schnell es gehen kann", sagt Eisenrith und schnauft durch. Der Wachleiter steht vor der Versorgungsstation am Familienbad, triefend nass. Die goldfarbene Kette klebt an der blanken Brust, das Feuerzeug aus der Badehosentasche ist kaputt. Egal. Der Junge, der ohne Begleitung im Bad ist, kann sich in guten Händen wissen, mehrere Mitglieder der Wasserwacht kümmern sich. Er hat Bauchschmerzen, vielleicht wegen des eingeatmeten Wassers. Muss nichts Schlimmes sein, aber man weiß ja nie, der Rettungswagen ist unterwegs.

    Immer mehr junge Menschen können kaum oder gar nicht schwimmen, das erleben sie hier unmittelbar. "Corona zeigt sich deutlich", sagt Eisenrith und lässt seinen suchenden Blick wieder auf das Treiben aus Plantschen, Kreischen und Rutschen wandern. "Meistens geht es glimpflich aus. Aber wir müssen wachsam sein."

    Immer bereit, Schlauchboot inklusive: Thomas Schwarzenberger (links) und Günter Eisenrith von der Wasserwacht Ortsgruppe Augsburg-West.
    Immer bereit, Schlauchboot inklusive: Thomas Schwarzenberger (links) und Günter Eisenrith von der Wasserwacht Ortsgruppe Augsburg-West. Foto: Bernd Hohlen

    Beispiele Kuhsee und Eiskanal: Lebensrettende Einsätze sind selten

    Fälle, in denen es ums Leben geht, sind die Ausnahme. Aber es gibt sie. Das zeigten auch die Ereignisse vor gut einer Woche. Am späten Sonntagabend entdeckte eine Wasserwachts-Angehörige, wie ein 59-Jähriger leblos im Eiskanal trieb. Die Frau holte den Mann aus dem Wasser, er konnte zeitnah reanimiert werden. Und auch wenn er bald darauf im Krankenhaus starb - das Zupacken der Frau macht Eisenrith "verdammt stolz, in diesem Klub sein." Er habe im Familienbad einmal erlebt, wie ein Mann ums Leben gekommen sei - vor rund 25 Jahren, als technische Hilfsmittel wie automatisierte Defibrillatoren kaum verbreitet waren. "Wir haben ihn schnell entdeckt und reanimiert. Aber manchmal reicht das nicht."

    In den Stunden vor Eisenriths Laufsteg-Sprint ist es ein ruhiger Samstagnachmittag. Etwas mehr als 800 Badegäste sind da, vergleichsweise wenige. Christian Köhler, technischer Leiter bei der fürs Familienbad zuständigen Ortsgruppe Augsburg-West, wundert das nicht. Denn: Am Vortag hat es geregnet. "Der Augsburger braucht drei heiße Tage, bis er sagt: Heute gehe ich baden", sagt Köhler und lacht. Wenn die Hitze länger andaure, mache sich dies direkt an der Station bemerkbar. "Wir haben dann schon mal 40, 50 Einsätze pro Tag. Die meisten sind aber harmlos." Dies ist heute mal ein Junge, der sich den Fuß angehauen hat, mal ein kleines Mädchen mit Schürfwunde am Knie.

    Suchaktion oder Badeunfall: Ehrenamtliche sind für Ernstfall ausgerüstet

    Normalerweise sind rund ein Dutzend Wasserwachts-Mitglieder am Familienbad. Sie haben unterschiedliche Altersstufen, Qualifikationen und Aufgaben. Die einen besetzen die Versorgungsstation, die anderen unterstützen die Bademeister und kreisen um die verschiedenen Becken. Teilweise sind damit auch schon die Nachwuchskräfte zwischen sechs und 16 Jahren beschäftigt. Ihr Auge soll so früh wie möglich für Gefahrensituationen geschult werden.

    Ein Team aus erfahreneren Mitgliedern, darunter ausgebildete Rettungstaucher, muss sich als eine von vier mobilen Schnelleinsatzgruppen in Augsburg bereithalten. Sie sind inklusive Schlauchboot kurzfristig gefragt, wenn etwa Personen im Wasser verunglückt sind oder vermisst werden. Auch hier dient der Sonntag vor gut einer Woche als Beispiel. Am Kuhsee suchten Wasserwacht, Polizei, Rotes Kreuz, Feuerwehr und ein Hubschrauber nach einer 27-Jährigen. Nach einigen Stunden tauchte die Frau unverletzt wieder auf.

    Und der Junge vom Familienbad? Ist mit dem Schrecken davongekommen, sagt Eisenrith am nächsten Tag. Der Rettungsdienst habe ihn nach Hause gebracht und dort der Mutter übergeben.

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