Außergewöhnliche Projekte erfordern außergewöhnlichen Einsatz, also tat Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) diesen Mittwochabend etwas, das sie eigentlich nicht mehr tun wollte: Sie postete einen Beitrag im sozialen Netzwerk Facebook und warb darin um eine breite Zustimmung für die Fortführung der Theatersanierung, die tags darauf im Stadtrat zur Abstimmung stand. Ja, schrieb Weber, die Baukosten seien hoch, und niemand könne vorhersagen, wie sie sich noch entwickeln werden. Gleichzeitig bemühte sie sich, Hoffnung zu verbreiten: "Wir können in eine Sache vertrauen: Jeder Cent verzinst sich für unsere Stadt", denn die Sanierung sei nicht nur der Neubau einiger Werkstätten, sie sei "ein Beitrag für die gesellschaftliche Zukunft, für die Integration und ein Standortfaktor". Großes Engagement für eine Kulturstätte also, die frühestens in sechs Jahren und damit nach der nächsten Kommunalwahl 2026 eröffnet wird.
Ins gleiche Horn hatte kurz vorher eine neue Initiative gestoßen, die sich #Theatervierteljetzt! nennt und in ihren Forderungen weit über das hinausgeht, was die schwarz-grüne Regierung am Donnerstag erreichen wollte (und auch erreicht hat). Denn im Gegensatz zu den Politikern fordert der Zusammenschluss aus Kulturschaffenden, Einzelhändlern, Gastronomen und Unternehmen nicht nur einen sanierten modernen Theaterstandort. Er will das gesamte Theaterviertel aufgewertet wissen und ist mit seiner räumlichen Definition dabei so großzügig, dass auch noch der Stadtmarkt dazugerechnet wird. Dieses Quartier werde, so sind die Initiatoren überzeugt, "ein Herzstück des gesellschaftlichen Lebens in Augsburg" und in Zukunft "wertvolle Impulse für eine prosperierende Innenstadt setzen und die Lebensqualität Augsburgs wesentlich erhöhen".
Dass Kultur belebend wirken kann, zeigten vor zehn Jahren die Theatertage
Dass Kultur, dass ein Theater ein Viertel beleben kann, war im Frühling vor zehn Jahren zumindest für kurze Zeit zu spüren: Damals richtete Augsburg die Bayerischen Theatertage aus, und alles zielte darauf ab, die Besucherinnen und Besucher auch nach dem jeweils letzten Vorhang des Abends noch zum Bleiben zu bewegen. Die Kasernstraße war für den Verkehr gesperrt und zum Biergarten ausgebaut worden, auch die vielen benachbarten Lokale profitierten von den Theatergästen und von Kulturschaffenden, die dort bis in die Nacht zusammensaßen. Manche Gastronomiebetriebe siedelten sich danach überhaupt erst in Ludwig- und Heilig-Kreuz-Straße an - und waren bald wieder verschwunden, nachdem das Große Haus 2016 geschlossen und zur Baustelle wurde. Die Misere des Kulturhauses war dafür sicherlich nicht alleine verantwortlich, einen Einfluss hatte sie wohl.
An all dies denken wohl auch die Initiatoren von #Theatervierteljetzt!, in der sich zahlreiche Akteure zusammengeschlossen haben, die von einem zentralen Theaterstandort profitieren könnten. Es sind Lokale, die in den umliegenden Straßen sitzen, es sind Kulturschaffende, denen versprochen wurde, dass sie einmal die Kleine Bühne des Staatstheaters mitnutzen dürfen, das Staatstheater selbst samt seinem Freundeskreis ist dabei - und Wirtschaftsunternehmen wie Klassik Radio, das seinen Hauptsitz seit Kurzem im Umfeld von Fuggerstraße und Stadtmarkt und damit in Sichtweite des (künftigen) Theaters hat. Dass sie alle ein gesteigertes Interesse an der Fortentwicklung des Theaterquartiers haben, liegt auf der Hand. Dass sie nicht nur sich selbst sehen, sondern auf ein großes Ganzes hinarbeiten, lässt auf einen neuen Ton in dieser jahrelangen Debatte hoffen, in der sich die Fronten zwischen Mahnern und Befürwortern des Millionenprojekts immer mehr verhärtet haben.
Eine neue Generation von Augsburgern, die lieber Lösungen sucht, als zu lamentieren
Auch aus der Politik hat die Initiative Rückendeckung. OB Eva Weber bedankte sich im Stadtrat ausdrücklich für das Engagement, das - davon darf man ausgehen - nicht ohne Rücksprache mit der Stadtspitze gestartet worden sein dürfte. Zudem sitzt einer der Mitbegründer selbst im Stadtrat: Raphael Brandmiller, der in seiner politischen Karriere mehrfach die Fronten wechselte und inzwischen als einziger Vertreter der Wählervereinigung Generation Aux kommunalpolitisch mitbestimmt, zählt zu den Köpfen von #Theatervierteljetzt!. Er gehört, wie andere Unterstützer, einer neuen Generation von Augsburgern an, die lieber Lösungen sucht, als zu lamentieren. Einer Generation auch, die in einem (einflussreichen) Teil der Stadtgesellschaft bestens vernetzt ist.
Das "Manifest", das die Theater-Initiative diese Woche veröffentlichte, ist freilich eine Maximalforderung - ganz so, wie es die Forderungen des Theaters an die Sanierung zunächst auch waren. So fordern die Unterstützer unter anderem die "bauliche Entwicklung des Theaterviertels als modernes urbanes Quartier". Ein wenig konkreter Begriff, der erst genauer definiert werden müsste, um Taten folgen lassen zu können. Hinzu kommt: Die Stadtregierung könnte eine solche Entwicklung zwar anstoßen (etwa durch Verkehrsregelungen und Sperrungen), andere Faktoren (zum Beispiel, an wen private Immobilienbesitzer ihre Ladenflächen vermieten) kann sie kaum beeinflussen.
Auch die Hoffnung, die Fuggerstraße würde bald zum großstädtischen, von Bäumen gesäumten Boulevard ausgebaut, wird sich so schnell kaum erfüllen. Oberbürgermeisterin Weber hatte bei einem Besuch im Presseclub jüngst wiederholt, dass damit in dieser Amtsperiode - also bis 2026 - aus Geldgründen nicht zu rechnen sei. Und dann würde die Umgestaltung des Theaterviertels ja auch andere Fragen aufwerfen - zum Beispiel die nach der künftigen Rolle von Grottenau und Karlstraße, die als Hauptverkehrsadern derzeit das Theaterviertel vom Rest der Innenstadt trennen. Man kann also davon ausgehen, dass von den Forderungen im Manifest - ähnlich wie bei der Theatersanierung selbst - am Ende nicht alle Wünsche erfüllt werden dürften.
Nun ist der Weg für die Sanierung des Augsburger Theaters wohl endgültig geebnet
Dennoch: Jetzt, da sich der Stadtrat zum wiederholten Mal für das Theaterprojekt ausgesprochen und damit wohl endgültig den Weg geebnet hat, ist tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, auch an die Zeit nach der Wiedereröffnung und damit ein städtebauliches Gesamtkonzept zu denken. Die Initiative #Theatervierteljetzt! hat angekündigt, sich konstruktiv in diese Debatte einzubringen, ja vielleicht sogar eine Spendenaktion zu starten. Es ist dieses bürgerschaftliche Engagement, das bereits in anderen Fällen (Goldener Saal, Neue Stadtbücherei) geholfen hat, scheinbar unlösbare Aufgaben zu bewältigen.