Die Nachricht, dass die Stadt Augsburg die Israel-Flagge bald gar nicht mehr aufhängen wird, sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Weitere Medien greifen das Thema auf, in den sozialen Netzwerken wird darüber diskutiert. Neben dem Zentralrat der Juden kritisiert unter anderem Talya Lador-Fresher, Leiterin des Generalkonsulats des Staates Israel für Süddeutschland, die Entscheidung. Das "Einknicken" sei ein Zeichen von Schwäche, schreibt sie auf dem Nachrichtendienst X.
Kritik am Verhalten der Stadt Augsburg übt auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Es sei nie ein guter Ratschlag, vor antisemitischen Randalierern zu kapitulieren, teilt er gegenüber unserer Redaktion mit. "Jede einzelne Israel-Flagge auf öffentlichen Plätzen ist ein klarer Ausdruck des Gedenkens an die Opfer des 7. Oktober und der Solidarität mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten." Zudem sei jede einzelne Israel-Flagge Ausdruck der deutschen Staatsräson. "Inwiefern allgemeine Friedensflaggen dasselbe ausdrücken sollen, wie eine Israel-Flagge erschließt sich mir nicht", sagt der Präsident. Zum Hintergrund: Augsburg plant, künftig nur noch zwei Friedensstadt-Flaggen und eine "Wir-alle-sind-Augsburg"-Fahne aufzuhängen.
Israel-Flagge am Rathausplatz: "Eine fatale Entscheidung der Stadt Augsburg"
Talya Lador-Fresher zeigt Augsburg die Rote Karte für das geplante Abnehmen der Israel-Flagge. Die Konsulin schreibt auf X ein klares "Nein", adressiert an Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber und an die Stadt Augsburg. "Einknicken und sich dem Druck beugen ist ein Zeichen der Schwäche. Gerade jetzt ist es besonders wichtig die Israel-Flagge als Friedenssymbol weiterhin gut sichtbar wehen zu lassen." Der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel, kritisiert ebenfalls auf dem Nachrichtendienst: "Eine fatale Entscheidung der Stadt Augsburg. So wird Antisemitismus normalisiert." Plötzlich wären nicht mehr die judenfeindlichen Straftäter das Problem, sondern das Objekt ihres Hasses. "Hurra, wir kapitulieren!", kommentiert er das Augsburger Vorgehen.
Augsburg ist nicht einzige Stadt, in der in den vergangenen Wochen unbekannte Täter gehisste Fahnen mit dem Davidstern heruntergerissen haben und auch schändeten. Bundesweit meldeten viele Kommunen ähnliche Taten, die polizeiliche Ermittlungen nach sich zogen. Die Städte gehen unterschiedlich damit um.
Im baden-württembergischen Heilbronn etwa sollte nach solch einem Vorfall zunächst - wie bislang in Augsburg - nur tagsüber die Fahne wehen. Dann aber beschloss die Stadt, sie dauerhaft einzuholen - und mit ihr auch die Heilbronner Stadtfahne und die Bürgermeister-für-Frieden-Flagge. Eine Sprecherin der Stadt sagte der örtlichen Zeitung Heilbronner Stimme, man habe sich bei dieser Entscheidung am Staatsministerium orientiert, das ebenfalls keine Flaggen mehr aufhänge. Josef Schuster vom Zentralrat der Juden betont, dass es auch andere Beispiele aus Städten gebe, die in ähnlichen Fällen konsequent blieben.
Nürnberg will trotz mehrerer Vorfälle die Israel-Flagge weiter hängen lassen
Wie etwa die Stadt Nürnberg. Obwohl dort in den vergangenen Wochen mehrere israelische Flaggen zerstört wurden, hält Oberbürgermeister Marcus König daran fest. "Die Menschen in Israel, die jüdischen Bürgerinnen und Bürger brauchen unsere Solidarität", sagte der CSU-Politiker gegenüber der Abendzeitung. Eine neutrale Friedensflagge sei zwar ein Symbol, sie könne aber die Flagge Israels nicht ersetzen. In der Landeshauptstadt München wurde, nachdem schon zweimal Fahnen abgerissen wurden, inzwischen eine israelische Fahne an der Fassade des Rathauses angebracht. Erst am Freitag war in Tübingen (Baden-Württemberg) eine Fahne heruntergerissen worden. Auch sie soll wieder gehisst werden. Der Förderverein für jüdische Kultur wolle Mahnwachen abhalten, berichten mehrere örtliche Medien.
Der Augsburger Daniel Melcer, der jüdischen Glaubens ist, hatte vergangene Woche in unserer Zeitung Kritik am Vorgehen der Stadt Augsburg geäußert und damit die Diskussion ins Rollen gebracht. Er sprach von einer "Teilzeit-Solidarität" der Stadt, da sie die Israel-Flagge, nachdem sie zweimal heruntergerissen wurde, nur noch tagsüber hängen lässt. Die Stadt habe durch ihr "Einknicken" signalisiert, dass ihre Solidarität verhandelbar sei.