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Augsburg: Die Bürokratie bringt Ukraine-Geflüchtete und Behörden ans Limit

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Die Bürokratie bringt Ukraine-Geflüchtete und Behörden ans Limit

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    Für das Gros der Geflüchteten aus der Ukraine ist künftig das Jobcenter in Oberhausen die Anlaufstelle, wenn sie soziale Leistungen beziehen.
    Für das Gros der Geflüchteten aus der Ukraine ist künftig das Jobcenter in Oberhausen die Anlaufstelle, wenn sie soziale Leistungen beziehen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Lange vor der Öffnungszeit bilden sich vor dem Infopoint für Geflüchtete in der Bahnhofstraße Schlangen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer, die dem Krieg in ihrer Heimat entflohen sind, benötigen Hilfe auf dem Weg durch den Behörden- und Bürokratiedschungel. Unterstützung, die in den Räumen nahe dem Königsplatz Haupt- und Ehrenamtliche leisten. Das - bundesweit einheitliche - komplizierte Registrierungsverfahren und die Beantragung von Sozialleistungen stellen nicht nur die Ukrainer vor große Herausforderungen, sondern auch die zuständigen Behörden und Einrichtungen. "Wir kommen nicht nur an, sondern über unsere Grenzen", heißt es hinter vorgehaltener Hand.

    So stellt sich das Jobcenter Augsburg auf eine Flut an neuen Kunden ein: Denn die Behörde ist ab 1. Juni für die Auszahlung der Sozialleistungen an das Gros der Geflüchteten zuständig, bislang wird dies ausschließlich über das Amt für soziale Leistungen abgewickelt.

    Rund 3000 geflüchtete Ukrainer leben derzeit in Augsburg

    Knapp drei Monate nach der russischen Invasion in der Ukraine halten sich nach Schätzungen der Stadt rund 3000 Geflüchtete aus dem Kriegsland in Augsburg auf. Die allermeisten von ihnen dürften bereits einen Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt haben. Nach den Zahlen des Amts für soziale Leistungen bekommen derzeit rund 2500 Personen beziehungsweise 1400 Bedarfsgemeinschaften Geld ausbezahlt, dessen Höhe sich am Asylbewerberleistungsgesetz orientiert. Hinzu kämen noch mehrere hunderte offene, also unbearbeitete Anträge.

    Für die überwiegende Mehrheit der Ukrainer (Rentner etwa bleiben beim Sozialamt) ändert sich ab 1. Juni die Auszahlungsbehörde. Sie wechseln zum Jobcenter und beziehen künftig bei Bedarf Arbeitslosengeld 2, im Volksmund auch Hartz IV genannt. Wichtig: Das Jobcenter bekommt zwar die Daten der Leistungsbezieher übermittelt. Diese müssen aber dennoch beim Jobcenter einen weiteren Kurzantrag stellen. Dieser ist online zweisprachig auf der Homepage (www.jobcenter-augsburg-stadt.de) zu finden.

    Ukrainer brauchen ein Konto hierzulande

    Beide Behörden appellieren an die Leistungsbezieher, hierzulande rasch ein Konto einzurichten und die Bankverbindung mitzuteilen. Das Jobcenter muss die Umstellung der Fälle nach eigenen Angaben mit dem vorhandenen Personal bewältigen. Die Dauer der Antragsbearbeitung hänge von der Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen ab, wird betont. Sollten bis zum 1. Juni nicht alle Fälle überführt worden sein, übernehme das Sozialamt übergangsweise noch die Auszahlung.

    Der Leistungstransfer und das komplizierte Registrierungsverfahren bei der Stadt und der Regierung von Schwaben führen dazu, dass der Mitte April eröffnete Infopoint am Kö einen regelrechten Ansturm erlebt. Es werde deutlich, wie wichtig dieser Anlaufpunkt sei, sagt Bürgermeisterin Martina Wild. "Wir sind aktuell in Gesprächen, die Laufzeit zu verlängern. Denn der Bedarf ist offensichtlich." Das Büro für gesellschaftliche Integration hat gemeinsam mit den Vereinen Tür an Tür und Deutsch-Ukrainischer Dialog die Hauptorganisation am Infopoint inne. Zusätzlich helfen zahlreiche Freiwillige bei den Antragstellungen. "Sie legen hier ein sehr großes Engagement an den Tag", betont Wild. Nach ihren Worten wird auch der Landkreis Augsburg zwei Beschäftigte für die Anlaufstelle abstellen. Auch Geflüchtete, die schon seit einiger Zeit in Augsburg seien, unterstützten dort Neuankommende.

    Diese brauchen nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch ein Dach über dem Kopf. In der Notunterkunft auf dem Fujitsu-Areal sind nach Angaben der Stadt - Stand 17. Mai - 155 Personen untergebracht, in anderen Unterkünften 625. Es gebe freie Kapazitäten, doch die Stadt sucht weiterhin Unterkünfte. Vermieter von größeren Objekten können sich unter immobilien-ukraine@augsburg.de melden.

    Manche Gastgeber können Geflüchtete nicht dauerhaft aufnehmen

    Auch wenn auf der Vermittlungsplattform für private Unterkünfte freie Betten beziehungsweise Zimmer zu finden sind, gibt es zunehmend ein Problem. Immer mehr Gastfamilien sehen sich nicht in der Lage, die Geflüchteten dauerhaft bei sich zu Hause aufzunehmen. "Die Anfragen von Gastfamilien, welche die Untergebrachten nicht weiter beherbergen können, sowie die Zahl von ehemals privat untergebrachten Personen, die in der Notunterkunft vorstellig werden und daraufhin durch die Stadt untergebracht werden, nehmen stetig zu", heißt es aus der Verwaltung. Momentan kann die Stadt die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Augsburger Wohnungsmarkt noch nicht abschätzen. Es ist aber davon auszugehen, dass sich durch die Neuankömmlinge die ohnehin angespannte Situation verschärft.

    Dass die Stadt nicht genau weiß, wie viele Menschen aus der Ukraine hier untergekommen sind, liegt auch daran, dass sich viele erst nach einer gewissen Zeit registrieren lassen und das Verfahren obendrein mit drei Behördenterminen sehr aufwendig ist. Für die erste sogenannte "Light-Registrierung" ist bei der Ausländerbehörde laut Stadt ein Termin innerhalb von 24 bis 48 Stunden zu bekommen. Für die ausländer- und melderechtliche Sachbearbeitung müsse ein weiterer Termin vereinbart werden, hier seien die Wartezeiten etwas länger.

    Ankerzentrum in Lechhausen schafft täglich bis zu 200 Registrierungen

    Dazwischen müssen die Menschen aus der Ukraine noch das Ankerzentrum in Lechhausen für eine vollständige Registrierung über eine PIK-Station aufsuchen. Hier beträgt die Wartezeit auf einen Termin nach Angaben der zuständigen Regierung von Schwaben derzeit eine Woche. Bis zu 200 Personen könnten täglich registriert werden - seit Ende Februar insgesamt rund 7000 Geflüchtete. Wie viele davon in Augsburg geblieben und wie viele an andere Orte in Schwaben (oder darüber hinaus) weitergereist sind, weiß die Regierung nicht.

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