Noch sehen sie aus wie niedliche Spielzeugtierchen. Die 20 Europäischen Sumpfschildkröten sind noch nicht lange aus ihren Eiern geschlüpft. Jede von ihnen ist etwa so groß wie ein menschlicher Daumen und wiegt nur wenige Gramm. Draußen in freier Natur wären diese Winzlinge in großer Gefahr. Doch im Augsburger Zoo sind sie in Sicherheit. Sie dürfen erst einmal in Ruhe wachsen und Gewicht zulegen. Dann wartet ein großes Abenteuer auf sie - die Freiheit.
Die 20 Schildkrötenbabys sind ein Neuzugang im Zoo. Sie wurden von einem privaten Züchter, der sich aus Altersgründen zurückzieht, übernommen. Sie sind für ein besonderes Projekt bestimmt: Die Schlüpflinge sollen dazu beitragen, dass die Art in freier Natur weiterhin überleben kann. Die Europäische Sumpfschildkröte ist die einzige in Deutschland wild vorkommende Schildkrötenart. Früher war sie in Sümpfen und Teichen sehr häufig. Mittlerweile ist sie vielerorts ausgestorben. Es gibt nur noch wenige wild lebende Populationen, etwa in Hessen. Dort ist Nachwuchs gefragt. Er wird bald auch aus dem Zoo Augsburg kommen.
Früher landeten Sumpfschildkröten oft im Suppentopf
Zookurator Thomas Lipp kennt viele Gründe, warum Sumpfschildkröten selten geworden sind. Früher landeten sie oft im Suppentopf. Als Wasserbewohner galten sie bei Gläubigen nicht als Fleisch, sondern als Fisch. Schildkröten durften deshalb auch in der Fastenzeit gegessen werden. Sie wurden massenhaft verspeist. Heute haben die Tiere andere Überlebensprobleme. Sümpfe werden trockengelegt. Junge Sumpfschildkröten haben eine Vielzahl von heimischen Fressfeinden - etwa Wildschweine, Dachse, Greifvögel oder Raubfische. Dazu kommt der eingewanderte Waschbär, der den Panzer erwachsender Schildkröten knacken kann. Öfter werden wandernde Sumpfschildkröten auch auf der Straße überfahren, oder sie bleiben in Fischernetzen hängen und ertrinken.
Die 20 kleinen braunen Schildkrötenbabys im Zoo leben dagegen sicher und mit einigem Komfort. Sie werden jetzt hinter den Kulissen von Tierpflegern aufgepäppelt. In ihren Aquarien können sie den ganzen Winter über bei bis zu 25 Grad Wassertemperatur herumschwimmen oder sich auf ihren Sonneninseln wärmen. Häppchenweise wird ihnen ihr Lieblingsfutter serviert, angefangen bei Larven über Würmer bis hin zu kleinen Schnecken. Das große Ziel sei, dass sie gut wachsen und bis in zwei, drei Jahren in die freie Natur entlassen werden können, sagt Lipp. Gute Überlebenschancen haben sie erst dann, wenn sie groß genug sind und pro Exemplar ein Kilo auf die Waage bringen.
Ein erwachsenes Trio wird im Augsburger Zooteich schwimmen
"Wir wollen mit dem Projekt etwas für die heimische Natur tun", sagt Lipp. Die Europäischen Wasserschildkröten werden jedoch nicht in Augsburger Teichen und Tümpeln herumschwimmen. Der Zoo beteiligt sich an einem Auswilderungsprojekt in Hessen. Bayern gebe es keine derartige Initiative, sagt Lipp.
Ab dem kommenden Jahr sollen auch Augsburger Zoobesucher mit eigenen Augen sehen können, wie Europäische Sumpfschildkröten leben. Im Frühjahr wird ein erwachsenes Männchen mit zwei Weibchen in den Teich vor der Zoogastronomie einziehen. Der Plan ist, dass sich das Trio sich dort wohlfühlen und regelmäßig Nachwuchs bekommen soll. Die Schlüpflinge können dann wiederum ausgewildert werden. Vorher muss der Teich aber noch ausbruchssicher eingezäunt werden. Lipp sagt: "Europäische Sumpfschildkröten sind Klettermaxe, sie können einen Maschendrahtzaun bis zu einer gewissen Höhe locker überwinden."