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Augsburg: Der Schattenmann: Mutmaßlicher Millionen-Betrüger vor Gericht

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Der Schattenmann: Mutmaßlicher Millionen-Betrüger vor Gericht

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    Hunderte Anleger verloren in einem Schneeballsystem ihr Geld. Der mutmaßliche Drahtzieher wird nun in Augsburg angeklagt.
    Hunderte Anleger verloren in einem Schneeballsystem ihr Geld. Der mutmaßliche Drahtzieher wird nun in Augsburg angeklagt. Foto: Frank Leonhardt dpa/lby

    Der Mann, den die Augsburger Staatsanwaltschaft für einen Millionen-Betrüger hält, war in seinem Leben schon vieles. Wenn man öffentlichen Einträgen folgt, fungierte er in den 80er-Jahren etwa als Manager einer seit Langem aufgelösten Band, von dessen damaligen Mitgliedern heute einer Gitarrist in einer sehr bekannten Musikgruppe ist. Er war auch mal Chef einer PR-Firma in Österreich, mal Journalist für eine überregionale Tageszeitung, eine seiner Töchter ist in Namibia geboren. Manfred D. (Name geändert) kam viel herum. Am Donnerstag beginnt in Augsburg der Prozess gegen ihn – und es liegt eine Anklage vor, die es in sich hat.

    Die Ermittler von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei gehen davon aus, dass der 67-Jährige von Augsburg aus ein umfangreiches Betrugsmodell aufzog, dem in ganz Deutschland Hunderte Menschen zum Opfer fielen; sie investierten in Unternehmen mit Namen wie "Firmenwelten" und "Wurstwelten" oder in technische Geräte, die angeblich in der Lage sein sollten, die Stromkosten zu halbieren. Die Anleger waren mit hohen Renditeversprechen gelockt worden, faktisch floss ihr Geld aber in andere Kanäle, nach Erkenntnissen der Ermittler zum Beispiel in eine Villa in New Jersey, in der Manfred D. zunächst wohnte, nachdem er sich im September 2015 in die USA abgesetzt hatte. Hunderte Kleinanleger verloren im Schneeballsystem viel Geld, manche mehr als 100.000 Euro, ihre komplette Altersvorsorge oder das geplante Erbe für ihre Kinder.

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    Nachdem sich eine Vielzahl von Opfern bei der Polizei gemeldet hatte, folgten umfangreiche Ermittlungen der Augsburger Kripo, eine Anklage, ein Prozess. Im Oktober 2019 wurden am Landgericht Augsburg schließlich vier Verantwortliche der "Firmenwelten"-Gruppe verurteilt, drei von ihnen zu Haftstrafen. Die Firmengruppe hatte in der Stadt ein Büro gehabt und von dort aus die dubiosen Finanzprodukte vertrieben. Drei der Verurteilten waren Kinder von Manfred D., der Vierte der Vertriebsleiter der Gruppe, ein Mann, der im Prozess sagte, Manfred D. sei für ihn ein Mentor gewesen, eine Vaterfigur. Und der 67-Jährige selbst? Zwar hielten ihn so ziemlich alle Beteiligten des Prozesses für den Drahtzieher und den Profiteur des Betrugsmodells, doch der mutmaßliche Erfinder des kriminellen Konstruktes lebte weiter unbehelligt in verschiedenen Villen in den USA und war für die Augsburger Justiz lange nicht zu fassen.

    Bis zum März dieses Jahres. Da nahmen amerikanischen Polizisten den Mann im Bundesstaat New Jersey fest und brachten ihn in Auslieferungshaft. Inzwischen ist Manfred D. nach Deutschland geflogen worden, seit einigen Wochen sitzt er im Gablinger Gefängnis in Untersuchungshaft. Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen ihn erhoben, die Schadenssummen im Betrugsfall gehen in die Millionen.

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    Unsere Redaktion hat bei Recherchen im Laufe der vergangenen Jahre Kontakt zu Opfern des kriminellen Modells gehabt und mit Ermittlern, ehemaligen Geschäftspartnern von Manfred D. und Insidern des Grauen Kapitalmarktes sprechen können, in dem der Fall spielt. Jener Bereich des Kapitalmarktes also, der wenig reguliert und kontrolliert wird. Aus den Gesprächen und Unterlagen wie dem schriftlichen Urteil des früheren Prozesses und Ermittlungsakten, die unsere Redaktion einsehen konnte, ergibt sich das Bild eines Mannes, der sich offenbar außerhalb des Gesetzes wähnt und der deutschen Justiz für eine erstaunliche Zeit eine lange Nase drehte.

    Denn Manfred D. beschäftigt die Gerichte seit fast einem halben Jahrhundert; nach Informationen unserer Redaktion wurde er bereits in den 1970er-Jahren das erste Mal wegen eines Betrugsdelikts verurteilt. Ins Gefängnis kam er aber all die Jahre trotz umfangreicher Strafakte wohl nie – bis jetzt. Oft entging er offenbar auch Strafverfahren und zivilrechtlichen Urteilen, in dem er den Wohnort wechselte und ohne Meldeadresse für die Justiz nicht mehr greifbar war. Der 67-Jährige schaffte es, gleichzeitig eine phantomartige, kriminelle Existenz und ein bürgerliches Leben zu führen. Eines der wenigen öffentlichen Fotos, das von ihm auffindbar ist, zeigt ihn als Förderer einer Schul-Big-Band in Nordrhein-Westfalen.

    Der Prozess gegen ihn soll vor einer Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht stattfinden, ein konkreter Termin steht aber noch nicht fest. Verteidigt wird Manfred D. unter anderem von dem Augsburger Anwalt Florian Engert. Engert sagt auf Anfrage, dass er zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten derzeit keine Stellung beziehen wolle.

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