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Augsburg: Der große Drogen-Report: So ist die Lage in Augsburg

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Der große Drogen-Report: So ist die Lage in Augsburg

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    Die Polizei präsentiert einen größeren Drogenfund: Cannabis finden die Beamten in Augsburg am häufigsten.
    Die Polizei präsentiert einen größeren Drogenfund: Cannabis finden die Beamten in Augsburg am häufigsten. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Das Kokain war im Geheimfach eines Koffers versteckt. Zwei Kuriere, eine Frau und ein Mann, brachten den Koffer mit dem Zug von Zürich nach Augsburg. In einem Hotelzimmer in Bahnhofsnähe sollte die Droge dann an einen Augsburger Abnehmer verkauft werden – an einen Mann namens „Hugo“. Rund 1,5 Kilo befanden sich in dem Koffer. Auf dem Augsburger Schwarzmarkt hätte man damit mindestens 90.000 Euro einnehmen können. Doch das Geschäft platzte. Denn „Hugo“ war ein V-Mann der Polizei. Der Deal wurde überwacht, noch in dem Hotelzimmer stellten Polizisten das Kokain sicher. Der Einsatz des V-Mannes hat sich für die Strafverfolger gelohnt. Mehrere Beteiligte an dem Kokaingeschäft wurden inzwischen vom Augsburger Landgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

    Wer sind die Kunden, die in Augsburg Kokain kaufen? Ist die Droge wirklich so weit verbreitet, wie immer wieder gemutmaßt wird – gerade bei den Besserverdienenden? Auch bei der Kriminalpolizei weiß man darauf keine eindeutige Antwort. „Kokain spielt bei uns im Vergleich zu anderen Drogen keine so große Rolle“, sagt der Augsburger Kripo-Chef Gerhard Zintl. Kokain-Konsumenten sei es durchaus möglich, über lange Zeit ein normales Alltagsleben zu führen, auch im Beruf. Vielleicht, so mutmaßt der Ermittler, fallen sie auch deshalb weniger auf. Der Preis dürfte dafür sorgen, dass sich nicht jeder Kokain leisten kann. Wer ein Gramm des weißen Pulvers kaufen will, zahlt dafür nach Erkenntnissen der Polizei in Augsburg zwischen 60 und 100 Euro. Der Preis für ein Gramm Heroin liege um die 60 Euro, Cannabis gebe es für rund zehn Euro.

    Einsatz in der Drogenszene am Kö, sichergestelltes Badesalz auf einer Waage, Fixerbesteck am Oberhauser Bahnhof. Viele Süchtige werden selbst zu Dealern, sagt Kripo-Chef Gerhard Zintl.
    Einsatz in der Drogenszene am Kö, sichergestelltes Badesalz auf einer Waage, Fixerbesteck am Oberhauser Bahnhof. Viele Süchtige werden selbst zu Dealern, sagt Kripo-Chef Gerhard Zintl. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Kriminalpolizei geht es vor allem darum, die größeren Händler zu erwischen – sowie jene, die die Drogen nach Augsburg transportieren. Einfacher ist das in den vergangenen Jahren nicht geworden. Bestellungen werden heute auch übers Internet abgewickelt, auch im sogenannten Darknet, in dem man als Nutzer weitgehend anonym agieren kann. Geliefert werden die Drogen nicht mehr zwingend von einem Dealer, auch der Postversand spielt eine immer größere Rolle. Kripo-Chef Gerhard Zintl sagt, die Ermittlungen im Internet seien zwar mitunter schwierig, aber keinesfalls aussichtslos. „Es gelingt uns auch hier immer wieder, Personen zu identifizieren.“ Auch bei der Augsburger Kriminalpolizei gibt es inzwischen mehrere speziell ausgebildete Internet-Kriminalisten.

    Ermittlungen im Drogenmilieu: Wie ein Netz, das man an einer Stelle zu fassen bekommt

    Oftmals sind es aber Zufallsfunde, welche die Drogenfahnder auf die richtige Spur führen. Etwa, wenn bei einer Verkehrskontrolle ein Autofahrer mit Drogen erwischt wird. Oft sind die Betroffenen bereit, eine Aussage zu machen und den Ermittlern zu verraten, woher sie die Drogen bezogen haben. Im Betäubungsmittel-Strafrecht gibt es eine Kronzeugenregelung, die einen Strafrabatt verspricht für jene, die bei der Polizei „auspacken“. Gerhard Zintl sagt, es sei wie ein Netz, das man an einer Stelle zu fassen bekomme. Oft ergebe sich dann ein größerer Komplex mit einer Reihe von Verdächtigen. 407 Fälle von Drogenhandel und -schmuggel hat die Polizei in der Stadt Augsburg im vergangenen Jahr aufgedeckt. In rund zwei Drittel aller Fälle (258) ging es dabei um Cannabis, gefolgt von aufputschenden Amphetaminen (84 Fälle), Heroin (32) und Kokain mit bereits nur noch 17 Fällen.

    Wie groß der Drogen-Schwarzmarkt in Augsburg ist, kann die Polizei nur schwer abschätzen. Da das Personal der Kripo begrenzt ist, müssen die Ermittler Schwerpunkte setzen. Besonders im Auge hatte die Polizei zuletzt unter anderem den Königsplatz und den Helmut-Haller-Platz vor dem Oberhauser Bahnhof. Das sind Treffpunkte der Süchtigenszene, an denen auch mit Drogen gehandelt wird. Nachdem es an beiden Plätzen verstärkt Probleme und vereinzelt auch Übergriffe auf unbeteiligte Passanten gab, verstärkte die Polizei die Kontrollen. Das spiegelt sich in den Zahlen wider: Während im Jahr 2015 am Oberhauser Bahnhof nur rund 20 Drogendelikte aufgedeckt worden sind, waren es im vorigen Jahr mehr als 150. Am Königsplatz sind auch Flüchtlinge in den Handel mit Drogen verwickelt. Nach Einschätzung der Augsburger Kripo spielen sie aber keine Hauptrolle auf dem Augsburger Schwarzmarkt. An allen Straftaten mit Drogen, die voriges Jahr aufgedeckt wurden, hatten Asylbewerber und Flüchtlinge einen Anteil von rund zehn Prozent.

    Wer hat das Geschäft mit Drogen in Augsburg in den Händen?

    Große Banden, die das Geschäft in Augsburg in den Händen haben, gibt es nach Einschätzung von Kripo-Chef Gerhard Zintl aktuell nicht. Es gebe kleinere organisierte Strukturen, die vor allem daraus entstehen, dass Süchtige sich mit dem Weiterverkauf von Drogen eine Einnahmequelle verschaffen. Man könne auch nicht feststellen, dass es einzelne Nationalitäten oder ethnische Gruppen gebe, die sich auf den Handel mit bestimmten Drogen spezialisieren. Der Anteil der Ausländer an den Drogenstraftaten in Augsburg lag voriges Jahr bei rund 30 Prozent. Das ist – vor allem im Vergleich zu anderen Formen der Kriminalität – nicht besonders viel. Auch spezielle Handelsrouten lassen sich laut Kripo nicht ausmachen. Früher gab es zum Beispiel die sogenannte „Balkanroute“, die jedem Fahnder ein Begriff war. Generell sei es so, sagt Kripo-Chef Zintl, dass die Drogen meist aus jenen Nachbarländern kommen, die relativ nahe gelegen sind.

    In Ostbayern spielt Tschechien eine größere Rolle. Für Augsburg dagegen nicht. Deshalb gibt es hier kein so großes Problem mit der in Tschechien offenbar weiter verbreiteten „Todesdroge“ Crystal Meth. Derzeit steht ein 32-jähriger Mann in Augsburg vor Gericht, der im Crystal-Rausch einer 25-jährigen Augsburgerin den Hals aufgeschlitzt hat – sie wäre beinahe verblutet. Der Mann lebte aber nicht hier, sondern im Großraum München.

    Ein größeres Problem in Augsburg sind sogenannte Badesalze. Das sind ebenfalls im Labor hergestellte Drogen, die aufputschen und berauschen. Und auch ihre Wirkung gilt als ziemlich unkontrollierbar. Kripo-Chef Zintl sagt, zahlreiche Todesfälle der vergangenen Jahre seien auf die Badesalze zurückzuführen. Oft hätten die Drogenopfer verschiedene Substanzen gleichzeitig eingenommen. Zuletzt haben die Drogenhilfe Schwaben und die Polizei intensiv über die Risiken von Badesalzen informiert. Gerhard Zintl hofft, dass sich das auf die Zahl der Drogentoten positiv auswirkt. Im vorigen Jahr starben laut Polizei 33 Menschen in Nordschwaben wegen des Konsums illegaler Drogen.

    Einsatz in der Drogenszene am Kö, sichergestelltes Badesalz auf einer Waage, Fixerbesteck am Oberhauser Bahnhof. Viele Süchtige werden selbst zu Dealern, sagt Kripo-Chef Gerhard Zintl.
    Einsatz in der Drogenszene am Kö, sichergestelltes Badesalz auf einer Waage, Fixerbesteck am Oberhauser Bahnhof. Viele Süchtige werden selbst zu Dealern, sagt Kripo-Chef Gerhard Zintl. Foto: Jörg Heinzle

    Informanten aus der Szene spielen bei den Ermittlungen immer wieder eine Rolle, außerdem setzt die Polizei auch verdeckte Ermittler ein. Einer dieser Ermittler war auch beteiligt daran, einen Augsburger auffliegen zu lassen, der einen Handel mit Haschisch betrieb – eher nebenbei, um seine eigene Sucht zu finanzieren. Er arbeitete in der Schweiz und nutzte das Pendeln, um Haschisch nach Augsburg zu bringen und hier zu verkaufen.

    Die Kunden stammten unter anderem aus der Augsburger Gastro-Szene. Bei der letzten Fahrt in die Schweiz soll ein verdeckter Ermittler dabei gewesen sein. Der Schweiz-Pendler ist inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Drogen soll er teils bei sich zu Hause gebunkert haben – in derselben Straße, in der auch das Polizeipräsidium liegt.

    Lesen Sie dazu auch ein Interview mit dem Streetworker Andreas Köjer: Wie wirken sich die Polizeikameras auf die Drogenszene am Kö aus?

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