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Augsburg: Das sind Augsburgs Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

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Das sind Augsburgs Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

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    Auch bei den Augsburger Einzelhändlern hinterlassen Corona-Pandemie und Lockdowns ihre Spuren.
    Auch bei den Augsburger Einzelhändlern hinterlassen Corona-Pandemie und Lockdowns ihre Spuren. Foto: Michael Hochgemuth

    Wenn Lorenz Rau, Geschäftsführer der Messe Augsburg, auf das Jahr 2020 zurückblickt, hat er dafür nur drei Worte: "Es war turbulent." Eine Formulierung, die die Ereignisse seiner Branche schon fast zu optimistisch wiedergibt, denn tatsächlich, auch das sagt Rau, war das nach dem Zweiten Weltkrieg die größte Krise der Messewirtschaft - einschneidender als die Finanzkrise. Für Rau auch deshalb eine besonders bittere Erfahrung, weil er erst im März die Stelle des Geschäftsführers der

    Statt Veranstaltungsbesuchern sah Lorenz Rau dieses Jahr viele Menschen, die nur deshalb zum Messegelände kamen, weil die Stadt dort das Corona-Testzentrum eingerichtet hat. Für seinen Arbeitgeber bedeuten die vielen ausgefallenen Veranstaltungen, darunter die Weltleitmesse Grindtec, einen Millionenverlust. Der entstandene Schaden gleicht die Messe Augsburg durch die Aufnahme von Krediten aus, um die Liquidität zu sichern.

    Viele Friseure und Kosmetikstudios bangen um ihre Existenz

    Trotz allem will Rau den Optimismus nicht verlieren. Mit der digital durchgeführten Eigenveranstaltung "Off-Grid Expo + Conference“ habe man "digitale Pionierarbeit" geleistet und ein Format für die Zukunft geschaffen. Eine weitere Hoffnung: Messen werden nach der Pandemie eine wichtige Plattform zur Absatzförderung sein und so das Geschäft wieder ankurbeln. Auch Konzerte oder die Auftritte von Comedians werden dann wieder gefragt sein. Das stärke dann auch der schwer getroffenen Veranstaltungsbranche wieder den Rücken - hoffentlich aber nicht zu spät.

    Lorenz Rau ist der neue Geschäftsführer der Messe Augsburg. Wegen der Sorge um den Coronavirus ist Rau derzeit vor allem als Krisenmanager gefragt.
    Lorenz Rau ist der neue Geschäftsführer der Messe Augsburg. Wegen der Sorge um den Coronavirus ist Rau derzeit vor allem als Krisenmanager gefragt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Eine Befürchtung, die auch die Friseure der Stadt haben. Auch sie sind sicher, dass nach dem Lockdown die Kunden zurückkommen werden. Doch bis dahin gehen viele durch ein tiefes Tal, sagt Innungsvorsitzender Matteo Leggio. Er erzählt von weinenden Kollegen, die nicht wissen, ob sie ihren Laden wieder aufsperren können, oder wie lange sie nach Ende des Lockdowns noch durchhalten werden. "Ich schätze mindestens 20 bis 30 Prozent der Friseure in Schwaben werden aufgeben müssen", so Leggio. Auch für Kosmetikstudios sehe es düster aus. Denn aufholen könne man die Verluste nicht mehr. Keiner brauche nach dem Lockdown zwei Haarschnitte.

    Das gleiche Argument führen Gastronomen an: Auch ihr Angebot wird nach Ende der Krise nicht stärker nachgefragt, nur weil man während des Lockdowns darauf verzichten musste. Im Gegenteil. Mancher Restaurantbetreiber wird künftig gar keine Speisen mehr anbieten können, weil Corona ihn schon jetzt zur Aufgabe gezwungen hat oder staatliche Hilfen zu spät kommen. Ein Beispiel ist unter anderem die Tapas-Bar Purist, die schon im Frühjahr nach zwölf Jahren geschlossen hat.

    Der Handel muss sparen, wo es geht

    Auch im Einzelhandel hinterlassen die Corona-Pandemie und Lockdowns ihre Spuren. Während die beiden Filialisten Reno und Bonita ihre Geschäfte in der Annastraße bereits zum Jahresende schließen, kämpft manch Inhaber geführter Laden weiter ums Überleben. Vielfach sind Kreditrahmen bereits ausgeschöpft, berichtet der Branchenverband. Händler erzählen von Umsatzeinbußen von bis zu 70 Prozent und wirken auch persönlich von der Krise mitgenommen. Andreas Gärtner vom Schwäbischen Einzelhandelsverband sagte zuletzt: "Sollte der Lockdown verlängert werden, gehen wohl bei vielen Händlern die Lichter aus." Die Innenstädte werde nach der Krise anders aussehen. Marcus Vorwohlt, Chef des Modehaus Rübsamen, ergänzt: "Wir müssen jetzt den radikalsten Rotstift ansetzen und sparen, wo es nur geht."

    Eine Erfahrung, die unter anderem auch Reisebüros und Beherbergungsbetriebe in diesem Jahr machen mussten. Hotels waren zeitweise komplett geschlossen oder begrüßten nur einzelne Gäste. Die Mitarbeiter waren teils zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Inhaber von Reisebüros erzählten von "jeder Menge Arbeit bei null Verdienst". „Bei jeder Reise, die wir stornieren, verlieren wir die damit verbundene Provision, also unser Einkommen", erzählte Erika Schmutz vom "Reisebüro hinter dem Perlach" im Mai. Von bis zu 80 Prozent Umsatzausfällen sprach im November der Deutsche Reiseverband.

    Der Tourismus hat besonders unter Corona gelitten.
    Der Tourismus hat besonders unter Corona gelitten. Foto: Bernd Thissen, dpa, dpa-tmn (Symbolbild)

    "Für den Tourismus war 2020 ein Katastrophenjahr", fasst Augsburgs Tourismusdirektor Götz Beck die Lage stellvertretend zusammen. Für Augsburg rechnet er mit einem Minus an Übernachtungen und Gästeankünften von 50 bis 60 Prozent. Doppelt bitter findet Beck die Entwicklung, weil man sich 2019 noch in allen Bereichen des Tourismus stark entwickelt und auf Rekordniveau befunden habe. "Wir waren auf dem Weg, den Tourismus zu einer Leitökonomie für Augsburg zu machen", sagt er. Das Niveau von 2019 wieder zu erreichen, werde ein hartes Stück Arbeit und nicht sofort gelingen. Immerhin glaubt Beck, dass Reisen nach Ende der Krise wieder ein großer Wunsch der Menschen sein wird, der dann der Branche wieder Aufwind verleiht.

    Neben den genannten Branchen und Bereichen gibt es noch viele weitere Verlierer der Krise. Zu ihnen gehören Messebauer oder Taxifahrer ebenso wie die Kreativwirtschaft aber auch Industriebetriebe, die mit unterbrochenen Lieferketten oder Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Lage bei vielen Betrieben in der Region ist angespannt. Bei den regionalen Wirtschaftskammern sieht man die Ausgangssituation im Lockdown mit Sorge. Vielen Unternehmen drohe das Aus, sollten die von Bund und Land zugesagten Hilfen nicht schnell und unbürokratisch fließen, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen zuletzt. Auch eine Insolvenzwelle in 2021 schließen Experten nicht aus.

    Einige profitieren auch von der Krise

    Doch wie so oft in Krisen: Es gibt auch Profiteure solcher Lagen. Zu den Gewinnern zählen sich in diesen Tagen unter anderem Baumärkte. Die Menschen haben bundesweit die Zeit genutzt und zu Hause renoviert, umgebaut oder sich neu eingerichtet. Das Geld, das man in diesem Jahr nicht in den Urlaub investiert hat, floss in andere Projekte. Der Handelsverband Heimwerken, Bau und Garten berichtet von einem Umsatzplus der Branche von rund 15 Prozent.

    Viele Menschen haben die viele Zeit in den eigenen vier Wänden genutzt, um zu renovieren.
    Viele Menschen haben die viele Zeit in den eigenen vier Wänden genutzt, um zu renovieren. Foto: tesa, DIY Academy, dpa-tmn (Symbolbild)

    Auch Möbelhäuser haben - zumindest in Teilen - von der Krise und den Investitionen der Kunden profitiert. Über Umsätze wollen ortsansässige Händler nicht offiziell sprechen. Immerhin gäbe es genügend Unternehmen, denen es schlecht ginge, man wolle sich daher nicht öffentlich im Erfolg sonnen, so ein Gesprächspartner. Man fühle stattdessen mit diesen Betrieben und genieße den eigenen Erfolg im Stillen. Zudem sei Erfolg in diesen Zeiten auch eine Frage der Betrachtungsweise.

    Fahrradhändler haben gewonnen - aber nur etwas

    Das sieht auch Maximilian Gehl vom Radcenter Gehl so. Oft wird der Fahrradhandel als großer Gewinner der Krise dargestellt, doch wenn man den Chef des Familienunternehmens in der Lise-Meitner-Straße fragt, ob er sich und seine Branche ebenso sieht, fällt ein klares "Jein". "Wenn man unsere Umsätze mit jenen in anderen Branchen vergleicht, sind wir klar die Gewinner der Krise. Wenn man aber anschaut, welche Umsätze wir ohne Corona hätten machen können, dann müssen wir einen Verlust von fünf bis zehn Prozent ausweisen", so Gehl.

    Den Umsatzverlust aus dem Frühjahrslockdown konnten Radhändler der Stadt schnell wieder hereinholen. Das erzählten sie schon zu Beginn des Sommers. Vor manchen Fahrradgeschäften der Stadt standen die Menschen damals Schlange, um sich einen neuen Drahtesel zu besorgen. Denn viele mieden den öffentlichen Personennahverkehr und stiegen auf's Rad um. Andere planten Urlaub mit dem

    Vor manchen Fahrradgeschäften der Stadt standen die Menschen zu Beginn des Sommers Schlange, um sich einen neuen Drahtesel zu besorgen.
    Vor manchen Fahrradgeschäften der Stadt standen die Menschen zu Beginn des Sommers Schlange, um sich einen neuen Drahtesel zu besorgen. Foto: Mohssen Assanimoghaddam, dpa, dpa-tmn (Symbolbild)

    Als wirkliche Profiteure der Krise sehen sich dagegen viele IT-Unternehmen. Das bestätigt auch Andrea Pfundmeier. Sie ist IHK-Vizepräsidentin und Gründerin des IT-Unternehmens Secomba. Ihr Unternehmen verbucht 2020 ein Rekordjahr, erzählt sie - auch wegen Corona. Weil Secomba Verschlüsselungstechnik für Cloud-Technik entwickelt und auch für in der Corona-Pandmie boomende Kommunikationsplattformen wie Microsoft Teams schnell entsprechende Sicherheitssysteme entwickelt hat, stieg die Nachfrage nach den Produkten enorm. "Wir haben ein deutliches Umsatzplus", so Pfundmeier.

    Auch andere Unternehmen der Branche berichten von solchen Effekten. Teils sei die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter der großen Nachfrage wegen "grenzwertig" gewesen. Allerdings schätze man den eigenen Erfolg im Hinblick auf die von der Krise stark betroffenen Branchen sehr, betont Pfundmeier stellvertretend.

    Lieferdienste: Den Umsatz fast verdoppelt

    Mächtig Aufschwung gab die Corona-Krise 2020 auch dem Online-Handel sowie den Lieferdiensten. In Augsburg erlebte so das Start-up Boxbote einen enormen Schub. "Man kann uns wohl als Corona-Gewinner bezeichnen. Wenn der Dezember so gut läuft, wie wir erwarten, knacken wir fast die Zwei-Millionen-Umsatz-Grenze. Vergangenes Jahr lag der noch bei rund einer Million Euro", erzählt Gründer Raimund Seibold.

    Lieferdienste profitieren: In Augsburg erlebte das Start-up Boxbote einen enormen Aufschwung.
    Lieferdienste profitieren: In Augsburg erlebte das Start-up Boxbote einen enormen Aufschwung. Foto: Peter Fastl (Symbolbild)

    Sein Ziel: Er will die regionale Alternative zu Amazon werden. Zwar mache das Unternehmen noch rund 70 Prozent Umsatz mit der Lieferung von Speisen, doch auch Dienstleistungen wie Bücher- oder Lebensmittellieferungen würden immer wichtiger. Auch das sei ein Effekt unter anderem von Corona. Im ersten Quartal 2021 will Boxbote daher eine weitere Großstadt erschließen - Nürnberg und Ulm sind in der näheren Auswahl.

    Optimisten in der Krise

    Und dann sind da, neben all den Verlieren und Gewinnern, noch Unternehmer, die sich zu keiner der Kategorie zählen, sondern sich vielmehr als Optimisten beschreiben. So haben in Augsburgs Innenstadt unter anderem die Kette Royal Donuts und "32° - Die Werkstatt für Genuss" mitten in der Krise und im Lockdown (light) eröffnet. Weil sie Speisen zum Mitnehmen anbieten, hoffen die Inhaber dennoch auf einen guten Start ihrer Konzepte und wollen sich für später empfehlen.

    Ganz ähnlich sehen die Lage Hysnije und Çlirim Hyka. Sie haben zum 1. Dezember das Restaurant Trattoria Alesa gelati in Hochzoll-Süd übernommen. "Ich war mir bewusst, dass diese Zeit keine einfache ist, bin aber irgendwie davon ausgegangen, dass es in Deutschland keinen zweiten Lockdown geben wird", erzählt Çlirim Hyka. Übernommen hat er vom Vorgänger einen Koch und einen Pizzabäcker. Für diese Beschäftigten braucht er jetzt Arbeit. Deshalb hat Hyka sich entschieden, einen Lieferservice anzubieten und so schon einmal eine kulinarische Visitenkarte zu verschicken.

    Mitten im Lockdown haben Çlirim und Hysnije Hyka die Trattoria Alesa Gelati in Hochzoll-Süd übernommen.
    Mitten im Lockdown haben Çlirim und Hysnije Hyka die Trattoria Alesa Gelati in Hochzoll-Süd übernommen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wann er sein Restaurant eröffnen kann, weiß er nicht. Von den staatlichen Hilfen kann Hyka nach eigenen Angaben nichts abgreifen. Er habe das Lokal erst jetzt übernommen und könne daher keine Umsätze aus dem Vorjahr nachweisen, an denen sich die Hilfen bemessen, sagt er. Für den Gastrofachmann ist das aber in Ordnung. "Ich erwarte nicht, dass der Staat mir hilft." Vielmehr müsse man nun in Eigeninitiative dafür sorgen, die schwere Zeit zu überbrücken. Es werde schon alles gut gehen. "Nach dem Winter kommt der Frühling", sagt er kämpferisch.

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